
Als die Schleswig-Holsteinische Landesregierung Ende Mai die Katze aus dem Sack ließ, wirkten Politik und Medien mäßig erstaunt: Man bitte den Landtag, den Kreditrahmen für das Uniklinikum des Landes um satte 600 Millionen auf dann 2,25 Milliarden Euro zu erhöhen, hatte eine Sprecherin des Finanzministeriums erklärt. Solche Zahlen lassen eigentlich selbst hart gesottene Gesundheitspolitiker aufhorchen, für die große Darlehenssummen und Fehlbeträge längst zur Selbstverständlichkeit geworden sind.
Das UKSH wird die hohen Projektkosten aus eigener Kraft nicht finanzieren können, auch wenn dies ursprünglich mit dem Land so vereinbart war.
Nun stehen viele Fragen im Raum: Wie viele Schulden darf ein Krankenhaus machen – selbst ein großes wie das UKSH? Darf der öffentliche Träger wegen klammer Kassen die Kosten für die Modernisierung und Instandhaltung der baulichen und technischen Infrastruktur dem Krankenhaus in Form vollkommen unrealistischer Kreditvolumina aufbürden? Wie und wovon soll das UKSH eine solche Summe jemals zurückzahlen, selbst wenn der erweiterte Kreditrahmen nicht in voller Höhe ausgeschöpft würde? Welchen wirtschaftlichen Sinn haben horrende Bauinvestitionen, wenn schon der Schuldendienst mögliche Effizienzsteigerungen auffrisst? Wieviel dürfen Neubauten und Modernisierungen kosten, wenn das Geld dafür einfach nicht da ist? Müssen Krankenhäuser in diesem Punkt bescheidener planen? Was sollen gewagte ‚Rechte Tasche-Linke Tasche‘- Konstruktionen, wenn der Steuerzahler das zudem auch noch defizitäre Klinikum am Ende doch entschulden muss?
Tadel vom Landes-Rechnungshof
Zuletzt meldete sich der Landes-Rechnungshof mit einer herben Rüge: Nach aktueller Berechnung kosteten Sanierung, Betrieb und Instandhaltung bis 2044 mindestens 3,7 Milliarden Euro, erklärte die Behörde. „Das UKSH wird die hohen Projektkosten aus eigener Kraft nicht finanzieren können, auch wenn dies ursprünglich mit dem Land so vereinbart war“, warnt der Rechnungshof.
Er empfiehlt dem Land, das 2003 aus der Fusion der beiden Standorte Lübeck und Kiel hervorgegangenen Uniklinikum von sämtlichen Aufwendungen aus der Investitionstätigkeit zu entlasten, statt dieses pro Forma zu zwingen, sich immer weiter zu verschulden: Bisher finanziere das Klinikum Projektkosten fast ausschließlich mit Darlehen, so der Rechnungshof. Die Folge seien kontinuierlich wachsende Schulden und steigende Zinsbelastungen. Das UKSH unterscheide sich von anderen Universitätsklinika hinsichtlich der Eigenfinanzierung von Investitionen in wesentliche Teile der Gebäude und Infrastruktur, betont ein Unternehmenssprecher. Verluste seien seit Gründung nicht durch die öffentliche Hand ausgeglichen worden. Vielmehr habe das UKSH entstehende Finanzierungen selbst getragen.
Kreditrahmen erneut angehoben
Der Gesamtkreditrahmen war erst 2019 auf 1,65 Milliarden Euro erhöht worden. Bereits damals sei eine weitere Erhöhung ursprünglich für 2021 avisiert worden, erklären Klinikum und Finanzministerium: „Der erhöhte Kreditbedarf ist darin begründet, dass sich die wirtschaftliche Lage des UKSH anders als erwartet entwickelt hat.“ Seit Gründung des UKSH 2003 führten dessen Betriebsergebnis und die Finanzierung der Investitionen zu einem Defizit, erklärt ein UKSH-Sprecher.
In der Tat haben sich auch die Rahmenbedingungen für Krankenhäuser seither verschlechtert: Pandemie, Inflation, explodierende Sach- Energie- und Personalkosten setzen den Ergebnissen zu. Laut Rechnungshof beträgt der jährliche Verlust des UKSH rund 100 Millionen Euro. Im Jahr 2022 musste das Land nach Angaben des UKSH außerdem coronabedingte Defizite mit 51,5 Millionen Euro ausgleichen. Hinzu kommt: auch organisatorisch scheint nicht alles rund zu laufen. Erst im Juni erschreckte der Campus in Kiel mit der Ankündigung, aus Personalnot Operationen verschieben zu müssen. Das Klinikum müsse Patienten nach Dringlichkeit versorgen.
Der erhöhte Kreditbedarf ist darin begründet, dass sich die wirtschaftliche Lage des UKSH anders als erwartet entwickelt hat.
Nicht genutzte OP-Kapazitäten on top
Abgesehen vom Imageschaden des Maximalversorgers, dessen hohen Qualitätsanspruch sich die Steuerzahler des Landes mehr als zwei Milliarden Euro kosten lassen sollen, verschärfen abgesagte Operationen und nicht genutzte OP-Kapazitäten die Finanzierungsmisere. Das, befürchtet Annabell Krämer – finanzpolitische Sprecherin der FDP im Kieler Landtag, führe auch nicht zu einer Stärkung der Ertragskraft. Und auch mit seinen ständigen Bautätigkeiten bewies das UKSH-Management zuletzt offenbar nicht immer eine glückliche Hand: Im vergangenen Herbst musste ein gerade erst hochgezogener Neubau der Hals-Nasen-Ohren-Klinik wieder abgerissen werden. FDP-Finanzpolitikerin Krämer kritisiert mangelnde Informationen: Bis heute habe die Landesregierung nicht ausreichend darlegen können, auf welcher Kalkulation die neuerlich geforderte Summe beruhe „und wie die Landesregierung das massive Defizit gedenkt in den Griff zu bekommen“.
Das Klinikmanagement um UKSH-Vorstandschef Jens Scholz spricht wolkig von einem zusammen mit dem Land aufgesetzten Projekt „UKSH Audit und Strategie“, in dem „gemeinsam mit einem renommierten Beratungsunternehmen Handlungsempfehlungen und Optimierungen ermittelt würden. Erst 2019 hatte Scholz von einem Befreiungsschlag gesprochen, als sich Land und Klinikum auf ein Finanzierungskonzept verständigt hatten. Dieses sah laut Medienberichten eine Mischung aus Landesmitteln und Kreditaufnahmen vor. Für zusätzliche Investitionen waren demnach 400 Millionen Euro vorgesehen. Gleichzeitig habe sich das Land bereiterklärt, alte Schulden in Höhe von 340 Millionen Euro zu übernehmen. Bis 2028 solle der jährliche Landes-Zuschuss von 23 auf 50 Millionen Euro steigen. In welchem Umfang das rege Baugeschehen seit der Fusion vor zwanzig Jahren in Summe zu Defizit und Schuldenberg beigetragen habe, erklärt das Haus nicht: „Die Finanzierung der Neubauten im Rahmen des ÖPP befinden sich im vertraglichen Rahmen und tragen wie auch geplant zur Ergebnisbelastung bei.“
Wie der Landtag auf die UKSH-Finanzen blickt
Im Landtag herrschen vor dem Hintergrund eines klammen Haushalts Fatalismus und Zweckoptimismus: Bei den aktuell in Rede stehenden Summen handele es sich um einen maximalen Kreditrahmen, der aber nicht ausgeschöpft werden müsse, kommentiert der etwa der Südschleswigsche Wählerverband SSW: Man müsse bedenken, dass das UKSH natürlich auch alte Kredite wieder zurückzahle und der gewährte Kreditrahmen auch nicht dazu führe, dass dieser dauerhaft genutzt werden müsse. „Vielmehr könnten hier auch kurzfristige Liquiditätsengpässe überbrückt werden.“
Der finanzpolitische Sprecher der mitregierenden Bündnis 90/Die Grünen, Oliver Brandt, stellt fest: Die Erfüllung der verantwortungsvollen Aufgabe als Maximalversorger erfordere im Rahmen der Krankenhausfinanzierung aus dem Solidarsystem eine höhere Finanzierung als bisher. Bereits im letzten Zukunftspakt sei ja eine weitere Erhöhung des Kreditrahmens avisiert worden – für das Jahr 2021. Nun werde dieser Rahmen voraussichtlich erst im Sommer 2024 vollständig ausgeschöpft sein.
Und die finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Beate Raudies, formuliert staatstragend: „Als größtes Krankenhaus in Schleswig-Holstein bietet das UKSH eine breite Palette an hochspezialisierten medizinischen Leistungen und stellt täglich eine erstklassige Versorgung der Patienten sicher.“





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