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Interview„Was haben wir denn für eine Wahl?“

Das Universitätsklinikum Dresden konnte seine Bilanz im letzten Jahr deutlich verbessern. Im Interview mit kma berichtet der kaufmännische Vorstand Frank Y. Ohi, warum er keine Angst vor der Zukunft hat und wie wichtig ihm seine Fachkräfte sind.

Frank Ohi
UKD/Kirsten Lassig
Frank Ohi ist Kaufmännischer Vorstand am Universitätsklinikum Dresden und im Vorstand der Sächsischen Krankenhausgesellschaft.

Das Universitätsklinikum Dresden ist gut durch die Corona-Jahre gekommen und schaut dank des überschaubaren Defizits von 2,7 Millionen Euro vergleichsweise optimistisch in die Zukunft. In den letzten Jahrzehnten hat Prof. Michael Albrecht als Medizinischer Vorstand des Uniklinikums durch Qualitätsführerschaft und Vernetzung eine hervorragende wirtschaftliche Basis gebildet.

Das liegt auch an der Philosophie von Frank Y. Ohi. Der kaufmännische Vorstand setzt seit 2021 auf Transparenz und regionale Vernetzung. Ein Ansatz, der das Klinikum auch für die anstehende Krankenhausreform wappnet. Ein Gespräch über Kooperationen und exzellente Medizin.

Die Ergebnisse aus dem Krankenhaus-Rating-Report legen nahe, dass die zumeist positiven Ergebnisse der Häuser vor allem auf den hohen staatlichen Zuwendungen in der Corona-Zeit beruhen. Ist das auch das Geheimnis Ihres Erfolgs beziehungsweise das des Universitätsklinikums Dresden?

Ohi: Tatsächlich haben die Corona-Hilfen dazu geführt, dass viele Häuser gut durch die zwei zurückliegenden Jahre gekommen sind. Trotzdem stehen wir mit unserem Jahresergebnis von Minus lediglich 2,7 Millionen Euro in 2022 tatsächlich auch in der realen Welt vergleichsweise gut da – nach dem Minus 10 Millionen in 2021. Trotz Kostensteigerungen konnten wir auf unsere Strategie bauen und das Defizit weiter verkleinern. Und, wir werden in den kommenden Jahren sehen, welche nachhaltigen Effekte wir mit diesen neuen Wegen erzielen.

Frank Y. Ohi ist seit April 2021 Kaufmännischer Vorstand des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden. Davor bekleidete er acht Jahre die gleiche Position bei der benachbarten Elblandkliniken Stiftung & Co. KG. Von 2005 bis 2009 war der studierte Betriebswirt Geschäftsführer zweier Krankenhäuser der SRH Kliniken GmbH.

Was machen Sie denn zuvorderst für dieses Ergebnis bzw. das erfolgreiche vergangene Jahr verantwortlich?

Ohi: Das aus meiner Sicht Bemerkenswerte an den aktuellen Zahlen ist vor allem der Umstand, dass wir es geschafft haben, trotz konstanter Leistungen die Kosten relevant zu senken. Das heißt, unsere Strategie geht auf, die darauf basiert, Prozesse zu analysieren und zu schärfen, auf Verbünde und Kooperationen zu setzen und bei den Mitarbeitenden eine Awareness für Effizienz zu schaffen. Das zahlt sich aus – und wird darüber hinaus eben angesprochene nachhaltige Effekte einbringen.

Können Sie die Bereiche konkret benennen, von denen Sie sich weitere Effekte für die Zukunft erhoffen?

Ohi: Wie bereits erwähnt, haben die Sondereffekte sicherlich eine gewisse Rolle gespielt, die nun aber auch durch die gestiegenen Energiekosten – quasi – ausgeglichen wurden. Wir setzen vor allem auf unsere Mitarbeitenden. Uns als Arbeitgeber attraktiv zu machen, gehört derzeit zu einem unserer wichtigsten Anliegen. Das versuchen wir einerseits durch Wertschätzung und Transparenz in unserer Kommunikation, aber auch mithilfe unserer Bauprojekte und der klaren Ausrichtung auf qualitative Patientenversorgung zu erreichen. Nur das bringt uns medizinisch weiter und sorgt dafür, dass wir auch zukünftig eine herausragende Rolle in der Region spielen.

Die gerade vorgestellte Krankenhaus-Strukturreform adressiert quasi alle Versorgungsbereiche. Regionale Vernetzung soll auf-, das stationäre Angebot der Krankenhäuser abgebaut werden, darüber hinaus soll mehr ambulante Versorgung stattfinden, die Kosten steigen weiter. Wie schwierig ist es derzeit überhaupt, eine seriöse Prognose zu stellen, wo ja auch noch keine belastbaren Vergütungsmodelle für die „neue Welt“ definiert sind?

Ohi: Natürlich sind die Zeiten gerade bewegter als wir es gewohnt sind. Doch sehen Sie, was wir vor drei Jahren hier angestoßen haben, basiert nicht auf einer theoretischen Idee des Zeitgeistes. Wir haben damals und tun das noch heute, uns Gedanken um eine sinnvolle, effiziente, patientenorientierte und ja, auch bezahlbare Versorgung gemacht und handeln dementsprechend. Wir sind vielleicht nicht auf alle Eventualitäten vorbereitet, die die Reform mit sich bringen mag, aber sie trifft uns nicht unvorbereitet.

Wir sind vielleicht nicht auf alle Eventualitäten vorbereitet, die die Reform mit sich bringen mag, aber sie trifft uns nicht unvorbereitet.

Nehmen wir das Beispiel „regionale Vernetzung“, das wir ohne Vorbehalte seit Jahren vorantreiben. Mir kommt dabei natürlich zugute, dass ich schon sehr lange in dieser Region arbeite und einen besonderen Blick auf die unterschiedlichen Häuser habe – und entsprechend auch die Menschen kenne, die dort arbeiten. Kooperationen einzugehen, Leistungen an sinnvollen Zentren und Häusern zu konzentrieren, Leistungen für Dritte anzubieten, Einkaufsgemeinschaften zu formen, all das sind sinnvolle Entwicklungen in jedem System. Und gemeinsam profitieren wir voneinander und mit uns unsere Patientinnen und Patienten.

Momentan gibt es überall nur Preissteigerungen, die Fallzahlen fallen, Personal steigt, Ambulantisierung kostet Geld und bringt den anbietenden Häusern ebenfalls erst einmal nichts als Kosten – woher nehmen Sie Ihren Optimismus auf ein „sicheres Fahrwasser“?

Ohi (lacht): Was haben wir denn für eine Wahl? Die Patientinnen und Patienten sich selbst überlassen? Optimismus gehört in dieser Zeit nun mal dazu. Aber Sie haben Recht – wir befinden uns auf unsicherem Terrain. Andererseits haben wir in der Vergangenheit immer wieder Lösungen als Antworten auf schwierige Verhältnisse gefunden, das wird uns auch diesmal gelingen. Und ja, wir müssen mit unseren Partnern neue Rollen definieren. Die, die es auf ihre Art machen wollen und vor allem allein, werden es extrem schwer haben. Aber die, die sich zusammentun, ihre Chancen ausloten und bereit sind, flexibel im Sinne einer modernen Patientenversorgung zu agieren, können im Idealfall ihre Effizienz steigern und zu den Gewinnern gehören. Wir, vor allem auch Prof. Michael Albrecht, haben früh angefangen uns schon heute ein belastbares Netz verschiedener Player aufzubauen, die großes Interesse an einem gemeinsamen Bild haben.

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Universitätsklinikum Dresden
Das Universitätsklinikum Dresden hatte 2022 mit einem Fehlbetrag von rund 2,7 Millionen Euro eine verhältnismäßig ausgeglichene Bilanz.

Welche Bereiche müssen am dringlichsten überarbeitet werden, um dem Erfolg den Weg zu ebnen?

Ohi: Alles steht und fällt mit unseren Mitarbeitenden. Wir können exzellente Medizin anbieten – ohne Menschen, die die Versorgung und unsere Philosophie leben, werden wir aber keine Chance haben. Deswegen gilt unser besonderes Augenmerk der Attraktivität unseres Arbeitsumfeldes.

Alles steht und fällt mit unseren Mitarbeitenden. Wir können exzellente Medizin anbieten – ohne Menschen, die die Versorgung und unsere Philosophie leben, werden wir aber keine Chance haben.

In welchen Bereichen wünschen Sie sich mehr Informationen und Gestaltungsspielraum durch die Legislative?

Ohi: Natürlich ist die Branche im Wandel, wenn nicht in Aufruhr. Ich erlebe die Politik aber tatsächlich als sehr gesprächsbereit – und froh über jede Initiative, die Versorgung zu verbessern. Ich habe nicht das Gefühl, dass sich der Gestaltungsspielraum verkleinert hat. Allen ist klar, dass nur diejenigen überleben werden, die sich auf Kooperationen einlassen können. Bei uns betrifft das Themen wie Krankenpflegeschulen, der ganze Bereich Wäsche, Nachhaltigkeit, Arbeitsplätze im weitesten Sinne – und wir stoßen überall auf interessierte Partner.

Welche Kriterien sollten aus Ihrer Sicht darüber entscheiden, welche Leistungen vorgehalten werden?

Ohi: Das ist leicht: Qualität. Und die hängt nicht nur vom diensthabenden ärztlichen Personal ab, sondern hat auch etwas mit Prozess-, Lebens- und Nachsorgequalität zu tun.

Welche Leistungen sollten aus ihrer Sicht der Hochschulmedizin vorbehalten bleiben?

Ohi: Wir bieten Spitzenmedizin an und das bleibt auch so – bis hin zum ambulanten Bereich, den wir weiter ausbauen müssen. Auch die professionsübergreifende Ausbildung der Fachkräfte sollte vornehmlich durch uns und mithilfe unseres Portfolios koordiniert werden, um die Patientenbehandlung über die Fläche hinweg zu verbessern. Aber natürlich müssen und sind wir auch bereit dazu, Einschnitte bei der Universitätsmedizin hinzunehmen und die Expertise anderer Häuser anzunehmen – vor allem auch in der Nachbehandlung komplexer Fälle.

Wie sieht die Rolle der Universitätsmedizin in Zukunft aus?

Ohi: Es ist ein stückweit auch unsere Vision, die Integration der unterschiedlichen Versorgungsstufen voranzutreiben. Im Hinblick auf den demographischen Wandel können wir nicht länger zögern und uns gegenseitig blockieren. Wir müssen die Hilfe, die die Digitalisierung an vielen Stellen darstellt, annehmen und uns zu Nutzen machen.

Im Hinblick auf den demographischen Wandel können wir nicht länger zögern und uns gegenseitig blockieren.

Das bedeutet nicht nur Daten-basierte Behandlungen, die eben nicht mehr auf trial & error beruhen, sondern das bedeutet auch, Künstliche Intelligenz dort zu nutzen, wo es sinnvoll ist und Fachkräfte sowieso fehlen. Natürlich reden wir hier derzeit noch von Buzzwords, aber die Aufgabe der Universitätsmedizin sollte es sein, diese neuen Technologien zu trainieren und bestmöglich für die Versorgung einzusetzen. Und, das wird sie auch.

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