
Im Handelsblatt war gestern in einem Beitrag von Alexander Demling zu lesen, dass der weltgrößte Cloudanbieter Amazon nun ins Rennen um neue, superschnelle Rechner einsteigt. „Wir haben ein internes Projekt, einen eigenen Quantencomputer zu bauen, Software und Algorithmen dafür zu entwickeln“, wird Oskar Painter, Chef des dafür zuständigen Teams bei Amazon Web Services (AWS), im Beitrag zitiert und das Handelsblatt wirft die Frage auf, ob die Namen Amazon und Jeff Bezos nicht mittlerweile sehr oft auftauchten – zum Beispiel bei der Warenlieferung, der Logistik, bei Whole-Foods-Supermärkten, Kaufhäusern, Streamingdiensten, Filmen, Fußballrechten, Cloud-Services, Raketen, der Washington Post und nun auch noch bei Superrechnern.
In der Aufzählung unterschlug die deutsche Tageszeitung den Gesundheitssektor, wo beide Namen auch immer wieder eine Rolle spielen. Und alle diese Geschäftsbereiche, in denen der US-Techriese unterwegs ist, haben sogar eine gemeinsame Klammer: Daten. Je mehr ein Unternehmen über seine Kunden weiß, desto gezielter können Services, Dienstleistungen und Produkte vorgeschlagen werden, sodass – ganz im Ideal des Plattformgedankens – der Kunde ein „One-Stop-Shop-Erlebnis“ hat. Egal, was ich brauche, ich bekomme es bei Amazon. Für die Kunden ist das genauso bequem wie für die angebundenen Händler, denn sie erreichen über die Plattform ihre Kunden, ohne selbst aktiv werden zu müssen. Das ist der Grundgedanke der Plattformökonomie.
Digitalisierung auf dem Vormarsch
Dieses Plattform-Prinzip lässt sich auf jede beliebige Branche übertragen und kann viele Bereiche unseres Lebens vereinfachen. Beispielsweise wenn wir über eine zentrale Mobilitäts-App je nach Wetterlage und den morgendlichen Befindlichkeiten den optimalen Mix an Fortbewegungsmitteln buchen können, um von Zuhause zur Arbeit zu kommen. Ob ich dafür den öffentlichen Nahverkehr nutze, in die Bahn steige oder mir lieber einen Mietwagen oder E-Scooter buche, ist mir überlassen. Ich kann meine Mobilität einfach und bequem über eine App steuern. Warum das noch nicht möglich ist, fragen Sie sich und Sie stattdessen zig verschiedene Apps benötigen, um mit drei verschiedenen Fortbwegungsmitteln von A nach B zu kommen? Ganz einfach: Jeder Anbieter möchte möglichst viele Daten sammeln und auch die Hoheit darüber behalten, was mit den Daten passiert – jeder möchte steuern. Deshalb ist es (noch) erstrebenswert ist, eigene Apps zu entwickeln.
Eine ähnliche Entwicklung erleben wir aktuell im Gesundheitswesen. Jede Krankenkasse bietet ihren Versicherten – unabhängig von der elektronischen Patientenakte – eigene Apps an, über die sie natürlich in Interaktion mit ihrem Versicherer treten und Rechnungen einreichen können. Die Apps warten mittlerweile aber auch schon mit eigenen Gesundheitsleistungen, Präventionskursen oder sogar dem direkten Draht zum Mediziner auf. Nicht zuletzt durch das KHZG ist das Patientenportal für Kliniken, Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen omnipräsent und es wird in Zukunft wohl nur wenige Häuser geben, die nicht den aktiven Austausch mit ihren Patientinnen und Patienten über eine solche Lösung suchen werden. Und auch in den niedergelassenen Artzpraxen wird erkannt, dass die Terminbuchung online zwar ein nettes Tool ist, zu einer ganzheitlichen Kommunikation und Versorgung doch aber etwas mehr gehört – und das wiederum immense Vorteile für die Effizienz in der eigenen Praxis bietet.
Wer hat die Datenhoheit?
Vermutlich ahnen Sie schon, was jetzt kommt ... Denn wenn die Daten der Patientinnen und Patienten in der ePA gesammelt werden, jede Kasse, jede Klinik, jeder Hausarzt und jede Spezialistin aber über ihr eigenes Portal oder ihre App zusätzliche Informationen über die Patienten sammelt, wer steuert dann eine ganzheitliche Patientenreise durch das Gesundheitswesen?
Meiner Meinung nach diskutieren wir Datenschutz, respektive Datensicherheit gerade an den falschen Stellen. Beispielsweise, wenn wir das Für und Wider von On-Premise-Datenspeicherung gegen Cloud abwägen. Ein Blick auf andere Branchen reicht aus, um zu wissen, wohin die Reise (zwangsläufig) gehen wird. Gleiches gilt, wenn in einigen Bundesländern der Datenschutz so weit auf die Spitze getrieben wird, dass Daten nicht einmal eine Klinik verlassen dürfen, sodass keine übergreifenden Rechenzentrumskapazitäten aufgebaut werden können.
Viel wichtiger ist meiner Meinung nach die Frage nach der Datenhoheit. Wem gehören die Daten? Welches Geschäftsmodell verfolgt ein Anbieter? Und am wichtigsten: Wer entscheidet, welche Schlüsse aus den gesammelten Daten gezogen werden können? Wer hält das Ruder in der Hand?
Im Zweifel für die Transparenz
Wir stecken als Branche mitten in einem Prozess und – das ist mir sehr wichtig zu betonen – es gibt kein richtig oder falsch! Wir müssen uns nur darüber im Klaren sein, dass diese Fragen aktuell im Raum stehen, künftig an Brisanz gewinnen und es Lösungen geben muss. Wie die aussehen, ist derzeit noch relativ offen.
Klar ist für mich nur, dass die Transparenz im Vordergrund stehen muss, wenn es um die Nutzung der gesammelten Daten aus den diversen Kunden-, respektive Patienten-Apps und -Portalen sowie den daraus abgeleiteter Services geht. Natürlich haben Daten ihren Wert, aus dem sich ganze Geschäftsmodelle ableiten. Dennoch kann und darf es nicht sein, dass ein intransparenter Algorithmus darüber entscheidet, welche Behandlungsmöglichkeiten einer Patientin oder einem Patienten angezeigt werden. Die Prämisse muss immer die bestmögliche Versorgung sein. Und die kann auf Basis der gewonnen Daten nur in einem offenen und transparenten Ökosystem gefunden werden.
Abschottung und ein „Sitzen-auf-dem-Datenschatz“ führen im Gesundheitswesen nicht zu dem, was erstrebenswert ist – im Übrigen in keiner Branche. Genauso wie wir als Anbieter, Gesundheitsdienstleister, Ärzteschaft, Klinikbetreiber oder Krankenversicherer Daten und Informationen über unsere Patientinnen und Kunden generieren, sorgt die Digitalisierung und die Verfügbarkeit von Informationen dafür, dass auch der Patient mündiger und informierter wird. Vor einer Operation werden Renomee und Erfahrung von Klinik und Ärzteschaft recherchiert; es werden Bewertungen gelesen und vielleicht sogar Erfahrungen ausgetauscht. Die Daten, die durch die Digitalisierung gewonnen werden, sind also keinesfalls eine Einbahnstraße. Wer da auf Transparenz und einen offenen Austausch setzt, hat demnach (fast) schon gewonnen.






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