
Es ist der allerorten beklagte Mix: andauernde Auswirkungen der Corona-Pandemie, gestiegenen Energiepreise und hohe Inflation. Alles zusammen bescherte den Kreiskliniken Reutlingen im vergangenen Jahr ein Defizit von 8,7 Millionen Euro. Damit lag der Fehlbetrag für die Kliniken in Trägerschaft des Landkreises Reutlingen rund zwei Millionen Euro über dem des Vorjahres. Dennoch schnitten sie besser ab als im Finanzplan ursprünglich prognostiziert, teilen die Kliniken mit.
Wir müssen uns auf die neue Realität einstellen.
Die zwei Häuser in Reutlingen und Münsingen, die zusammen mehr als 700 Betten haben, kämpfen zudem mit einem Rückgang der Fallzahlen um rund zehn Prozent. „Wir müssen uns auf die neue Realität einstellen“, sagt der Vorsitzende Geschäftsführer Prof. Dr. Jörg Martin. Weitere Einflussfaktoren auf die finanzielle Entwicklung stellten und stellen die Tarifsteigerungen dar, die im laufenden Jahr zwar noch weitestgehend gedeckt seien, 2024 jedoch mit rund neun Millionen Euro Mehrkosten zu Buche schlagen werden, erklärt Martin und fordert: „Wir brauchen ein Sofortprogramm zur Finanzierung der horrenden Mehrkosten durch Inflation, Energiekrise und Tarifsteigerungen.“
Zentrenbildung wird vorangetrieben
Mit ihrem Medizinkonzept 2025 bereiten sich die Kreiskliniken derweil auf die Zukunft vor. Neben der Schließung der Ermstalklinik in Bad Urach, die zum 30. April 2023 vorzeitig erfolgte, werde auch die Zentrenbildung vorangetrieben, sagt Geschäftsführer Dominik Nusser: „Aktuellstes Beispiel ist unser neues Gelenkzentrum Schwäbische Alb.“ Es ebne den Weg der Albklinik Münsingen in Richtung einer Fachklinik im Bereich Endoprothetik und Orthopädie in Verbindung mit einer medizinischen Grundversorgung. Durch den Umzug der Altersmedizin aus Bad Urach nach Reutlingen sei dort zudem ein neurologisch-geriatrisches Zentrum entstanden, in dem betagte Patienten umfassend versorgt werden können.
Schwierige Abverlegung sorgt für enorme Belastung
Ein Thema, das die Kliniken stark belaste, sei zunehmend die Tatsache, dass immer mehr Patienten ohne akuten medizinischen Behandlungsbedarf dringend benötigte Betten blockierten, weil eine Abverlegung in die nachgelagerte Versorgung nicht oder nur schwer möglich ist. „Wir sind permanent an der Auslastungsgrenze, was eine enorme Belastung für unser Personal bedeutet“, sagt Nusser.
Weil keine rasche politische Unterstützung erwartet werde, sei man selbst kreativ geworden: „Gemeinsam mit einer Alten- und Pflegeeinrichtung läuft aktuell ein Pilotprojekt, bei dem wir die Patientenversorgung über unser MVZ II mithilfe von Telemedizin sicherstellen, ohne dass der Patient im Bedarfsfall zu uns ins Haus kommen muss“, beschreibt Nusser. Die Initiative wurde in Abstimmung mit den niedergelassenen Ärzten im Kreis gestartet. Die ersten Tests seien vielversprechend, sagt Nusser, sodass dieses Modell im Kreis Schule machen könnte.





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