
Es war nicht einfach, jemanden ans Telefon zu bekommen. Am Universitätsklinikum Frankfurt (UKF) sind alle mit dem kürzlichen Cyberangriff beschäftigt, weshalb die gewohnte Kommunikation per E-Mail nur sehr eingeschränkt möglich ist. Eine halbe Woche nach dem Hackerangriff hatte der Chief Medical Informatics Officer (CMIO) Dr. Michael von Wagner schließlich doch Zeit für ein Telefonat.
Der Grund für das Gespräch: von Wagner befasst sich intensiv mit der Nutzbarmachung von ePA-Daten. Auf dem 2. Frankfurter E-Health-Tag im Juli 2023 erklärte er in seinem Vortrag, was es IT-seitig und auf Ebene der Krankenhäuser braucht, um mit Hilfe der elektronischen Patientenakte (ePA) den Weg zu einer personalisierten Medizin und Gesundheitsversorgung zu ebnen – und welche Rolle KI in der Zukunft dabei spielen könnte. Seine konkrete Idee: ein digitaler Zwilling für den Patienten.
Die ePA als digitaler Zwilling des Patienten
„Die elektronische Patientenakte kann ein digitaler Patientenzwilling werden, mit dessen Hilfe wir in Zukunft Simulationen und Prognosen über Gesundheitsverläufe und Therapieerfolge durchführen können“, so Wagners Zukunftsprojektion für den Gesundheitssektor. Doch wie genau meint er das? Inwiefern wird mit der ePA ein digitaler Patientenzwilling erstellt?
Dazu muss von Wagner weiter ausholen: Statt der bisherigen Dokumentation auf Papier im Rahmen einer Fall-Akte pro stationärem Aufenthalt gebe es heute innerhalb von Gesundheitsinstitutionen immerhin eine einheitliche, elektronische Patientenakte: Die dezentralen Teile einer an sich zusammengehörigen Akte würden so vernetzt. Der erste Schritt der Digitalisierung sei somit bereits getan. „Doch auch in den einheitlichen Patientenakten von Kliniken und Ambulanzen gibt es weiterhin einen Fall-Kontext“, führt er aus: „Die Dokumente sind immer noch an den Behandlungsfall geknüpft – sei es die dermatologisch-ambulante Betreuung, der stationäre Aufenthalt in der Bauchchirurgie oder die Röntgenaufnahme nach einem Unfall.“
Vom Fallkontext zur Patienten-Gesamtschau
Ärzte können die Befunde zum Patienten durch die Zusammenführung der Daten heute aber bereits umfassend anschauen. Diese Transparenz verschafft ihnen einen besseren Überblick. Dieser verhindert z.B., dass innerhalb eines Krankenhauses unterschiedliche Medikationslisten geführt werden. Das allein genügt jedoch nicht, findet der Experte. „Der nächste Schritt der ePA besteht darin, dass wir trotz der zunehmenden Masse an redundanter Information den Überblick behalten“, betont er. Denn wer alle Informationen eines Hauses zusammenführt, bekommt oftmals die gleiche Information doppelt und dreifach geliefert: Diagnosenlisten, die sich nur in wenigen Punkten unterscheiden.
Über Dr. Michael von Wagner

Dr. Michael von Wagner ist Chief Medical Informatics Officer (CMIO) und Ärztlicher Leiter der 2019 gegründeten Stabsstelle Medizinische Informationssysteme und Digitalisierung am Universitätsklinikum Frankfurt. In seiner Position ist er verantwortlich für die Standardisierung in den Krankenhausinformationssystemen (KIS) und die Strukturierung der Anforderungen an diese. Er wirkt außerdem an der Beurteilung von digitalen medizinischen Innovationen mit und begleitet medizinische Digitalisierungsprojekte.
2021 wurde von Wagner gemeinsam mit dem UKF-CIO Jens Schulze als „CIO des Jahres“ in der Kategorie Public Sector ausgezeichnet. In ihrer Begründung lobte die Jury insbesondere den ganzheitlichen Ansatz der IT-Strategie des Universitätsklinikums.
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Die Challenge der nächsten Jahre: Die Datenflut bewältigen
Erhöhte Transparenz generiert in der Gesundheitsversorgung somit nur dann einen Mehrwert, wenn wir Big Data beherrschen und sinnvoll auswerten. Das größte Risiko aus Sicht von Wagner: Die Masse an redundanter Information könnte so groß werden, dass sich entscheidende Informationen nicht mehr herausfiltern lassen.
Hinzu kommt die Informationsflut aus der Wissenschaft, die zur Verdoppelung des Wissens heute nicht mehr 50 Jahre, sondern nur noch wenige Monate benötigt. „Ständig erhalten Ärzte neue, individuellere Empfehlungen für die Behandlung von Patienten und müssen immer mehr Faktoren in Therapie-Entscheidungen einbeziehen“ umreißt von Wagner die Herausforderung der nächsten Jahre.
Bei einer koronaren Herzerkrankung müssen viele Informationen einbezogen werden, die irgendwo in den Akten schlummern.
Diese Entwicklung zur personalisierten Medizin beobachtet er nicht nur bei Therapien von schwerwiegenden Erkrankungen, wie etwa der Chemo-Therapie von Brustkrebs, sondern auch bei anderen Therapieformen: „Auch bei der Behandlung einer koronaren Herzerkrankung oder Fettstoffwechselstörung müssen viele Informationen einbezogen werden, die irgendwo in den Akten schlummern.“
Damit ist die Ausgangslage und Aufgabe für die nächsten Jahre abgesteckt: Es gilt, die Informationsflut auf der Wissensseite und auf der Patientenseite zusammenzubringen. Mit einer einrichtungsübergreifenden ePA wird diese Flut noch größer, weil dann zusätzlich die Informationen aller anderen Behandelnden hinzukommen und die Redundanz weiter steigt.
Standardisierung durch strukturierte Information
„Die Speicherung der Information muss aus diesem Grund zukünftig standardisiert(er) erfolgen“, so das Fazit von Dr. von Wagner: „Alle müssen die gleiche Information in gleicher Art und Weise hinterlegen, damit die Systeme in der Lage sind, die Informationen zu filtern und Ärzte z.B. nur einmal und nicht zehn Mal berichten, dass der Patient Diabetes hat.
In der Zukunft wollen und sollen Ärzte nicht mehr zehn oder mehr unstrukturierte Dokumente durchforsten müssen, um immer wieder aufs Neue dieselbe Diagnose vorzufinden. Stattdessen soll die Diagnosenliste einmalig strukturiert in die ePA übertragen und von den Systemen kontextsensitiv gefiltert werden. Was das bedeutet, führt der CMIO an einem Beispiel aus: „Muss ich z.B. in einer Situation wie vor einem interventionellen Eingriff darauf achten, dass ein Patient einen Gerinnungshemmer bekommt, kann ich diese Information in der Oberfläche anders anbieten als in anderen Situationen, wo sie nicht im Vordergrund steht.“
Kontextsensitives Filtern: Kommt hier KI ins Spiel?
Und genau hier kommt künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Damit sie jedoch überhaupt nutzbar wird, braucht es zunächst Verschlagwortung alias Codierung: „KI ist darauf angewiesen, dass Algorithmen die Informationen eindeutig angeboten bekommen“, erklärt von Wagner: „Wer im Freitext dokumentiert, dass ein Patient eine Blutungsneigung hat, ist darauf angewiesen, dass der Algorithmus den Freitext analysiert, die richtigen Schlüsse zieht und den richtigen Hinweis gibt.“
KI ist darauf angewiesen, dass Algorithmen die Informationen eindeutig angeboten bekommen.
Erst mit der Codierung der eindeutigen Information „Bluterkrankheit“ kann der Algorithmus diese an einer dezidierten Stelle aufnehmen, verarbeiten und an den Anwender weitergeben. Für Krankenhäuser heißt das: Sie müssen Inhalte in Zukunft neben dem Freitext zunehmend verschlagworten. Von Wagner, selbst ein Freund des Freitextes, erklärt: „Das ist auch die Idee hinter Snomed CT. Natürlich wird die Anamnese des Patienten weiterhin als Freitext dokumentiert, aber zusätzlich verschlagworten wir die entscheidenden Informationen, wobei KI uns unterstützt.“
Erste, vor allem englischsprachige Tools hierfür hält der Markt inzwischen bereit: KI erkennt dann schon beim Schreiben des Textes, was genau gemeint ist: Ist im Freitext die aktuelle oder frühere Krebserkrankung des Patienten gemeint? Oder womöglich nur die Erkrankung eines Familienangehörigen? „Der Arzt als Autor kann sich dann mit Hilfe der KI selbst kommentieren, indem er angibt, dass er z.B. gerade die Familienanamnese meint“ erläutert von Wagner.
So viel wie möglich
Das Ziel dahinter: so viel Information wie möglich in strukturierter Art und Weise in der ePA zu hinterlegen – idealerweise mit den nötigen Metadaten. Diese speichern, wann Informationen zum ersten Mal dokumentiert wurden und wer sie hinterlegt hat. So macht es etwa bei Allergien einen entscheidenden Unterschied, ob Allergiehinweise Eigenangaben von Patienten oder gesicherte, ärztliche Diagnosen sind: Mit einer eindeutig hinterlegten Information können die IT-Systeme beispielsweise bei einer echten Penicillin-Unverträglichkeit vor der Gabe des Antibiotikums warnen – und umgekehrt können sie das Mittel verabreichen, wenn gar keine echte Allergie vorliegt, der Patient aber essentiell auf die Gabe angewiesen ist, z.B. in Folge einer HIV-Infektion.
Was bedeutet es, einen digitalen Zwilling zu haben?
Langsam nähern wir uns der eigentlichen Zukunftsvision: dem digitalen Patientenzwilling. Laut von Wagner wird die zunehmend strukturierte ePA in dem Moment zu unserem echten Zwilling, „wenn die Akte so umfänglich strukturierte Daten über den Patienten bereithält, dass sie sogar die Eigenschaften des Patienten beschreibt und ich als Arzt Prognosen und Simulationen anwenden kann.“ Liegt eine Diagnose vor, könnten Ärzte dann in Zukunft abfragen, wie die Prognose für den Patienten beim Einsatz einer bestimmten Therapie aussieht. „Hier spielen natürlich viele Faktoren rein“, gibt von Wagner zu, bleibt aber optimistisch: „Wenn wir solche hypothetischen Abfragen durchführen können, haben wir einen echten, digitalen Zwilling.“
Die heutige ePA bildet das bei weitem noch nicht ab.
Von Wagner ist überzeugt, dass Kliniken, die schon jahrelang digital dokumentieren und jetzt sukzessive strukturierte Dokumentation und Terminologien einführen, sich diesem digitalen Zwilling bereits annähern. Seine Kollegen, die ebenfalls auf dem E-Health-Tag über dieselbe Thematik referiert haben, halten weitere Anwendungsgebiete für möglich.
So meinte Jörg-Uwe Braun, Leiter des Dezernats Materialwirtschaft und Dienstleistungen am UKF, dass sich nicht nur für den Patienten selbst, sondern auch für das gesamte Krankenhaus als Einrichtung ein digitaler Zwilling erstellen lässt. Mit der Zusammenführung von Patienten- und Logistik-Daten könnten zukünftig für den gesamten Krankenhausbetrieb Simulationen und Prognosen vorgenommen werden, um sowohl Auslastungen als auch personelle und materielle Ressourcen sinnvoll einzuschätzen. „In der Pandemie haben wir damit bereits, wenn auch auf einfachere Art, erste Erfahrungen gesammelt“, resümiert von Wagner.
In der Pandemie haben wir damit bereits, wenn auch auf einfachere Art, erste Erfahrungen gesammelt.
Ein zweiter Use Case ist die Nutzbarmachung der Daten aus der Krankenversorgung für Forschung und Lehre: Hier kommt es laut den Referenten darauf an, den Datenschutz zu würdigen, indem wir anonyme Patientenfälle generieren, jedoch trotzdem mit Realdaten arbeiten.
Das ist in anderen EU-Ländern längst gelebte Realität: „Diejenigen Länder, in denen staatliche Gesundheitssysteme bestehen, haben von Haus aus eine zentralistische Dokumentation. Skandinavien liegt hier mit seinen großen Kohorten ganz vorn“, erklärt von Wagner mit Blick auf Schweden: „Im schwedischen Gesundheitssystem durfte das Karolinska Institutet schon um die Jahrtausendwende umfassend solche Daten erheben und sie für seltene Erkrankungen nutzen. Skandinavische Publikationen hatten schon immer große Patientenpopulationen und sind uns aus wissenschaftlicher Perspektive daher um einige Jahrzehnte voraus.“
Das skandinavische Mindset: Die Daten gehören der Gesellschaft.
Das liegt laut von Wagner vor allem am gesellschaftlichen Mindset: „Die in Skandinavien vorherrschende Grundmeinung ist: Die Daten gehören der Gesellschaft und sollten für alle nutzbar sein. In Deutschland sind wir dagegen zergliedert und führen die Daten nur schwerfällig zusammen.“
Auch bei den baltischen Staaten spielen die Länder eine sehr zentrale Rolle, weiß der CMIO: Sie haben im Rahmen der Digitalisierung ihrer Gesundheitsversorgung schon lange das Zielbild einer digitale Patientenakte, an der mehrere Behandler gemeinsam arbeiten. „Anders als hierzulande fehlt das Verständnis von Sektorengrenzen. Der niedergelassene und klinische Bereich sind per se miteinander vernetzt.“
Selbst in den USA, wo es keine nationale ePA gibt, werden Patientendaten durch den Versicherungsträger, der die Gesundheitseinrichtungen und damit die Patientenakten betreibt, an zentraler Stelle gebündelt. „Statt der Sektorengrenzen zwischen ambulanten und stationären Versorgern geht es nur um den behandelnden Arzt.“

2021 haben das Universitätsklinikum Frankfurt und der Fachbereich Medizin der Goethe-Universität das University Center for Digital Healthcare (UCDHC) gegründet. Mit dabei: die Stabsstelle Medizinische Informationssysteme und Digitalisierung, das Dezernat Informations- und Kommunikationstechnologie und die Medical Informatics Group. Dr. Michael von Wagner ist neben seinen anderen Positionen auch Geschäftsführender Direktor des Zentrums. ► Mehr zum Thema
Status Quo der ePA in Deutschland
Laut von Wagner gibt es beim ePA-Fortschritt hierzulande keine größeren Unterschiede zwischen den Bundesländern, wohl aber bei der Versicherungsart: „Die gesetzlichen Krankenversicherungen sind verpflichtet, die ePA anzubieten und folgen klaren Regeln, wie die Daten zu übertragen sind. Das ist bei den privaten Versicherungen nicht der Fall“, berichtet er. Auch das E-Rezept sei hier noch nicht geregelt. Aktuell kann die ePA in Deutschland nämlich nur eines: Dokumente übertragen. Was fehlt, ist die Übertragungsmöglichkeit von medizinischen Informationsobjekten. Das ist laut von Wagner auch der springende Punkt: „Wenn wir ein Bild von einem Dokument übertragen, lässt sich die enthaltene Information nicht verarbeiten“.
Die heutige digitale ePA ist der Papierakte noch sehr ähnlich.
Das ist jedoch ein Problem, denn diese rudimentäre Form von Transparenz in der digitalen Akte unterscheidet sich nicht signifikant von dem, was man bisher im Papier-Aktenordner hatte: „Die Dokumente müssen weiterhin geöffnet und gelesen werden“, führt von Wagner aus: „Im anderen Fall – bei medizinischen Informationsobjekten – werden relevante Informationen strukturiert hinterlegt, damit sie von einem Praxisinformationssystem oder einem KIS verarbeitet werden können.“
Hier sei man jedoch noch am Anfang. Aktuell werden Medizinische Informationsobjekte (MIO) entwickelt, die aber noch nicht im Einsatz sind. Mit Vorschlägen aus den Fachverbänden wurden 2022 erste Fortschritte erzielt. Auch von Wagner beteiligt sich in der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) daran: „Hier entscheiden wir Schritt für Schritt, was nützliche und relevante Daten sind.“ Genutzt wird beispielsweise schon der Notfall-Stammdatensatz und auch Allergien werden teilweise schon strukturiert hinterlegt.
ePA im KIS oft nicht hinterlegt
Doch für die deutschen Krankenhäuser gestaltet sich die Partizipation bislang schwierig: „Die ePA und Elemente der Telematik-Infrastruktur wie E-Rezept und eAU sind auf die Praxen von Hausärzten mit mehreren Fachangestellten zugeschnitten.“
In allen größeren Institutionen mit mehr als einem Arzt wird die Umsetzung derart komplex, dass viele KIS die ePA noch gar nicht hinterlegt haben: „Viele Kliniken warten bis heute auf die Schnittstelle zum Versand des elektronischen Arztbriefes. Es gibt sie zwar, doch nur die niedergelassenen Ärzte nutzen sie schon“, so von Wagner. Und auch wenn die Schnittstelle durch die Hersteller schließlich kommt: Es handelt es weiterhin nur um den Versand eines Briefes – keiner strukturierten Information.
Forschung könnte profitieren
Dabei ließe sich mit der Nutzbarmachung von Daten aus der ePA in Zukunft vieles in der akuten Versorgung verbessern: so wird durch die Trennung der Sektoren oftmals die Medikation nicht konsequent weitergeführt oder wichtige Informationen zur Vorbehandlung liegen bei der Aufnahme im Krankenhaus schlichtweg nicht vor.
Zudem könnten die einmal in der ePA zusammengeführten, großen Datenmengen aus der stationären und ambulanten Versorgung die wissenschaftliche Forschung vorantreiben, etwa, um die Langzeitauswirkungen von Therapien zu evaluieren – wie von Wagner betont „mit einer viel höheren, statistischen Sicherheit über die Aussagen“ als bei den kleinen Kohorten, mit denen man bislang arbeitet. Nicht zuletzt steigt mit der strukturierten und standardisierten Aufbereitung auch die Datenqualität. „Die Dokumentation wird einheitlicher, vergleichbarer und umfassender. Medizinische Ergebnisse erhalten so eine ganz andere Aussagekraft.“
Simulation von Therapien
Ein gutes Beispiel dafür ist das rein wissenschaftliche Med2icin Projekt der Entzündungsklinik des UKF: In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut überlegte man sich, wie der digitale Zwilling bei einer idealen ePA-Nutzung aussehen müsste. Den Ausgangspunkt bildeten dabei Patienten mit bestimmten Entzündungserkrankungen, vor allem Auto-Inflammation, d.h. chronische Entzündungserkrankungen des Darmes (CED) und bestimmte Hauterkrankungen sowie rheumatoide Arthritis. Die Experten sahen sich diese Krankheitsbilder an und bauten für deren Daten eine visuelle Oberfläche, die den Ausgang verschiedener Therapien simuliert und prognostiziert.
In zehn Jahren wird es soweit sein.
Laut von Wagner ist ein solcher digitaler Zwilling die vollkommene Ausbaustufe der ePA. Doch wann wird es soweit sein? In etwa zehn Jahren, schätzt der Experte, könnte die ePA derart umfassend strukturierte Daten bereitstellen und auslesen, dass die Vorteile der ePA-Datennutzung wirklich sichtbar werden.
Hinweis
In der kma Ausgabe 7-8/23 (ET 7.11.) lesen Sie ab Seite 46 einen detaillierten Beitrag zum Med2icin-Projekt aus Sicht des Fraunhofer Instituts.
Doch auch schon früher dürften wir vereinzelt Lösungen sehen, die Teilaspekte des digitalen Zwillings realisieren: etwa, wenn wir schaffen, durch das E-Rezept und den elektronischen Medikationsplan eine stabile und umfängliche Medikationsdokumentation zu etablieren. Werden diese Daten einmal digital ausgetauscht, erhalten wir im nächsten Schritt Interaktionsprüfungen und Warnhinweise über Medikamenten-Kombinationen, die nicht nur in das individuelle KIS, sondern einrichtungsübergreifend in die ePA des Patienten eingespielt werden. Von Wagner ist sich sicher: Der Arzneimittel-Check wird eines der ersten Beispiele sein, bei denen strukturierte Information schon frühzeitiger nutzbar wird – wenn auch vielerorts zunächst nur in den klinikeigenen Systemen.
Welche Schnittstellen braucht es in Zukunft?
Um sicherzustellen, dass es nicht bei solchen Insellösungen bleibt, braucht es jetzt zentrale, bundesweite Standards bei der digitalen Dokumentation und den Schnittstellen. Mit dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) und der TI-Infrastruktur verpflichtet der Bundesgesetzgeber die Kliniken ohnehin zu bestimmten technischen Standardlösungen: FHIR und IHE sollen den geregelten Austausch von Informationen und Dokumenten zukünftig sicherstellen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat zudem die Terminologie Snomed CT eingeführt und baut hierfür eine deutsche Variante auf, die z.B. den einrichtungsübergreifenden Medikationsplan nebst AMTS-Checks ergänzen wird. „Das können wir in die Breite und Tiefe skalieren“, prognostiziert von Wagner. Er und seine Kollegen sind am UKF derzeit damit beschäftigt, die ePA weiter zu strukturieren und erste Plattformen für den späteren Einsatz eines digitalen Zwillings zu entwickeln. Dabei ist er trotz der vielen Schritte, die noch zu gehen sind, zuversichtlich: „Wir haben uns auf den Weg gemacht.“










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