
Christian Nacke eilt über die Gänge. Der Verwaltungsdirektor des Marienhospitals in Ankum – etwa eine halbe Stunde nördlich von Osnabrück gelegen – zeigt das Innenleben des altehrwürdigen Krankenhauses. Es riecht nach Krankenhaus, und es sieht auch nach Krankenhaus aus. Patientenzimmer, Behandlungsräume, Wartebereiche – sogar die Röntgenabteilung ist noch da. Aber seit dem 31. März ist das Marienhospital kein Haus der Grund- und Regelversorgung mehr, sondern ein Regionales Gesundheitszentrum (RGZ). Das erste seiner Art in Niedersachsen.
Regionale Gesundheitszentren, so beschreibt es die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN), sind eine Art „Zwitter“ zwischen kleinen Krankenhäusern und Arztpraxen. Die Zentren bieten eine stationäre und ambulante Versorgung sowie optionale Leistungen.
Notfallambulanz ist werktags geöffnet
Bis Ende März war die Ankumer Klinik ein kleines Landkrankenhaus. 105 Betten waren gemeldet. Anfang Juli wechselt die Geburtshilfe in die Nachbarkliniken in Quakenbrück und Damme – dann hält das Marienhospital nur noch 15 Betten für eine stationäre Behandlung vor. Es gibt keine rund um die Uhr geöffnete Notfallaufnahme mehr, aber noch eine werktags tagsüber geöffnete Notfallambulanz. Immerhin bleiben Rettungswagen und Notarzt am Krankenhaus stationiert. Auch die Mitarbeiterzahl schrumpfte: Von 356 blieben 140 Stellen übrig.
Im Unterschied zu einem Ärztehaus haben wir hier stationäre Betten.
Das Marienhospital bietet als Regionales Gesundheitszentrum drei Facharztpraxen – Innere Medizin, Chirurgie und Orthopädie. Es sei aber deutlich mehr als ein Ärztezentrum, sagt Nacke. Als RGZ werde das Marienhospital weiterhin im Krankenhausplan geführt. „Im Unterschied zu einem Ärztehaus haben wir hier stationäre Betten.“
Nach wie vor können Patienten, die von den drei Facharztpraxen behandelt werden, stationär betreut werden, auch über Nacht. „Das ist dasselbe Level an Versorgung, das wir vorher hatten“, betont der Verwaltungschef. Die als Belegärzte arbeitenden Medizinerinnen und Mediziner seien letztlich Angestellte des Krankenhausträgers.
Blinddarm-OP ja, intensivmedizinische Betreuung nein
Ein OP-Saal steht bereit für kleine chirurgische oder orthopädische Eingriffe. Eine Blinddarm-OP etwa könne noch geleistet werden. Aber komplizierte Fälle, die auch eine intensivmedizinische Betreuung erforderten, könnten nicht mehr behandelt werden, sagt Nacke. Auch vor der Umwandlung habe das Marienhospital keine wirklich schwerwiegenden Fälle übernehmen können. Schlaganfall-Patienten oder Schwerstverletzte von Unfällen seien gar nicht erst nach Ankum gebracht worden.
Land fördert den Aufbau mit zwei Millionen Euro pro Jahr
Die Regionalen Gesundheitszentren sollen Teil eines neugestalteten Krankenhaussystems in Niedersachsen sein. Eine Enquetekommission des Landtags hatte 2021 dazu Vorschläge vorgelegt und die Einrichtung solcher Gesundheitszentren empfohlen. Das Land fördert den Aufbau. Im Doppelhaushalt 2022/2023 sind dafür je zwei Millionen Euro bereitgestellt, wie das Gesundheitsministerium mitteilt.
Während in Ankum der Betrieb schon angelaufen ist, gibt es auch an anderen Orten in Niedersachsen Pläne für solche Zentren. In Lehrte in der Region Hannover etwa wurde dazu diskutiert, für Bad Gandersheim im Landkreis Northeim und im ostfriesischen Norden im Landkreis Aurich liegen Anträge schon beim Ministerium zur Begutachtung vor.
Einwohner protestieren
In Norden, wo die örtliche Ubbo-Emmius-Klinik sukzessive in ein RGZ umgewandelt werden soll, regt sich Protest. Viele Einwohner wollen die Klinik-Umwandlung nicht hinnehmen. Anfang Juni protestierten mehr als 2000 Menschen. Sie wollen ihr Krankenhaus solange erhalten, bis eine geplante, große Zentralklinik zwischen den Städten Norden, Aurich und Emden gebaut ist. Das dauert allerdings noch Jahre.
Diese Zusage sei den Einwohnern auch bei einem Bürgerentscheid zum Bau der Zentralklinik gemacht worden, betont Knut Richter, Sprecher eines Aktionsbündnisses für den Klinikerhalt. Doch Kreis und Klinik-Trägergesellschaft hielten sich schlicht nicht an die Zusage.

Auch in Ankum hatte die Umwandlung des kleinen Landkrankenhauses in ein RGZ heftige Proteste nach sich gezogen. Immerhin war das Marienhospital der größte Arbeitgeber in der 7000-Einwohner-Gemeinde im Osnabrücker Land. Es gehört seit mehr als 160 Jahren zur Region.
Die Wirtschaftlichkeit einer Einrichtung in unserer Größe ist bundesweit schwierig.
„Die Wirtschaftlichkeit einer Einrichtung in unserer Größe ist bundesweit schwierig“, sagt Nacke zu der Diskussion. Es sei versucht worden, sich zu spezialisieren, aber am Ende hatten die Patientenzahlen nicht gereicht. Der Krankenhausträger, die katholische Niels-Stensen-Gruppe aus Osnabrück, habe gleichwohl eine Schließungsdiskussion vermeiden wollen. Das Konzept des Landes zu einem Gesundheitszentrum sei für den Standort ideal gewesen.
Niedersachsen sei mit seinem Krankenhausgesetz unter den Ländern nach vorne geprescht. Das Thema stelle sich in Deutschland überall auf dem Land für kleinere Häuser – entsprechend gebe es interessierte Nachfragen aus allen Teilen Deutschlands, sagt Nacke.
Wenig Informationen obwohl Umwandlung ab Juli geplant ist
Auch im ostfriesischen Norden ist das Krankenhaus aus Sicht der Trägergesellschaft wegen zurückgehender Patientenzahlen und nicht besetzter Arztstellen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Bislang gibt es aber nur wenig Informationen, wie das Gesundheitszentrum in Norden aussehen soll – dabei ist eine Umwandlung schon ab Anfang Juli geplant. Klar ist bereits, eine Notfallaufnahme rund um die Uhr soll es nicht mehr geben – genau die fordert aber das Aktionsbündnis.
Wenn es nötig ist, gehen wir bis zum EuGH durch.
„Wenn das Krankenhaus schließt, bedeutet das, dass 51 000 Menschen in diesem Altkreis nicht mehr binnen 30 Pkw-Minuten ein Krankenhaus erreichen können“, sagt Walter Zuber, ein zweiter Sprecher des Aktionsbündnisses. Hinzu kämen noch die rund zwei Millionen Übernachtungsgäste in der bei Touristen beliebten Urlaubsregion.
Anders als in Ankum gebe es in Norden kaum Ausweichmöglichkeiten. „Wir haben im Rücken nur die Nordsee und vor uns zwei Krankenhäuser, die schon überlastet sind“, sagt Zuber. Die nächsten Kliniken sind in Aurich und Emden. Das Bündnis strebt nun eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht an. Es gehe um Grundrechte. „Wenn es nötig ist, gehen wir bis zum EuGH durch“, sagt der Bündnissprecher.






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