
So lange hat sich Prof. Dr. Johannes K.M. Knobloch bislang noch nie mit der Kanalisation beschäftigt. Bis mindestens Ende 2023 nimmt der Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf jetzt intensiv das Abwasser des UKE in den Blick. Die Uniklinik ist einer der Partner in einem Forschungsprojekt des Versorgers Hamburg Wasser.
„Wir wollen herausfinden, wie sich multiresistente Erreger im Abwasser verbreiten und wie sie sich noch effektiver herausfiltern lassen“, erklärt Knobloch. Dazu steht auf dem UKE-Gelände jetzt ein Forschungscontainer, in dem das Klärwerk Hamburg – eines der größten Europas – im Miniaturformat nachgebildet ist. In dem Container sollen mindestens drei experimentelle Verfahren getestet werden, mit denen die derzeit genutzten biologischen Reinigungsstufen der Anlage künftig ergänzt werden könnten, um Medikamentenreste und Resistenzgene zu bekämpfen.
Krankenhausabwasser hat ideale Voraussetzungen
Der Standort ist bewusst gewählt. Im Gegensatz zu dem Abwasser, das an der echten Kläranlage der Hansestadt ankommt, ist das Krankenhausabwasser noch nicht durch Regen- oder anderes niedrig belastetes Wasser verdünnt. Zudem enthält es eine höhere Konzentration von sogenannten prioritären Stoffen wie zum Beispiel Medikamentenresten. Die höhere Ausgangskonzentration der Umweltschadstoffe bietet den Projektpartnern ideale Voraussetzungen, um die Leistung der einzelnen Reinigungsmethoden zu messen. Gleichzeitig wollen sie bewerten, in welchem Verhältnis die Ergebnisse und die jeweiligen Betriebskosten stehen.
Bislang waren es Blitzlichter, jetzt drehen wir einen Film.
Johannes Knobloch beschäftigt sich mittlerweile seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema Abwasser – schon an seinem früheren Arbeitsort in Lübeck. Eine so langfristige dauerhafte Überwachung wie jetzt gab es noch nicht. „Bislang waren es Blitzlichter, jetzt drehen wir einen Film“, sagt Knobloch: „Wir wollen verstehen, was da unten passiert und welche Folgen es hat, dass Krankenhäuser Schadstoffe freisetzen.“
Forschende haben 30 Schadstoffe im Blick
Zwar sei die Reinigungsqualität der deutschen Kläranlagen schon jetzt sehr gut, doch es bestehe allgemein Einigkeit, „dass wir die Klärprozesse eigentlich noch weiter optimieren müssen“, sagt Knobloch: „Einige Substanzen chemischer Natur werden biologisch einfach schlecht abgebaut.“ Dazu zählten unter anderem Arzneimittel, aber auch weitere Schadstoffe. Im Projekt mit dem UKE-Abwasser haben die Forschenden gut 30 verschiedene Schadstoffe im Blick, proprietäre Stoffe, die im Klärprozess schlecht reduziert werden.
Möglichst wenige Resistenzgene aus Kläranlagen freisetzen
Für Ingo Hannemann, Sprecher der Geschäftsführung von Hamburg Wasser, wird das Thema zunehmend drängender: „Medikamentenspuren und andere Mikroschadstoffe belasten bereits heute unsere Gewässer“, sagt er, und Studien zufolge werde der Arzneimittelverbrauch in der alternden Gesellschaft in den nächsten 20 Jahren um bis zu 70 Prozent zunehmen. Gerade deshalb unterstütze die Uniklinik das Projekt, betont Joachim Prölß, UKE-Vorstandsmitglied und Direktor für Patienten- und Pflegemanagement. Für die Zukunft werde es „von sehr großer Bedeutung sein, dass neben Arzneimitteln und Umweltschadstoffen auch möglichst wenige Resistenzgene aus Kläranlagen freigesetzt werden, da diese über die Nahrungskette wieder zurück zum Menschen und in das Gesundheitswesen gelangen können“.
Ein Ergebnis der bisherigen Forschung von Johannes Knobloch, die das Abwasser innerhalb des Krankenhauses betraf, setzt das UKE bereits in Neubauten um. Weil gefährliche Keime über die Waschbecken auf Patienten übertragen werden können, werden in Risikozonen entweder gar keine Waschbecken mehr installiert, oder die Siphons werden beheizt. In diesem Fall desinfizieren sich die Leitungen selbst, und eine retrograde Kontamination wird verhindert.





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