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Radiologische AufnahmenEinheitliche Vorgaben für die Anbieter von Bildportalen

Bildportale werden als Speichermedium für radiologische Aufnahmen immer wichtiger. Doch weil jeder Anbieter einen anderen Workflow hat, herrscht in den Kliniken vielfach Frust. Ein technischer Standard soll das ändern – nach einem bewährten Vorbild.

Radiologische Aufnahmen
StockPhotoPro/stock.adobe.com
Krankenhäuser lesen künftig keine Patienten-CDs mehr ein, sondern erhalten die radiologischen Aufnahmen über ein Onlineportal.

Die Compact Disc stirbt einen langsamen Tod, auch in der Medizin. Das Internet und die Cloud verdrängen zunehmend die Patienten-CD als Speichermedium für radiologische Bilder. Prof. Dr. Matthias May, Leitender Oberarzt am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen, schätzt, dass rund die Hälfte seiner Patienten nicht mehr mit einer CD zu ihm kommen, sondern stattdessen den Download-Link eines Bildportal-Anbieters vorzeigen.

Die Klinikmitarbeiterinnen und -mitarbeiter gelangen über diesen Link auf das Portal, von dem sie die Bilder herunterladen können. „Wir Radiologen begrüßen das Onlineverfahren“, sagt May: „Aber die unterschiedlichen Prozesse der verschiedenen Anbieter sorgen in den Kliniken für großen Frust.“

Der Workflow ist nicht einheitlich

Die Klinikmitarbeiter stören sich vor allem daran, dass jedes Bildportal einen anderen Workflow hat. Das beginnt bereits beim Einloggen, bei dem sie entweder eine URL abtippen, einen Barcode oder auch QR-Code scannen müssen. Die Identifizierung erfolgt bei einem Anbieter mit dem Geburtsdatum, beim nächsten mit einem Passwort. Hat der Anwender es schließlich in das Portal geschafft, geht es gerade so weiter. Der Download-Button wird mal oben links, mal oben rechts angezeigt. Dann muss sich der Benutzer in der Ordnerstruktur des jeweiligen Portals zurechtfinden, um die relevanten Bilder auszuwählen und herunterzuladen.

Handelt es sich um einen ihm noch unbekannten Anbieter, muss er sich zuerst einarbeiten und herausfinden, wie er an die gewünschten Bilder herankommt. Manche Anbieter verpacken die Bilder, sodass sie nach dem Herunterladen noch entpackt werden müssen. Erst danach können sie in das Programm überführt werden.

May, der auch Vorsitzender der AG Informationstechnik in der Deutschen Röntgengesellschaft, kurz Agit, ist, berichtet von Beschwerden von Patienten und Patientenvertretungen, die bei ihm eingegangen sind. Behandlungen mussten aufgrund nicht verfügbarer radiologischer Bilder verschoben oder sogar abgesagt werden. Die Ursache lag an einer zu gering eingestellten Zeitspanne für den Zugriff auf die Bilder und deren Speicherung. Teilweise war bereits nach zwei Wochen kein Zugriff auf die Fotos mehr möglich.

Wir wollen den Wechsel vom physikalischen Medium Patienten-CD zum virtuellen Medium durch eine Technische Spezifikation begleiten.

Wenn Patientinnen und Patienten aber erst nach vier Wochen oder später einen Facharzttermin bekommen, sind die Bilder längst weg, und der Arzt kann sie in der Nachbehandlung nicht mehr anschauen. „Hier braucht es eine gewisse Vereinheitlichung“, fordert May.

Bei der Entwicklung der Onlineverfahren fehlten Vorgaben in Form von Normen oder Standards, an denen sich die Hersteller orientieren konnten. Damit sich das ändert, hat die Agit beschlossen, einen Standard für die Bildportale zu entwickeln. „Wir wollen den Wechsel vom physikalischen Medium Patienten-CD zum virtuellen Medium durch eine Technische Spezifikation begleiten“, erläutert May.

Die Industrie hat ihre Zustimmung signalisiert. „Wir werden letztendlich in einer Situation sein, von der alle Beteiligten profitieren“, sagt Tobias Anger, Mitglied der Geschäftsleitung des Portalanbieters Telepaxx. „Wenn es einen Standard gibt, wird das die Gesamtakzeptanz des Onlineverfahrens gegenüber der Patienten-CD erhöhen.“

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Insgesamt 15 Hersteller in Deutschland wurden identifiziert und zu einer konstituierenden Sitzung eingeladen. Der Handlungsdruck war auf allen Seiten so groß, dass sich Anbieter und Anwender in dieser Sitzung auf eine schnelle Lösung verständigt haben. „In einem halben bis dreiviertel Jahr muss eine Lösung vorliegen“, sagt Arbeitskreisleiter Dr. Marc Kämmerer, der auch Mitglied im Vorstand der Agit ist.

Wegen der kurzen Zeit kam eine DIN-Norm nicht infrage. „Die Entwicklung einer Norm hätte bis zu 1,5 Jahre gedauert“, erklärt Kämmerer. Die Umsetzung der Norm hätte, so Kämmerer, dazu geführt, dass erste Produkte frühestens in drei bis vier Jahren verfügbar gewesen wären. Anstelle der Norm entwickelt der Arbeitskreis eine Technische Spezifikation nach DIN.

Der Zeithorizont ist sehr knapp

„In der Standardisierungswelt ist die Technische Spezifikation der schnellste Weg“, so Kämmerer. In sechs bis acht Monaten soll der neue Standard veröffentlicht werden. „Dieser sehr knappe Zeithorizont zeigt, dass wir die Spezifikation nicht unendlich in die Tiefe ausdehnen können“, sagt May. Hersteller und Anwender haben sich deshalb bereits im Vorfeld inhaltlich auf bestimmte Eckpunkte verständigt.

Die Technische Spezifikation soll klar definieren, auf welcher Programmebene der Downloadbutton zu finden ist, welches Dateiformat die Bilder haben und in welcher Ordnerstruktur sie abgelegt werden. Das ist wichtig, weil ein Datensatz neben den Bilddaten noch Metadaten enthält und manche Programme Schwierigkeiten haben, bei zum Beispiel fünf verschachtelten Unterordnern die richtigen Daten zu finden.

Bei der Einführung der Patienten-CD war es ähnlich

Die aktuelle Situation erinnert an die Einführung der Patienten-CD, die jetzt durch die Bildportale abgelöst wird. Auch damals führten fehlende Standards zu Schwierigkeiten. Manche CDs ließen sich nicht einlesen, und die Schuldfrage ließ sich oft nicht eindeutig klären: War die Scheibe fehlerhaft gebrannt, oder lag das Problem auf der einlesenden Seite? Die fehlerhaften CDs verursachten teilweise einen so großen Zeitaufwand, dass einige Ärzte die Annahme von CDs verweigerten und ausschließlich Röntgenfilme akzeptierten.

Ende 2005 startete die Deutsche Röntgengesellschaft deshalb ein Projekt, in dem sie in einem technischen Regelwerk die Anforderungen an eine Patienten-CD festlegte. Wenn ein Hersteller in einer technischen Prüfung nachwies, dass sein Produkt eine Patienten-CD fehlerfrei brennen konnte, erhielt er ein entsprechendes Testat. Ab 2007 konnten sich die Hersteller für ein solches Testat bewerben.

Wirtschaftlich betrachtet gab es für den Empfänger einer Patienten-CD bislang nur einen Arbeitsschritt. Er musste die Patienten-CD ins Laufwerk legen und konnte dann sofort die Bilder einem Patienten zuordnen. Alles andere erfolgte automatisch. Beim aktuellen Onlineverfahren sind es fünf Arbeitsschritte mit dem entsprechenden Personalaufwand. „Wir müssen wieder zu diesem einen Arbeitsschritt kommen“, fordert May.

Arbeitskreis entwickelt Technische Spezifikation

Dem Arbeitskreis, der die Technische Spezifikation jetzt entwickeln soll, gehören Mitglieder der Agit an, Anbieter von Bildportalen, niedergelassene und klinische Radiologen sowie Universitätskliniken. Außerdem vertreten sind der Berufsverband Deutscher Radiologen, ein Datenschutzexperte sowie das DIN. Insgesamt hat das Gremium rund 20 Mitglieder.

Um einen großen Konsens zu erreichen, planen die Initiatoren eine öffentliche Kommentierungsphase, die im Curriculum einer Technischen Spezifikation eigentlich nicht vorgesehen ist. „Die Erwartungen sind mit Sicherheit heterogen“, sagt Kämmerer. „Ich würde mich freuen, wenn wir es ähnlich hinbekommen könnten wie bei der Patienten-CD.“

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