Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

KommentarDie entscheidende KHZG-Phase beginnt jetzt

Digitalisierung schafft in so vielen Bereichen Mehrwert und ausgerechnet im Gesundheitswesen liegen wir sehr weit zurück, wie der erste DigitalRadar Krankenhaus nun offenbart. Wie schnell können wir an diesem Status Quo etwas verändern und worauf müssen Verantwortliche nun besonders achten?

Admir Kulin
m.Doc GmbH
Admir Kulin, Gründer und Geschäftsführer der m.Doc Gmbh, Anbieter für innovative digitale Gesundheitslösungen.

Der schreckliche Krieg in der Ukraine ließe sich auf vielschichtige Weise analysieren. In dieser Kolumne geht es allerdings weder um Politik noch um irgendwelche Energiethemen. Dennoch steige ich mit den aktuellen Ereignissen ein, die die Nachrichtenlage dominieren und sogar das Pandemie-Geschehen fast vergessen machen. Denn die Menschen in der Ukraine beweisen derzeit nicht nur ihren Mut, sie zeigen auch, dass in einer digitalen Welt selbst der vermeintlich mächtigste Despot eines nicht unterdrücken kann: die Kommunikation der Menschen und damit den Austausch von Informationen. In Russland gibt es kaum eine neutrale, unabhängige Berichterstattung. Damit die russische Bevölkerung dennoch über die aktuelle Situation in der Ukraine informiert werden kann, haben Freiwillige nun kurzerhand die Google-Bewertungen für Restaurants, Läden und Shops umfunktioniert, wo statt Essensbewertungen nun in den Kommentaren die aktuelle Krisensituation beschrieben wird.

Not macht erfinderisch und offensichtlich auch kreativ. Und auch wenn es im Vergleich zu einer unabhängigen Berichterstattung „nur“ eine Behelfslösung ist, wird sie in der aktuellen Situation sicherlich ihren wichtigen Zweck erfüllen.

Ähnlich „provisorisch“ findet der Informationsaustausch im deutschen Gesundheitswesen statt – allerdings völlig ohne Not! Es gibt keinerlei Konflikte zwischen den Parteien, zwischen denen die Informationen fließen müssten, und auch die passenden digitalen Lösungen stehen parat. Und doch zeichnet der erste, nun veröffentlichte DigitalRadar Krankenhaus ein durchwachsenes Bild. Er soll evaluieren, wie es um den Digitalisierungsgrad deutscher Krankenhäuser steht. Und an diesem Grad werden die Häuser dann nach Ende der KHZG-Förderung gemessen.

Die Messlatte hängt tief

Ich denke, kein Branchenkenner hat mit Veröffentlichung des DigitalRadars mit großen Ausreißern nach oben gerechnet. Dass die Messlatte in einigen der evaluierten Dimensionen dennoch dermaßen tief hängt, sollte nun zu einem Ansporn werden – beispielsweise beim so wichtigen und in anderen Bereichen selbstverständlichen Informationsaustausch. Hier erreichen deutsche Kliniken im Durschnitt gerade einmal 25 von 100 möglichen Punkte. Aber es wird noch besser – oder, korrekt ausgedrückt, schlechter: Mit Blick auf Telehealth sind es im Schnitt nur noch 18, bei der Patientenpartizipation nur noch 5 von möglichen 100 Punkten.

Der erste DigitalRadar Krankenhaus ist aber natürlich nur eine Momentaufnahme. Die Fördergelder sind beantragt, sodass wir auch zeitnah mit Veränderungen des Status Quo rechnen dürfen. Beispielsweise sind mittlerweile 1130 KHZG-Förderanträge für ein Patientenportal gestellt worden. Das heißt, dass in der überwiegenden Mehrheit der Akut-Kliniken hierzulande Patientinnen und Patienten künftig Mitsprache haben, umfassend informiert werden und den stationären Sektor reibungslos und medienbruchfrei durchlaufen können.

Die Arbeit beginnt jetzt

Damit sind wir jetzt jedoch auch in einer entscheidenden Phase des KHZG. Denn nach dem Förderantrag ist vor der Implementierung. Und die will durchdacht sein. Womit überspitzt formuliert niemandem – am allerwenigsten den Patientinnen und Patienten – geholfen ist: Wenn wir 2024 1130 Akut-Kliniken mit verschiedenen Patientenportalen haben, die weder untereinander kommunizieren können noch mit irgendwelchen anderen Systemen und Lösungen. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber Interoperabilität ist wirklich eines der wichtigsten Kriterien, die es jetzt im Rahmen der Umsetzung zu berücksichtigen gilt.

Und auch ganz grundsätzlich ist für mich mit dem KHZG der Startschuss gefallen, nur noch zielgerichtete Entscheidungen zu treffen. Verantwortliche im Gesundheitswesen müssen sich zwingend die Frage stellen, was eine Lösung heute und morgen für sie und ihr Haus tun kann. Warum entscheide ich mich für eine Lösung, und welche Ziele will ich damit erreichen? Es wird Zeit, Sätze wie „das haben wir immer schon so gemacht“ im Keller einzumotten und Ausschreibungen zukunftsorientiert zu gestalten.

Auch damit wiederhole ich mich: Wir haben mit den KHZG-Fördergeldern die Möglichkeit, die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens zu sichern und seine Versorgungsqualität hochzuhalten. Dafür müssen die Gelder aber auch zukunftsgerichtet investiert werden.

Fuß auf’s Gas

Ich habe es bereits in meiner letzten Kolumne gesagt und tue es nun noch einmal: Die Ergebnisse des DigitalRadars unterstreichen einmal mehr, dass wir dringend die Schlagzahl erhöhen müssen. Wenn die KHZG-Förderung 2024 ausläuft, sollte die Kliniklandschaft in Sachen Informationsaustausch, Telehealth und vor allem Patientenpartizipation auf einem Niveau sein, das dem international hochangesehenen Ruf des deutschen Gesundheitswesens auch gerecht wird. Natürlich gilt es hier, Erwartungsmanagement zu betreiben. Wer von so weit unten kommt, wird es nicht über Nacht von 0 auf 100 schaffen – auch nicht in den nächsten drei Jahren. Und natürlich müssen wir auch über Folgefinanzierungen sprechen – am besten schon jetzt. Aber die schlechten Ergebnisse sollten ein Anreiz sein, es in Zukunft besser zu machen. Alle denkbaren Möglichkeiten stehen zur Verfügung.

Was wir aktuell erleben, ist meiner Meinung erst der Anfang. Es ist ein gewaltiger Anschub, der eine Entwicklung in Gang setzen wird, die dann nicht mehr aufzuhalten ist. Wir werden mit Sicherheit auch noch ein KHZG 2.0, vielleicht sogar die Version 3.0, ein Praxis-Zukunftsgesetz, eine Apotheken-Zukunftsgesetz und ähnliches erleben. Bevor nicht alle Silos und Sektorgrenzen eingerissen sind, sollten wir unermüdlich weitermachen – egal, wie groß die Hürden und Herausforderungen auch sein mögen. Und auch hier sollten wir uns von dem Mut der Menschen in der Ukraine inspirieren lassen. Für viele Dinge im Leben lohnt es, zu kämpfen. Nur haben wir es nicht ansatzweise so schwer.

2022. Thieme. All rights reserved.
Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen

Philips GmbH Market DACH

Philips vernetzt Daten, Technologien und Menschen

Die Medizin macht täglich Fortschritte. Damit steigen auch die…