Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

Deep Dive DigitalWo bleibt die Digitalkompetenz von Führungskräften?

Über Digitalisierung reden Führungskräfte im Gesundheitswesen gern. Nur selten wird thematisiert, wie es mit der digitalen Kompetenz unter Entscheidern bestellt ist. Eher mau, befindet Daniela Aufermann. Sie fordert, diese Lücke schnell zu schließen.

Daniela Aufermann
Daniela Aufermann
Daniela Aufermann ist Chief Digital Officer (CDO) der Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln.

Die Rolle des Chief Digital Officer (CDO) etabliert sich im deutschen Gesundheitswesen nur sehr langsam, ganz im Gegensatz zum positiven Trend in der deutschen Wirtschaft. Während dort bereits in 20 Prozent der Unternehmen die Position besetzt ist und 25 Prozent eine/-n CDO suchen, hinkt das Gesundheitswesen dieser Entwicklung noch immer um Jahre hinterher. Damit stellt sich die Frage, wie es aktuell um die Digitalkompetenz in den Führungsetagen der Krankenhäuser abseits der IT-Abteilung bestellt ist. Ist sie mittlerweile vorhanden bzw. wird sie dort aktiv eingefordert oder überlässt man die Kompetenz gänzlich den CDOs und IT-Experten?

Stellenanzeigen fordern digitales Denken nicht ein

Schauen wir uns doch einmal aktuelle Stellenanzeigen für Krankenhausvorstände (Geschäftsführungen oder kaufmännische Direktionen) an. Dort werden in erster Linie kaufmännische Kompetenz sowie Fähigkeiten im Management gesucht; man führt ja ein Wirtschaftsunternehmen. Digitalkompetenz wird zwar auch in einigen Stellenanzeigen eingefordert, dennoch soll die Kernausbildung eher in den Bereichen Betriebswirtschaft und Management liegen.

In aktuellen Stellenanzeigen für Pflegedirektionen oder Chefärzte und Chefärztinnen werden digitale Kompetenzen hingegen nicht explizit eingefordert. Dies ist insofern nicht verwunderlich, weil im Medizinstudium noch nicht regelhaft Digitalkompetenzen vermittelt werden. Ausnahmen bestätigen die Regel, wie zum Beispiel die Universität Witten/Herdecke.

Diese hat einen Lehrstuhl für Gesundheitsinformatik eingerichtet, über den angehende Ärzte und Ärztinnen ein Zertifikatsprogramm „Digital Health“ absolvieren sowie Masterstudierende der Pflegewissenschaften etwas zur Digitalisierung in der Pflege erlernen können. Zwar werden Digitalkompetenzen immer stärker eingefordert, doch es ist weiterhin noch Luft nach oben. Die Entwicklung verläuft eher schleppend, obwohl sie doch – zur Geschwindigkeit der digitalen Transformation passend – eher rasant erfolgen sollte. Soweit zu den „nachwachsenden“ Führungskräften.

Der originäre Geschäftsführer (nicht nur im Krankenhaus) ist männlich, Mitte 50 und damit nicht von Kindesbeinen an mit Digitalisierung vertraut.

Und wie ist es um die Digitalkompetenzen in den bestehenden Führungsetagen deutscher Krankenhäuser bestellt? Schauen wir doch mal genauer hin: Der originäre Geschäftsführer (nicht nur im Krankenhaus) ist männlich, Mitte 50 und damit nicht von Kindesbeinen an mit Digitalisierung vertraut – so wie es die bis Mitte 40-Jährigen sind. Betriebswirtschaftslehre, Management und Jura sind die häufigsten Abschlüsse in der aktuellen Geschäftsführungsriege der Krankenhäuser – Digitalisierungs- und Technologiekompetenz hingegen eher Fehlanzeige.

Ähnlich dürfte es aufgrund der skizzierten Thematik der langsam verlaufenden Reform des Medizinstudiums auf der Chefarztebene aussehen. Das Studium des Pflegemanagements ist erst seit Anfang der 1990er Jahre möglich und hat sich seitdem enorm verändert – allerdings wurde schon in den 2010er Jahren hier der Fokus auf Digitalisierung gelegt. Es ist also davon auszugehen, dass Pflegedirektoren und Pflegedirektorinnen, die nach 2010 ihr Studium absolviert haben, schon grundständig für die Digitalisierung in der Pflege vorbereitet wurden.

Digitalisierung ist entscheidender Erfolgsfaktor

Digitalisierung jedoch wird aber in Zukunft einer der, wenn nicht sogar der entscheidende Erfolgsfaktor sein, der gegebenenfalls sogar darüber entscheiden wird, ob Krankenhäuser eine Zukunft haben oder nicht. Die Gründe dafür sind vielfältig: Angefangen vom Fachkräftemangel, wo die Digitalisierung bei administrativen, repetitiven Aufgaben entlasten kann, bis hin zur schnelleren und besseren Diagnostik unterstützt durch KI, die eine Verkürzung der Liegezeiten und eine optimierte Gesundung der Patienten bieten könnte.

Kann es sich ein Vorstand noch leisten, ohne eigene Digitalkompetenz ein Krankenhaus zu führen oder muss nicht vielmehr ein Grundverständnis und das Wissen über die Möglichkeiten der Digitalisierung vorhanden sein? Daran schließt sich unmittelbar die Frage an, wie denn Führungskräfte im Krankenhaus sich diese Kompetenzen aneignen können?

Zwar gibt es bereits diverse berufsbegleitende Zertifikatskurse für Digital Health, die sich aber eher an das mittlere Management richten. Berufsbegleitende Master-Studiengänge wie „Digitale Transformation“ sind ebenfalls verfügbar. Sie vermitteln Inhalte wie digitale Geschäftsmodelle, Daten, Künstliche Intelligenz (KI), Innovation, Changemanagement und Organisationsentwicklung, hybrides Projektmanagement, „Agile Leadership“ oder auch gesellschaftliche Herausforderungen der Digitalisierung. Hier ist es nur ratsam für Führungskräfte im mittleren Management, einen entsprechenden Lehrgang oder sogar ein Studium zu absolvieren.

Es wäre sinnvoll, den/die CDO nicht nur als Stabsstelle bei der Geschäftsführung anzusiedeln, sondern direkt dort zu positionieren (...).

Vorstände sind jedoch zeitlich anders eingebunden, sodass für sie das notwendige Wissen konzentriert und effizient on-the-job vermittelt werden sollte. Eine Lösung könnte hier sein, dass der/die CDO das notwendige Wissen in kurzen regelmäßigen Einheiten im Rahmen des Jour Fixe vermittelt. Alternativ wäre es an dieser Stelle sinnvoll, den/die CDO nicht nur als Stabsstelle bei der Geschäftsführung anzusiedeln, sondern direkt dort zu positionieren oder zumindest ergänzend zum Klinikleitungs-Trio aus Ärztlicher Direktion, Pflegedirektion und kaufmännischer Leitung als vierte Säule zu etablieren.

Einige Klinikketten haben die Bedeutung der digitalen Transformation erkannt und die CDO-Position oder ähnliche Positionen als vierte Säule etabliert. Offenbar mit Erfolg, wie das Beispiel von Steffi Kemp als Vorstandsmitglied und Chief Transformation Officer (CTO) der Sana Kliniken AG zeigt.

Auch Aufsichtsräte brauchen digitale Kompetenz

Der Gedanke des Aufbaus von Digitalkompetenz in den Entscheidungsriegen von Unternehmen lässt sich im Übrigen auch in Richtung Aufsichtsrat weiterspinnen, der den Klinikvorstand kontrolliert und berät. Die Initiative Digitalkompetenz im Aufsichtsrat hat sich dieser Herausforderung angenommen und Handlungsempfehlungen erarbeitet, um diese Lücke zu schließen. Auch wenn es sich um eine Initiative aus der Wirtschaft handelt, sollte sich das Gesundheitswesen daran ein Beispiel nehmen und nachziehen. Wir haben initial gelernt, dass wir für den Erkenntnistransfer aus der Wirtschaft länger brauchen. Packen wir es an! Denn: Wissen ist wie ein Garten – wenn man ihn nicht pflegt, verwildert er.

2024. Thieme. All rights reserved.
Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen

Philips GmbH Market DACH

Philips vernetzt Daten, Technologien und Menschen

Die Medizin macht täglich Fortschritte. Damit steigen auch die…