
Das österreichische Unternehmen ATSP will in Kooperation mit dem Rechenzentrum Volmarstein GmbH (RZV) eine Lösung auf Basis von THSP („T-Systems Solution for HealthCare“) anbieten, die ATSP bereits gemeinsam mit dem Partner T-Systems Austria für Krankenhäuser in Österreich und der Schweiz entwickelt hat. Die für Deutschland avisierte Lösung soll laut einer Mitteilung der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG) auf TSHC aufbauen, einen Großteil der bisherigen IS-H-Funktionen abdecken und nahezu nahtlos an das bisher verfügbare Patientenmanagement anknüpfen.
Interessant wird nun sein, wie T-Systems auf das Vorgehen von ATSP und RZV reagieren wird. Denn offenbar gibt es „keine Vereinbarung zwischen T-Systems und ATSP oder dem RZV oder einem anderen Partner über eine Nutzung von TSHC für den deutschen Markt“, erklärte Dirk Becker, Unternehmenssprecher der Deutschen Telekom auf Nachfrage von kma. Telekom Healthcare Deutschland – eine Tochter der T-Systems – hat für das Krankenhausinformationssystem (KIS) iMedOne der Telekom eine Patientenabrechnungssoftware im Angebot, die die Lösung SAP IS-H ersetzen soll. iMedA ist dem Bonner Unternehmen zufolge eine erprobte Anwendung zur Patientenabrechnung, die den rund 250 iMedOne-Kunden in Deutschland zur Verfügung steht und von einigen bereits genutzt wird.*
Neben ATSP stellten auf dem DSAG-Kongress insgesamt zehn E-Health-Anbieter ihre Entwicklungsstand für Nachfolgeprodukte der Branchenlösung IS-H vorgestellt. Auch Dedalus, Compugroup, Nexus, Deutsche Telekom, Oracle Cerner, Meierhofer, Mesalvo und Avelios haben Nachfolgeentwicklungen in der Pipeline und Prototypen beziehungsweise bereits fertige Einzelkomponenten der Fachöffentlichkeit präsentiert.
Derzeit noch kein Produkt auf dem Markt verfügbar
Die Abkündigung des Supports durch SAP zum Jahr 2027 hatte mehrere Hundert Krankenhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz in eine schwierige Situation gebracht, da IS-H eine wichtige Rolle bei Abrechnung und Patientenmanagement spielt und zusammen mit i.s.h.med von Oracle Cerner ein vollwertiges KIS bildet beziehungsweise auch an andere auf SAP-Architektur basierende KIS andockt.
Bislang ist jedoch in Deutschland kein marktreifes Produkt verfügbar, erst im Laufe des kommenden Jahres wollen viele Hersteller marktreife Lösungen anbieten und mit dem Rollout beginnen. Es zeichnet sich nun ein beinhartes Wettrennen ab, bei dem der Anbieter die besten Chancen hat, der am frühesten eine ausgereifte Lösung anbietet – und zu attraktiven Preisen. Sind die neuen Lösungen zu teuer, könnten Kliniken möglicherweise andere Wege gehen und vorfristig auf ein zukunftsfähiges KIS umsteigen.
Pilotsystem soll Anfang 2025 verfügbar sein
Derzeit analysieren ATSP und RZV noch die Situation, wollen aber ab Anfang 2025 ein Pilotsystem zur Verfügung stehen. Ab Herbst 2025 soll die neue Software laut den Anbietern in den Kliniken und Krankenhäusern ausgerollt werden. Damit würden ATSP und RZV beziehungsweise ATSP und T-Systems Austria künftig einen IS-H-Nachfolger für den gesamten DACH-Raum anbieten.
Aus Sicht der DSAG bringen die drei Unternehmen genügend Ressourcen in den Bereich Entwicklung und SAP-Beratung mit. Das sei „eine notwendige Voraussetzung mit Blick auf die zahlreichen Häuser, die bis 2027 transformiert werden müssen“, sagt Michael Pfeil, DSAG-Arbeitskreissprecher Healthcare. „Die Ankündigung dieser Branchen-Flaggschiffe zusammen mit der großen Bereitschaft der anderen Branchenvertreter, sich den Anwendern zu stellen und schlüssige Konzepte für die Nachfolge zu präsentieren – all das stimmt mich mit Blick auf die anstehenden Umstellungen sehr zuversichtlich.“
GITG will Ende 2024 an Start gehen
Doch auch die anderen Anbieter arbeiten mit Hochdruck an Nachfolgekandidaten. „Wir werden Ende des Jahres 2024 mit unserer Nachfolgelösung soweit sein“, kündigte Prof. Wilken Möller im Gespräch mit kma auf der DMEA an. Möller ist Geschäftsführer des deutschen SAP-Systemhauses GITG, das gemeinsam mit dem spanischen SAP-Spezialisten Common MS ebenfalls einen Nachfolger auf der zukunftsfähigen SAP S/4HANA-Basis entwickelt hat. Möller setzt darauf, bis zu 50 Krankenhäuser mit seiner Lösung ausstatten zu können. Dies sei eine realistische Große, um mit der vorhandenen Manpower zügig und komplikationslos den Rollout bewerkstelligen zu können.
Oracle Cerner arbeitet an offener und interoperabler Plattform
Oracle Cerner geht einen eigenen Weg und arbeitet an einer neuen modernen Plattformlösung, die mehr als ein altbekanntes KIS sein soll. Es wird die notwenigen Funktionalitäten wie bei IS-H bieten, aber technologisch auf modernstem Stand sein. „Wir wollen bewusst nicht nur ein Krankenhausinformationssystem mit einem anderen Krankenhausinformationssystem ersetzen, sondern die Vision von Oracle Health ist offene Health Care Plattform“, sagt Stefan Radatz, Geschäftsführer von Oracle Cerner in Deutschland. Starten wird Oracle Cerner deshalb bewusst mit Komponenten zu Patientenadministration und Abrechnung, die bald bereitstehen sollen. Auf feste Termine wollte er sich aber nicht festlegen lassen.
Krankenhäuser dürfen nicht warten
Trotz aller Zuversicht mahnt Michael Pfeil die Krankenhäuser, nun nicht die Hände in den Schoß zu legen: „Die Häuser sollten die Zeit, bis die für sie passende Lösung marktreif ist, nutzen, um sich mit ihren bestehenden Systemen auseinanderzusetzen. Hilfreich sind zum Beispiel Readiness-Checks, mit denen sich nicht nur das aktuell betriebene Patientenmanagementsystem, sondern die bestehende SAP-Umgebung, auch in Hinblick auf eine SAP S/4HANA-Umstellung, analysieren lassen“, empfiehlt er. Damit könnten Anwender schon jetzt prüfen, welche relevanten Eigenentwicklungen sie umziehen möchten, welche Anpassungen für das neue System gegebenenfalls notwendig sind – und so die anstehende Transformation bestens vorbereiten“, so der DSAG-Experte.
*Der Artikel wurde aktualisiert. In der ersten Fassung hieß es noch, die Deutsche Telekom würde den Vorgang prüfen. Inzwischen hat die Deutsche Telekom die Prüfung abgeschlossen und gegenüber kma Stellung bezogen.








Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen