
Die Tinte unter dem KHZG ist noch nicht ganz trocken und die ersten Bedarfsmeldungen wurden gerade erst eingereicht, da wird schon über das Ende der Förderung diskutiert. Wie hoch sind wohl die anschließenden laufenden Kosten für die ganzen digitalen Projekte, die nun umgesetzt werden? Und noch viel wichtiger: Können eine eventuelle Erleichterung für das Personal, ein Effizienzgewinn für das Haus oder eine bessere qualitative Versorgung der Patienten diese laufenden Kosten überhaupt rechtfertigen?
Wenn man es nicht besser wüsste, würde man meinen, dass hier grundsätzlich über Sinn und Unsinn von Digitalisierungsprojekten in Kliniken gesprochen wird. Dabei wissen wir alle – und haben es mit der Corona-Pandemie auch mehr als deutlich gespürt: Wir brauchen digitale Lösungen, um die Qualität unserer Gesundheitsversorgung auch in Zukunft gewährleisten zu können und haben mit dem KHZG nun eine unfassbare Chance, die ersten Schritte auf einem langen Weg umzusetzen.
Weitsicht ist wichtig
Ganz falsch ist die Diskussion über die anschließenden Kosten der Digitalisierung allerdings auch nicht. Denn heute blind irgendwelche Projekte umzusetzen, nur, weil die gerade zufällig gefördert werden, hat natürlich rein gar nichts mit „echtem“ Fortschritt zu tun. In einem solchen Fall würden sich die Verantwortlichen vermutlich wirklich in vier Jahren über die hohen laufenden Kosten wundern, denen sie keinerlei Mehrwert gegenüberstellen könnten.
Andererseits greift eine reine Kostendiskussion natürlich nicht weit genug – und das gleich aus mehreren Gründen:
Punkt 1: Digitalisierung ist nie punktuell. Man kann natürlich ein einziges Projekt umsetzen, Software und Lizenzen kaufen oder für einen bestimmten Prozess ab sofort Tablets anstatt Papier nutzen. Digital ist ein Haus deshalb jedoch nicht. Klar ist, irgendwo muss man anfangen, nur ein Ende im klassischen Sinne wird es dann kaum mehr geben. Technologien entwickeln sich weiter, werden optimiert und genau daran muss man sich als digital aufgestellte Klinik anschließend anpassen. Stillstand wird es nicht mehr geben – und wenn wir ehrlich sind, hat es das auch noch nie wirklich.
Punkt 2: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Aber wenn die Digitalisierung die Nutzer nicht in den Fokus stellt, wird sie keinen Erfolg haben. Anders ausgedrückt heißt das nichts anderes, als dass ein schlechter analoger Prozess auch digital nicht besser wird. Deshalb ist es wichtig, nicht nur darauf zu hoffen, dass digitale Lösungen Prozesse besser machen. Parallel müssen auch eben auch die Prozesse hinterfragt und eventuell an der ein oder anderen Stelle nachjustiert werden.
Punkt 3: Digitalisierung funktioniert nie losgelöst. Denn mit einer umfassenden Digitalisierung sind immer auch Veränderungen verbunden. Damit wird klar, dass Digitalisierung ohne ein durchdachtes Change Management und entsprechende Prozesse nicht funktioniert. Denn wem es nicht gelingt, die Belegschaft in diese Veränderungen einzubeziehen, wird kaum Synergie- oder Effizienzeffekte erleben, wie sie normalerweise mit digitalen Projekten einhergehen. Wie solche Change Management Prozesse gestaltet werden, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg größerer Projekte. Und wer nur eine einzelne Abteilung digitalisiert und alle anderen Aspekte und Akteure außen vorlässt, produziert vermutlich mehr Schwierigkeiten als Lösungen. Das gilt übrigens nicht nur intern. Extern ist eine Interoperabilität mindestens genauso wichtig. Denn wer sich heute abschottet, keine „fremden“ Systeme und Lösungen „reinlassen“ will, hat schon Punkt 1 nicht verstanden.
Digitalisierung: Ein Projekt für ganz oben
An dieser Stelle wird deutlich, dass eine umfassende und nachhaltige Digitalisierung eigentlich immer nur ein Teil einer Gesamtstrategie sein und in enger Abstimmung mit dem Top-Management umgesetzt werden kann. Denn wenn geplante digitale Maßnahmen nicht zur Gesamtausrichtung eines Hauses passen, verfehlen sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihren Zweck.
Und damit wären wir auch schon wieder bei der Diskussion um die anschließenden laufenden Kosten der Digitalisierung. Die Punkte oben verdeutlichen, dass die Gefahr durchaus real ist, dass die Kosten bei nicht ganzheitlich gedachten Projekten, bei fehlerhaften Prozessen oder einer mangelhaften Implementierung durchaus hoch sein können. Gleiches gilt für Projekte, bei denen nicht an eine umfangreiche Interoperabilität gedacht wird. Denn genauso wenig, wie die Digitalisierung einer einzelnen Abteilung für eine Klinik funktioniert, funktioniert die Digitalisierung einer einzelnen Klinik im Kontext eines gesamten Gesundheitssystems.
Das heißt jedoch nicht, dass man sich die Chance, die das KHZG jetzt bietet, entgehen lassen sollte. Im Gegenteil: Noch nie wurde die Marschrichtung so klar definiert und umrissen, wie mit den Muss-Kriterien des KHZG. Noch nie wurde ein Konjunkturpaket speziell für Kliniken mit einem solchen Fördervolumen geschnürt. Und noch nie gab es so wenig Kritiker und Skeptiker. Damit war eine umfassende Digitalisierung auch noch nie in derart greifbarer Nähe.
Jedoch gilt es jetzt, mit Bedacht zuzugreifen, nicht einfach blind, die Förderung im Blick habend. Vielmehr sollte diese jetzt mit Sinn und Verstand eingesetzt werden, eben so, dass ein Mehrwert für die Klinik selbst, die Belegschaft, allen voran aber für die Patienten entsteht. Wer mit einer solchen Weitsicht die KHZG-Förderung nutzt, wird sich auch über Folgekosten keine bis wenig Gedanken machen müssen – die werden sich amortisieren und sicher keine künftigen Budgets auffressen. Vielmehr werden sie ganz neue Budget und damit auch ganz neue Möglichkeiten schaffen.






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