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Charité Strategie 2030„Wir denken Gesundheit neu“

Die vergangenen zwei Jahre haben verdeutlicht: Universitätskliniken müssen strategisch handlungsfähig bleiben, wenn die Rahmenbedingungen unsicher werden. Kurz vor der Coronapandemie hat die Charité einen Strategieprozess angestoßen. An dessen Ende steht nicht weniger als das Versprechen: „Wir denken Gesundheit neu“.

Charité Strategie zum Begehen
Sabine Gudath/Charité
Strategie zum Begehen und Fühlen: Visualisierungen und Entwicklungsmodelle der Strategie 2030.
Werte Charité Strategie 2030
Charité
Abbildung 1: Eine Medizin der Zukunft, die entlang von drei wertedefinierenden Prämissen entwickelt wird.

So wie sich die Führungskultur an Universitätskliniken im Wandel befindet, verändert sich auch das Verständnis von Strategieprozessen: weg vom einmaligen Erstellen eines Strategiepapiers mit einem starren Umsetzungsplan hin zu einem partizipativen, transformativen Prozess. Dieser Prozess führt zu neuer Organisationskompetenz, die es erlaubt, strategisch nachzusteuern, um Opportunitäten agil ergreifen zu können. Mit diesem Verständnis hat sich die Charité – Universitätsmedizin Berlin neu ausgerichtet.

Golden Circle: Why, How, What?

Simons Sineks Kommunikationsmodell „The Golden Circle“ mit den Fragen nach dem „Why, How, What?“ hat sich allen Beteiligten in diesem Prozess als wertvoller Begleiter erwiesen. Das Stufenmodell bietet sowohl Orientierung für die Strukturierung eines Strategieprozesses, als auch für die inhaltliche Definition einer Strategie.

Why? – Massiver Änderungsbedarf

Aus den Folgen der demografischen Entwicklung, dem biomedizinischen Fortschritt und der Digitalisierung resultiert in den kommenden Jahren ein massiver Änderungsbedarf für das gesamte Gesundheitssystem in Deutschland. Darüber hinaus ergeben sich aus der steigenden globalen Mobilität, Fluchtbewegungen und den gesundheitlichen Konsequenzen klimatischer Veränderungen weitere grundlegend neue Aufgabenstellungen für die universitäre Medizin. Die Charité sieht sich in besonderer Verantwortung für Forschung, Translation, Gesundheitsversorgung sowie Vermittlung von Wissen und medizinischer Kompetenz und formuliert für sich den Anspruch, an den Lösungen dieser Herausforderungen aktiv mitzuwirken. Parallel steht die Uniklinik auch intern vor umfassenden Veränderungen und die Covid-19 Pandemie hat gezeigt, dass die Organisation in der Lage sein muss, mit gänzlich unerwarteten Anforderungen schnell und agil umzugehen.

Um die Charité auf diese Veränderungen vorzubereiten, hat der Vorstand den Strategieprozess Charité 2030 initiiert. Damit soll die Chance genutzt werden, die Entwicklungen der kommenden Jahre in der Biomedizin und im Gesundheitssystem zum Wohle der Menschen in Berlin und in Deutschland mitzugestalten. Der Anspruch der Universitätsmedizin ist es, dies aus der Position einer international exzellenten Organisation in der Biomedizin, als tragende Säule des Gesundheitssystems in Berlin und als Teil einer der international führenden Wissenschafts- und Gesundheitsregionen zu leisten.

Die Autorinnen und Autoren haben einen systematischen, einjährigen Strategieprozess für die Charité konzipiert, koordiniert und umgesetzt. Ziel war die Entwicklung einer innovativen, wegweisenden und zukunftsfesten Strategie für die gesamte Charité bis in das Jahr 2030 und darüber hinaus. Die hier vorgestellten Schritte sind eine Zusammenfassung des Prozesses.

How? – Partizipativ und agil

Ein multiprofessionelles Team aus dem Geschäftsbereich Strategische Entwicklung hat ab Ende 2019 einen systematischen, einjährigen Strategieprozess für die Universitätsmedizin konzipiert, koordiniert und umgesetzt. Ziel war die Entwicklung einer innovativen, wegweisenden und zukunftsfesten Strategie für die gesamte Charité bis in das Jahr 2030 und darüber hinaus. Maßgeblich für den Erfolg des Strategieprozesses war die auf der Scrum Methode basierende Logik und Agilität des gesamten Projektes. Scrum ist eine agile Projektmanagementmethode, die ursprünglich in der Software Entwicklung eingesetzt wurde. Obwohl die Covid-19 Pandemie den Arbeitsalltag der Charité ad hoc bestimmte, konnte der Strategieprozess weitergeführt und zeitgerecht abgeschlossen werden.

Um in die Zukunft zu schauen, muss man die Vergangenheit und das Jetzt verstehen. Daher hat sich das Team Charité 2030 dezidiert mit den Rahmenbedingungen, Kennzahlen, Wettbewerbsanalysen und Trends – bspw. in der Krankenversorgung und der Forschung – auseinandergesetzt. Alle Führungskräfte erhielten diese Analysen in einem umfangreichen Dossier, welches das Fundament für eine spätere präzise und abgewogene Ausarbeitung des Strategiepapiers bildete. Das Herzstück der Themensammlung umfasste 220 qualitative Interviews, die innerhalb von acht Wochen mit ausgewählten Führungskräften der Charité geführt und ausgewertet wurden. Auf diese Weise floss die breit gefächerte Expertise des Hauses ein, um die wesentlichen strategischen Themen für die kommenden Jahre zu identifizieren. Genauso gefragt war die Mitarbeit aller Beschäftigten: Sie waren ebenso aufgerufen, ihre Sicht in Umfragen einzubringen. Interviews mit externen Sachkundigen stellten sicher, dass die Außenperspektive gleichermaßen berücksichtigt wurde.

Auf einer Führungskräftetagung diskutierten die Teilnehmer die Ergebnisse – dabei flossen zusätzliche strategische Impulse ein. Eine Expertengruppe verdichtete diese umfangreiche thematische Sammlung in einem „Zielbildworkshop“, bevor sie Eingang in das neue Zielbild der Charité fand. In einem weiteren Workshop priorisierten die Teilnehmer anschließend die relevantesten strategischen Themen und verfeinerten sie, um sie weiterzubearbeiten. Zu Strategiefeldern gruppiert und in kleineren Beteiligungsformaten detaillierter ausgearbeitet, sind sie für eine anschließende Übersetzung in funktionale und dezentrale Strategien anschlussfähig und vor allen Dingen umsetzbar.

Als elementares und kontinuierliches Element des Strategieprozesses traf sich der Vorstand über den gesamten Zeitverlauf regelmäßig zu Strategieklausuren. In diesem neuartigen Format reflektierten die Mitglieder die wesentlichen Zwischenergebnisse und legten die Richtung für die nächsten Schritte fest. Der gesamte Strategieprozess erhielt ein eigenes Branding und wurde mit wöchentlichen Beiträgen und Polls intensiv auf einem internen Blog kommuniziert. Externe Redner und Rednerinnen lieferten Beiträge zu strategischen Themen und regten so eine breite Diskussion um die Vielfalt strategischer Möglichkeiten an. Dies prägte eine Atmosphäre der Veränderung. Die Möglichkeiten zur Partizipation und Transparenz in zahlreichen internen Kommunikationsformaten haben maßgeblich zur hohen Akzeptanz der Strategie 2030 unter den Beschäftigten beigetragen.

Heute engagieren sich dezentrale Strategiebotschafter aus den verschiedensten Bereichen für die Kommunikation der strategischen Inhalte. Die Charité hat ihre Strategie sogar begeh- und fühlbar gemacht: Besucher können in einer Sonderausstellung die Strategie 2030 mittels Visualisierungen und Entwicklungsmodellen erleben und erhalten so Raum zum strategischen Denken. Für die bereits begonnene Umsetzung der Strategie 2030 setzt die Charité zur Steuerung das kulturverändernde Framework der Objectives and Key Results (OKR) ein: eine Management Methode, die die strategischen Ziele der Organisation mit den individuellen Zielen der Beschäftigten und Teams verbindet.

  • 100 Kliniken und Institute an vier Standorten
  • 19 400 Beschäftigte aus 113 Nationen konzernweit
  • 132 400 voll- und teilstationäre Fälle
  • 655 100 ambulante Fälle
  • 163 600 Casemix Punkte
  • 1,5 Milliarden Euro Umsatzerlöse
  • 8600 Studierende

Daten 2020, gerundet. Quelle: Charité

What? – Gesundheit werteorientiert denken

Die Charité strebt an, in der kommen den Dekade treibende Kraft einer werteorientierten Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung zu werden und sich als führende Universitätsmedizin in Ausbildung, Forschung, Translation und medizinischer Behandlung zu positionieren. Im Zentrum dieses Ziels steht die Vision: Wir denken Gesundheit neu (Rethinking Health) – eine Medizin der Zukunft, die entlang von drei wertedefinierenden Prämissen entwickelt wird (Abbildung 1).

Von der Vision zur Umsetzung: Die sechs Strategiefelder der Charité 2030

Für die Umsetzung ihrer Vision formuliert die Universitätsmedizin Ziele ins sechs Strategiefeldern. Das zentrale Feld ist die Entwicklung der Medizin der Zukunft. Dieses wird durch Aktivitäten in drei Feldern aus den Kernaufgaben der Universitätsmedizin getragen: Gesundheitsversorgung, Innovation & Forschung sowie Menschen & Bildung. Die wesentlichen Voraussetzungen für die inhaltliche strategische Weiterentwicklung werden in zwei ermöglichenden Feldern mit den Themen Infrastruktur und Wirtschaftlichkeit sowie interne Transformation geschaffen. Mit ihrer Strategie entwickelt die Charité für jeden ihrer drei klinischen Standorte in Berlin ein eigenes, differenzierendes Profil. Jedes dieser Profile fügt sich in das Gesamtkonzept zur Realisierung der strategischen Ziele ein. Diese Profilierung bildet die Basis für die gezielte bauliche Weiterentwicklung der Standorte. Inhaltliche Entwicklungsfelder werden mit neuen baulichen Strukturen verschränkt. Damit schlägt die Charité mit ihrer Strategie die Brücke von der Vision zur Medizin der Zukunft bis zur dafür notwendigen Infrastruktur.

Das Strategiepapier kann auf der Webseite der Charité in deutscher und englischer Sprache abgerufen werden.

Entwickeln Sie Strategie agil! Damit steuern Sie – selbst in Krisenzeiten – verlässlich den Strategieprozess und können bei hoher Umfeld-Dynamik aktiv die Zukunft Ihrer Organisation gestalten und Ihr Wettbewerbsumfeld prägen. Finden Sie für Ihre Strategieentwicklung das richtige Maß an Partizipation und Transparenz, um die Expertise Ihrer Organisation aufzunehmen, aber auch an Richtlinienkompetenz Ihres Vorstands oder Ihrer Geschäftsführung, um Ziele zu priorisieren. Machen Sie Strategie messbar, in dem Sie Visionen über strategische Ziele bis zu Schlüsselergebnissen herunterbrechen

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