
Eine große Offensive soll dem Medizinstandort München zu internationaler Sichtbarkeit und Attraktivität verhelfen. In der Allianz für Spitzenmedizin – bestehend aus den beiden Universitäten LMU und TUM, den beiden Universitätsklinika und dem Helmholtz Zentrum – werden die Kräfte der Stadt gebündelt. Der Name: „M1 – Munich Medicine Alliance“. Milliarden sollen fließen für Infrastruktur, Bauprojekte und eine gemeinsame Datencloud. Außerdem sollen das Klinikum rechts der Isar und das Deutsche Herzzentrum zum TUM-Klinikum fusionieren.
Herr Blume, unter der neuen Dachmarke „TUM Klinikum“ sollen das Klinikum rechts der Isar und das Deutsche Herzzentrum München zusammengeführt werden. Beide Häuser arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen: Warum ist jetzt ein Zusammenschluss nötig und was würde sich ändern?
Wir führen zwei Häuser zusammen, die sowohl im Bereich der Krankenversorgung als auch im Bereich der Forschung und Lehre internationale Spitzenleistungen bringen. Mit der Fusion erhöhen wir ihre Schlagkraft weiter, eine klassische Win-win-Situation: Das Deutsche Herzzentrum erhält den Status eines Universitätsklinikums und das Klinikum rechts der Isar kann sein Fächerspektrum abrunden. Hinzu kommen Synergie-Effekte und so eine höhere Effizienz. Was auch wichtig ist: Das Personal muss sich keine Sorgen machen, es wird keine personellen oder finanziellen Veränderungen geben.
Die Dekanin der TUM Fakultät für Medizin, Prof. Stephanie Combs, spricht von einer signifikanten Hubwirkung für Forschung und Lehre: Woher soll die kommen – über die bereits bestehende Zusammenarbeit hinaus?
Unser Ziel ist eine Herz- und Gefäßmedizin an zwei Standorten, aber aus einer Hand. Mit der Fusion haben wir die Chance, eine neue gemeinsame Medizinstrategie zu entwickeln. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit, Doppelstrukturen werden zukünftig vermieden. Aber auch die Patientinnen und Patienten profitieren direkt davon: Es kann eine optimale Abstimmung der gefäßchirurgischen Versorgung stattfinden.
Sie gehen noch einen Schritt weiter und wollen auch die zweite Münchner Uniklinik sowie das Helmholtz Zentrum zusammenbringen?
Schon heute behandeln die Münchner Universitätsklinika jährlich mehr Patienten als irgendeine andere Universitätsmedizin in Deutschland. Das wollen wir nutzen: Mit „M1 – Munich Medicine Alliance“ gründen wir eine strategische Allianz für die Spitzenmedizin in München. Damit wird die bayerische Landeshauptstadt bundesweit das stärkste Zentrum für Hochschulmedizin, sozusagen Deutschlands Medizinstandort Nummer eins. Die beiden Münchner Exzellenzuniversitäten und Universitätsklinika sowie das Helmholtz Munich bündeln ihre Kräfte unter einem Dach. So kann der Medizinstandort München sein Potential noch besser ausschöpfen. Die Charité lassen wir damit hinter uns.
Damit wird die bayerische Landeshauptstadt Deutschlands Medizinstandort Nummer eins.
Unser Ziel sind gemeinsame Infrastrukturen und Plattformen im Bereich Klinische Studien, Datenintegration und Förderung von Translationsprojekten. Wir wollen Strukturen schaffen, von denen der Medizinstandort sofort profitiert. Noch in diesem Jahr stellen wir deshalb rund zehn Millionen Euro zum Aufbau einer gemeinsamen Datencloud und für den Aufbau einer klinischen Studienplattform zur Verfügung. Wir wollen das Potential des riesigen Datenschatzes im Gesundheitsbereich gemeinsam nutzen. Ein breiter Zugang zu Daten bedeutet bei der Versorgung und Patientensicherheit einen enormen Fortschritt, eine neue Liga der Versorgung. Für die Patientinnen und Patienten heißt das: Die Therapie wird noch besser auf sie zugeschnitten. Die personalisierte Medizin ist die Zukunft.
Wie würde das neue Konstrukt gesellschaftsrechtlich aussehen? Wird es eine Fusion geben?
M1 wird von Beginn an eine eigene Rechtspersönlichkeit in Form einer Stiftung des öffentlichen Rechts sein. Die beteiligten Einrichtungen bleiben rechtlich selbständig. Eine Fusion ist nicht vorgesehen.
Die Häuser sollen also operativ und wirtschaftlich möglichst eigenständig bleiben: wie wäre das organisatorisch umsetzbar und wären damit nicht die wichtigsten Effekte einer Zusammenführung ausgehebelt?
Jede der beteiligten Einrichtungen ist eine international renommierte Marke. Das soll auch so bleiben. Aber wir wollen mehr Kooperation schaffen und diese institutionalisieren. Organisatorisch bedeutet das, dass nur die genannten Bereiche in die geplante Dachkonstruktion eingehen.
Welchen Effekt erwarten Sie von dem geplanten Zusammenschluss für den Wettbewerb mit der Berliner Charité um den wichtigsten deutschen Medizinstandort?
M1 wird dem Standort München neben den bereits genannten Aspekten zusätzliche Sichtbarkeit verschaffen. Spätestens dann kann der Bund nicht mehr an München vorbei. Die einseitige Förderung Berlins, die Bevorteilung der Charité muss ein Ende haben.
Die Bevorteilung der Charité muss ein Ende haben.
Die Münchner Universitätsmedizin und Helmholtz Munich sind Partner in zahlreichen Forschungsverbünden und empfehlen sich mit M1 noch mehr als zuvor als Top-Standort der Medizin. Davon bin ich überzeugt. Das wird weitreichende Effekte auf die Ansiedlung weiterer Partner haben. Schauen wir uns zum Beispiel die BioTech-Szene an: Eine international kompetitive biomedizinische Forschung ist Grundlage der Wertschöpfung von morgen und gleichzeitig das Fundament für eine hochwertige Gesundheitsversorgung. Deshalb wollen wir München für die internationale Pharma- und MedTech-Industrie als erste Adresse für die Durchführung klinischer Studien positionieren.
Unter dem Stichwort „Highmed Agenda Bayern“ kündigt Ihr Haus eine neue Struktur-Offensive für den Medizinstandort Bayern an: Was ist darunter zu verstehen?
Die Highmed Agenda steht in der Tradition unserer milliardenschweren Technologieoffensive Hightech Agenda Bayern und soll im Medizinbereich eine neue Ära einläuten. Wir wollen Gesundheit noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Unser Ziel: die beste Medizin für die Bevölkerung. Sie ist unser Rezept für die Spitzenmedizin der Zukunft. Schon heute sind wir mit unseren sechs Universitätsklinika im Freistaat sehr gut aufgestellt. Wir wollen aber noch besser werden, um Patientinnen und Patienten noch schneller und wirksamer behandeln und heilen zu können. Personalisierte Medizin: Das ist das große Versprechen, das wir mit der Highmed Agenda geben.
Mit M1 haben wir bereits angefangen, Kooperationen zu stärken und zu fördern. So bündeln wir Knowhow und Ressourcen im ganzen Freistaat. Vorbilder gibt es bereits: unser erfolgreiches Kinderonkologisches Netzwerk Bayern KIONET und das Bayerische Zentrum für Krebsforschung BZKF. Unser Ziel sind weitere thematisch fokussierte Zentren im ganzen Land, zum Beispiel ein Bayerisches Vakzinzentrum oder ein Zentrum für personalisierte Medizin.
Sie haben fünf Schwerpunkte angekündigt, darunter eine Fachkräfteoffensive einschließlich Ausbau des Studienplatzangebots und die Einrichtung neuer Professuren?
Mit einer Fachkräfteoffensive für die Medizin sorgen wir für einen massiven Ausbau an Studienplätzen und insgesamt 21 neuen Professuren aus der Hightech Agenda. Wir starten außerdem eine Digitalisierungsoffensive mit einer bayerischen Gesundheitsdaten-Cloud und dem verstärkten Einsatz von KI und Robotik in Vorsorge und Versorgung. Ein Beispiel: In Garmisch bringen wir mit dem TUM Campus für Geriatronik Geriatrie und Robotik zusammen – ein echtes Musterprojekt.
Können Sie Ihre Vorstellungen etwas konkretisieren?
Kein Land tut für die Medizinerausbildung so viel wie der Freistaat. Rund ein Fünftel der Studienanfänger studiert in Bayern. Wir sehen aber den weiteren Bedarf und handeln vorausschauend: Wir richten 21 neue Professuren und 2700 zusätzliche Studienplätze ein und sorgen für eine flächendeckende Ausbildung in allen Regierungsbezirken. Das neue Uniklinikum in Augsburg wird im Endausbau 1500 Studierende ausbilden, daneben gehen wir auch neue Wege mit dem Medizincampus Oberfranken und dem Medizincampus Niederbayern mit jeweils 600 Studienplätzen. Ergänzt wird die Offensive mit einem eigens für bayerische Plankrankenhäuser aufgelegten Förderprogramm für die Ausbildung angehender Mediziner.
Wie viel Geld soll insgesamt fließen?
Die Highmed Agenda Bayern ist ein perspektivisches Programm, das über viele Jahre angelegt ist. Fest steht, dass wir Milliardenbeträge investieren werden – allein für unsere Bau-Offensive sind über 6,5 Milliarden Euro vorgesehen.
Angekündigt haben Sie auch eine Digitalisierungsoffensive mit Gesundheitsdaten-Cloud und einer Plattform für medizinische Studien: Wie weit sind hier die Bemühungen und wie groß ist der geplante Gesamtaufwand?
Die Corona-Pandemie hat uns einmal mehr vor Augen geführt, wie wichtig es ist, aus Daten zu lernen. Gesundheitsdaten sind ein unglaublicher Schatz, sie bieten ein enormes Potenzial für Innovationen. Daten teilen und damit Krankheiten heilen – das ist unser Ziel im Medizinbereich. Wir werden in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Versorgung und Wirtschaft eine bayernweite Infrastruktur für Gesundheitsdaten anlegen, auf die verschiedene Akteure des Gesundheitswesens zugreifen können. Die Arbeiten am Projekt „Bavarian Health Cloud“ laufen auf Hochtouren. Den Grundstein haben wir übrigens bereits gelegt: Der Austausch von medizinischen Forschungsergebnissen ist seit der Novellierung des Bayerischen Universitätsklinikagesetzes, das zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, leichter.
Die Arbeiten am Projekt „Bavarian Health Cloud“ laufen auf Hochtouren.
Wie vertragen sich die geplanten Strukturen in Bayern mit nationalen IT-Interessensgruppen?
Die Anschlussfähigkeit steht für uns an oberster Stelle. Wir denken an nationale IT-Initiativen wie die Medizininformatik-Initiative, aber auch an internationale Projekte wie den Europäischen Gesundheitsdatenraum.
Warum ist für die geplante Bau-Offensive eine Novellierung des Bayerischen Uniklinikagesetzes notwendig und ab wann werden die Kliniken auf die Förderung zugreifen können? Was wird damit bezahlt werden können und ab wann?
Der Startschuss für unsere Bau-Offensive ist bereits gefallen, an allen Standorten unserer Uniklinika planen wir große Projekte. Zum Teil sind sie sogar schon in der Umsetzung. Unsere Vorhaben verteilen sich über den ganzen Freistaat: Wir bauen das Uniklinikum Augsburg neu, ein Mega-Projekt. In München wird das Klinikum Großhadern der LMU, das Haunersche Kinderspital und Zentrum für Multiple Sklerose am MRI neu gebaut. Würzburg erhält ein neues Zentrum Frauen-Mutter-Kind (ZFMK) und Neubauten für die Kopfkliniken. Dazu kommen Forschungsbauten und etliche Sanierungen. Wichtig ist mir, dass wir dabei in die Zukunft denken, zum Beispiel mit modularen Gebäuden, die gerne auch schön sein dürfen. Der Wohlfühlcharakter muss auch eine Rolle spielen.
Modulare Gebäude, die gerne auch schön sein dürfen.
Die entscheidende Voraussetzung für eine zeit- und kostengerechte Durchführung haben wir mit unserem neuen Universitätsklinikagesetz geschaffen. Unsere Uniklinika können nun auch große Baumaßnahmen über zehn Millionen Euro in eigener Bauherrenschaft und Finanzverantwortung durchführen. Davon verspreche ich mir eine schnellere Durchführung, auch mit externen Finanzpartnern an der Seite.
Ist die Highmed-Agenda auch eine Reaktion auf die Pläne des Bundesgesundheitsministers zur Reform der Krankenauslandschaft?
Ein Ziel unserer Highmed Agenda ist die bestmögliche Versorgung. Ein abgestuftes Versorgungskonzept einander ergänzender Krankenhäuser, das auch Gesundheitsminister Klaus Holetschek befürwortet, ist für die Versorgung von Patientinnen und Patienten in einem Flächenstaat wie Bayern und für den Erhalt kleinerer Kliniken sehr wichtig. Deshalb setzen wir uns so massiv für Änderungen an der geplanten Krankenhausreform der Bundesregierung ein, die in dieser Form die Versorgung in der Fläche bedroht.
Außerdem haben wir Länder bereits deutlich gemacht: Die besondere Versorgungs- und Vernetzungsrolle der Universitätsklinika als Garanten für ein leistungsfähiges und effizientes Gesundheitssystem muss in jedem Fall finanziell anerkannt werden





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