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TarifauseinandersetzungTausende Krankenhausärzte im bundesweiten Warnstreik

In Frankfurt/Main haben Tausende Mediziner kommunaler Krankenhäuser mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen gefordert. Es war die zentrale Kundgebung eines bundesweiten Warnstreiks. An der MHH ist die Lage besonders.

Megafon
Shawn Hempel/stock.adobe.com
Symbolfoto

Tausende Ärztinnen und Ärzte kommunaler Krankenhäuser machten auf einer Protestkundgebung in Frankfurt mit Trillerpfeifen und Schildern auf Personalmangel und Überlastung aufmerksam. Sie verlangen mehr Geld und eine bessere Bezahlung. Hintergrund ist die laufende Tarifauseinandersetzung mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA). Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) hatte zu einem bundesweiten Warnstreik aufgerufen.

Der MB zählte eigenen Angaben zufolge rund 3000 Teilnehmende bei der Kundgebung auf dem Frankfurter Römerberg, die Polizei rund 2400. Sie reisten aus Hessen sowie weiteren Bundesländern an, darunter Bayern, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Wie viele Krankenhäuser von Arbeitsniederlegungen in Hessen betroffen waren, konnte die Gewerkschaft zunächst nicht mitteilen.

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Auf der Kundgebung trugen die Mediziner unter anderem Plakate mit der Aufschrift „Alles hat ein Ende nur der Bereitschaftsdienst hat keins“ und „Ärzte am Limit = Patient in Gefahr“.

Johna wirft Arbeitgebern Verschleppung vor

Die Forderungen der Gewerkschaft in der laufenden Tarifrunde lägen seit Monaten auf dem Tisch, sagte die MB-Bundesvorsitzende Susanne Johna auf der Kundgebung. Den Arbeitgebern warf sie Verschleppung und Verweigerung vor. Bei der nächsten Verhandlungsrunde am 17. und 18. September in Berlin müsse ein verhandlungsfähiges Angebot präsentiert werden.

„Wer glaubt, er könnte uns noch mehr belasten, dem sagen wir: Nicht mit uns!“, rief Johna. Die Arbeitgeber spielten mit dem Feuer, wenn sie weiterhin keine Bereitschaft zeigten, in konstruktive Verhandlungen einzutreten. Unter anderem müsse das völlig veraltete Schichtdienstsystem dringend reformiert werden, so Johna. Die Belastung durch Arbeit in randständigen Zeiten werde völlig unzureichend vergütet. Andere Redner aus der Tarifkommission der Gewerkschaft drohten begleitet von regem Beifall mit weiterem Arbeitskampf.

Der Marburger Bund fordert für bundesweit 60 000 Ärztinnen und Ärzte unter anderem 8,5 Prozent mehr Geld bezogen auf ein Jahr und eine Reform von Regelungen zur Schichtarbeit. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände hält die Forderungen für überzogen. Die Ärzte hätten erst im April 2024 eine Anhebung ihrer Bezüge um vier Prozent erhalten, hieß es. Viele kommunale Krankenhäuser befänden sich in einer finanziell prekären Situation.

Arbeitsniederlegungen in ganz Deutschland

An dem bundesweiten Warnstreik nahmen nach Angaben der Gewerkschaft mehrere Tausend Ärzte teil. Genaue Zahlen lagen laut einem Sprecher zunächst nicht vor. Der Streikschwerpunkt habe im Süden Deutschlands gelegen. In Bayern etwa beteiligten sich nach einer Schätzung des Marburger Bundes rund 2000 Ärzte aus kommunalen Krankenhäusern an dem ganztägigen Warnstreik.

Allein aus Baden-Württemberg nahmen einem anderen MB-Sprecher zufolge rund 700 Ärzte an der zentralen Streikkundgebung teil. Es gebe zudem Streikende, die nicht mit nach Frankfurt gefahren seien, sagte der Sprecher. Laut MB waren in Baden-Württemberg rund 80 Krankenhäuser und rund 10 000 Ärzte zum Warnstreik aufgerufen, in Niedersachsen rund 40. Aus Niedersachsen beteiligten sich laut MB mehr als 400 Ärzte an dem Warnstreik oder seien lokal aktiv geworden, darunter rund 70 in Lüneburg und etwa 80 in Oldenburg. In Wolfsburg hätten sich Ärzte zu einer aktiven Mittagspause zusammengefunden.

Außer in Frankfurt kamen den Angaben zufolge auch an anderen Orten mehrere hundert Mediziner bei regionalen Kundgebungen zusammen – etwa in Dresden, Potsdam, Wolfsburg, Lüneburg, Oldenburg sowie Neumünster.

In Rheinland-Pfalz waren demnach die Mediziner in zwölf Kliniken dazu aufgefordert worden, die Arbeit niederzulegen. „Im Saarland beteiligen sich die kommunalen Kliniken Klinikum Saarbrücken-Der Winterberg, die SHG Kliniken Völklingen, die SHG Klinik Merzig, die SHG Kliniken Sonnenberg sowie das Kreiskrankenhaus St. Ingbert“, teilte die Gewerkschaft mit. Eine Notfallversorgung sei in allen betroffenen Kliniken gewährleistet.

Auch MHH-Beschäftigte im Ausstand

Eine besondere Streiksituation herrschte am Morgen an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Dort sind Beschäftigte dem Aufruf der Gewerkschaft Verdi zu einem Warnstreik gefolgt. Der Ausstand des Pflegepersonals habe mit der Frühschicht begonnen, sagte ein Verdi-Sprecher. An einer Demo auf der Straße beteiligten sich ihm zufolge rund 700 Streikende. 

Die Arbeitsniederlegungen sollen bis einschließlich Mittwoch andauern. Eine MHH-Sprecherin bestätigte erste Einschränkungen im Klinik-Ablauf. Eine Notdienstvereinbarung zwischen Verdi und MHH sichere die Versorgung von Notfällen ab, hieß es vorab. Notfälle würden auch an Streiktagen adäquat behandelt. 

Verdi fordert Entlastungstarifvertrag

MHH, Verdi und das niedersächsische Wissenschaftsministerium hatten sich darauf geeinigt, Gespräche aufzunehmen. Das Pflegepersonal fordert in erster Linie einen Entlastungstarifvertrag. Klinikleitung und Landesregierung müssten schleunigst in Verhandlungen über einen Tarifvertrag Entlastung einsteigen, forderte die Gewerkschaft. Doch laut dem Ministerium ist ein eigenständiger Tarifvertrag nicht mit der Satzung der Tarifgemeinschaft der Länder vereinbar. 

Bereits vor einem Monat hatten Hunderte MHH-Beschäftigte an einem Warnstreik teilgenommen. Ein weiterer Warnstreik, wenige Tage später, wurde vom Arbeitsgericht Hannover untersagt, weil er gegen die Friedenspflicht verstoßen hätte.

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