
Boomtown Cottbus, Region im Umbruch – es passiert gerade viel in der Lausitz. Bis 2038, dem gesetzten Zeitpunkt für den Kohleausstieg, soll sich der Landstrich zur Modellregion Gesundheit Lausitz mausern. Statt Bergbau wird künftig auf ein Versorgungs-, Forschungs- und Lehrnetzwerk gesetzt, das die medizinische Versorgung im ländlichen Raum zukunftsfähig aufstellen soll. Das Carl Thiem-Klinikum Cottbus (CTK) steht dabei mitten im Zentrum. Es wird nicht nur zur Universitätsklinik ausgebaut, sondern auch zum digitalen Leitkrankenhaus. 50 neue IT-Fachkräfte sollen dabei helfen, die Digitalisierung des CTK voranzutreiben und es zu Deutschlands Pionier in der Digitalisierung in Medizin und Pflege zu machen, wie es selbstbewusst heißt.
„Digitalisierung wird die Basis sein, um die Medizin der Zukunft überhaupt erst zu ermöglichen. Also gibt es das ganz klare Commitment der Klinikleitung, erheblich in die IT zu investieren“, sagt Sebastian Scholl, Direktor Finanzen, IT und Digitalisierung am CTK. „Wir machen perspektivisch dadurch nicht nur bessere Medizin. Sondern es ist für uns auch eine zentrale Antwort auf den Fachkräftemangel über alle Berufsgruppen hinweg.“ „Zukunft im Blut“ heißt deshalb die großangelegte Kampagne, mit der das CTK seit vergangenem Dezember neue Fachkräfte mit unterschiedlichen Jobprofilen für den IT-Bereich gewinnen möchte.
Fokus auf moderne Team- und Arbeitskultur
Denn eins ist sicher: Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen betrifft nicht nur Medizin und Pflege. „IT-Fachkräfte waren schon vor dem KHZG nicht ausreichend verfügbar, durch das KHZG wurde die Lage noch deutlich verschärft – alle Häuser versuchen fast im gleichen Zeitraum komplexe und umfangreiche Projekte umzusetzen, wobei die IT-Abteilungen vieler Häuser schon vorher unterbesetzt waren. Auch die Dienstleister sind an der Grenze ihrer Kapazitäten angelangt“, heißt es vonseiten des Bundesverbands der Krankenhaus IT-Leiterinnen/Leiter (KH-IT). Um diesen Mangel zu beheben, braucht es laut KH-IT ein ganzes Maßnahmenpaket: Dazu zählt nicht nur die verstärkte Ausbildung in den IT-Abteilungen, sondern auch eine höhere Attraktivität des Arbeitsplatzes. Zum Beispiel durch angemessene Bezahlung, eine gute Arbeitsplatzausstattung, flexible Homeoffice-Regelungen sowie mehr Wertschätzung für die geleistete Arbeit.

Ich stelle mich gegen die Hypothese, dass im Krankenhaus wesentlich schlechter gezahlt wird als in der Industrie.
Das alles hat man auch in Cottbus im Blick und man ist sich bewusst, dass eine moderne Team- und Arbeitskultur notwendig ist, um das begehrte Personal gewinnen und tatsächlich halten zu können. Punkte wie mobiles Arbeiten, flache Führungsstrukturen, offene Fehlerkultur und flexible Arbeitszeitmodelle gehören selbstver ständlich dazu und das CTK setzt dafür auf Führungskräfte, die diese Transformation gut vorleben und begleiten können. Pauschalisierungen, dass Krankenhäuser als Arbeitgeber bei der Gewinnung von IT-Fachkräften im Nachteil gegenüber anderen Branchen sind, lässt Sebastian Scholl so nicht gelten: „Ich stelle mich gegen die Hypothese, dass im Krankenhaus wesentlich schlechter gezahlt wird als in der Industrie. Das wird punktuell so sein, aber das ist nicht zu verallgemeinern.“
Medizin der Zukunft gestalten
Statt immer wieder auf die Herausforderungen des Gesundheitswesens hinzuweisen und somit mögliche Bewerberinnen und Bewerber abzuschrecken, setzt Scholl lieber die positiven Aspekte in Szene. Ein großer Pluspunkt, der für das Gesundheitswesen spreche und viele IT-Experten überzeuge, sei die Sinnhaftigkeit der Arbeit, das Ziel, die Medizin der Zukunft mitzugestalten. Zudem wird mit der digitalen Schwerpunktsetzung im Klinikum auch das Selbstverständnis des IT-Bereichs neu ausgerichtet: Weg vom puren IT-Dienstleister, hin zum strategischen Partner, wie es in der Kampagne heißt.
Kombiniert mit einem attraktiven ökonomischen Angebot und der Region Lausitz im Aufbruch wird das Klinikum als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. „Mit unseren Mitarbeiterangeboten wie betriebsnaher Kita oder Gesundheitsmanagement unterscheiden wir uns nicht von großen Unternehmen anderer Branchen“, betont Scholl. Mehr als vier Milliarden Euro werden allein in Cottbus und ein Großteil davon ins CTK investiert. Es entstehen Tausende neuer Arbeitsplätze in unterschiedlichen Bereichen, die auch für Partnerinnen und Partner der potentiellen IT-Fachkräfte interessant sind.
85 Millionen Euro Fördermittel aus dem Strukturwandelfonds für die Lausitz erhält das Cottbuser Klinikum, um sein digitales Fundament für die Zukunft zu bauen. Damit ist auch deutlich mehr Spielraum vorhanden, als wenn ausschließlich KHZG-Fördermittel zur Verfügung stünden. Das alles setze auch ein Zeichen für mögliche neue Fachkräfte: Am CTK wird deutlich investiert und digital viel passieren, erklärt Sebastian Scholl.
Die Kampagne wurde zunächst regional geschaltet, später auf nahe Metropolen wie Berlin, Leipzig und Dresden ausgeweitet. Ziel war es, zunächst Personen anzusprechen, die in der Region leben, aber bisher keine interessanten Jobs finden konnten und pendeln mussten. Oder die in andere Städte gezogen sind, nun aber mit dem Gedanken an eine Rückkehr spielen. Der Fokus auf die Regionalität soll die Personalakquise langfristig erfolgreich machen – wer mit der Lausitz verbunden ist, bleibt auch eher dort und identifiziert sich idealerweise stärker mit dem CTK als Arbeitgeber.
Große Sichtbarkeit der Kampagne
Um mehr Sichtbarkeit zu erzeugen und das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass IT-Fachkräfte auch im Krankenhaus gesucht werden, wurde die Kampagne über verschiedene Kanäle ausgespielt: Social Media wie LinkedIn, Xing, Facebook und Youtube erzielten dabei die größte Reichweite, aber auch regelmäßiges Bespielen der Printmedien und des regionalen Hörfunks führten zum Erfolg. „Wir haben es geschafft, nachhaltig in die Region einzudringen – unsere Kampagne wird immer wieder gesehen und gehört“, sagt Scholl.
Wir haben es geschafft, nachhaltig in die Region einzudringen – unsere Kampagne wird immer wieder gesehen und gehört.
Das Ergebnis lässt sich sehen – bereits Ende März waren elf Arbeitsverträge unterschrieben, noch immer gehen wöchentlich Bewerbungen ein. „Unsere Erwartung mit dieser Kampagne ist übererfüllt worden“, so Scholl. Der Erfolg begründet sich für ihn nicht nur in der Verstetigung der Kampagne, sondern auch, dass diese modern gestaltet und gezielt auf den IT-Sektor ausgerichtet sowie niederschwellig im Zugang ist: Der Bewerbungsprozess ist sehr einfach gestaltet und schnell abzuschließen, ganz ohne Anschreiben, Lebensläufe oder Zertifikate.

Doch einen Punkt hält Sebastian Scholl für wesentlich: Das CTK verpflichtete sich bereits 2020 dazu, noch vor dem positiven Fördermittelbescheid, die Investition für die IT des Klinikums deutlich zu erhöhen. Im Folgejahr wurde eine IT- und Digitalstrategie erarbeitet, konkrete Ziele wurden gesetzt. Es ist dem Klinikum ernst damit, sich digital auf die Zukunft auszurichten. Das wird auch den Bewerberinnen und Bewerbern vermittelt, künftige Einsatzfelder können ihnen konkret dargestellt werden.
Für die Realisierung der Digitalstrategie ist noch viel zu tun: Die IT-Infrastruktur muss neu aufgebaut werden. Bereits in diesem Jahr sollen mehrere Projekte umgesetzt werden – Patientendatenmanagementsystem, Fieberkurve und Medikationsmanagement werden digital. Gleichzeitig wird viel Aufwand betrieben, um die Klinikmitarbeitenden beim Transformationsprozess mitzunehmen. Allein mehr als 1000 Pflegekräfte müssen beispielsweise mit der neuen Software umgehen können, das Arbeiten auf Station wird sich verändern.
Digitale Lösungen gegen den Fachkräftemangel
Vereinfachung der Arbeitsprozesse, weniger Bürokratie, mehr medizinischer Fortschritt – in Cottbus wird die Digitalisierung im Gesundheitswesen als Chance gesehen. Auch, was den Fachkräftemangel dort betrifft. Wenn leerwerdende Stellen zum Beispiel in der Finanzbuchhaltung oder beim Controlling nicht mehr besetzt werden können, müssen sich auch die Strukturen im Krankenhaus ändern und digitale Lösungen gefunden werden. Deshalb hat sich die Klinikleitung klar dafür ausgesprochen, dass nicht nur der Medizinbereich digital unterstützt wird, sondern auch die zentralen Bereiche transformiert werden müssen.
Wir haben den Anspruch, dass wir in den Top 5 ankommen werden.
Im Vergleich zu anderen Kliniken befindet sich das CTK in Bezug auf den digitalen Reifegrad aktuell noch im Mittelfeld. „Aber wir haben den Anspruch, auch gemessen an den Mitteln, die wir kontinuierlich investieren, dass wir in den Top 5 ankommen werden“, sagt Scholl. Der stete Aufbau der beiden Abteilungen IT sowie Digitalisierung und Innovation ist dafür eine Grundvoraussetzung, der Scholl aber optimistisch entgegensieht. Der bisherige Kampagnenverlauf spricht für sich. Wo es mit dem digitalen Leitkrankenhaus hingehen soll, ist für ihn klar: „2038 sind wir sicherlich eines der modernsten und digitalsten Krankenhäuser in Deutschland.“ Zu schaffen ist das nur mit einem starken IT-Team.









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