
Auf dem Jahreskongress der Prospitalia GmbH, der in diesem Jahr in den Räumlichkeiten des Maritim Hotels in Berlin stattgefunden hat, gab es Grund zum Feiern. Denn die Einkaufsdienstleistungsgesellschaft Prospitalia, die 1993 als kleines Unternehmen im Keller eines Bauunternehmens in Ulm-Juchingen gegründet wurde und heute nach eigenen Angaben deutschlandweit mehr als 1300 Einrichtungen im Akut- und Pflegebereich zu ihren Mitgliedern zählt, kann mit Stolz auf eine 25-jährige Firmengeschichte zurückblicken. Auf der zweitägigen Veranstaltung trafen sich auch in diesem Jahr wieder rund 600 Besucher, Partner und Kunden für Berichte aus der Praxis, Keynotes und Workshops.
„Es geht um jeden Cent“
Das Motto des Kongresses, „Es geht um jeden Cent“, spiegelt auch die Realität in der deutschen Krankenhauslandschaft sowie ihrer Einkaufsabteilungen wider. „Jetzt ist die durchgehende Strukturierung der Behandlungsprozesse unabdingbar, um digitale Technologien nutzen zu können. Dazu ist es erforderlich, dass die Ärzte und Pflegekräfte gemeinsam mit den kaufmännischen Managern und Technikern an dieser herausfordernden Aufgabe arbeiten“, so Heinz Lohmann, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Gesundheitsunternehmer und Vorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft e.V., in seinem Statement zum Eröffnungsplenum.
Neben zahlreichen Ausstellern, Fachforen und einer Apothekertagung hat Prospitalia bereits zum 4. Mal den Best Practice Award für Einkauf und Logistik im Krankenhaus verliehen. Auch in diesem Jahr hat Andreas J.W. Goldschmidt, Sprecher für Gesundheit & Soziales der FOM Hochschule für Ökonomie & Management Essen und Frankfurt am Main, den Vorsitz der Jury übernommen. Kriterien für die Bewertung durch die Jury waren Innovationsgrad, Effektivität, Übertragbarkeit und Nachhaltigkeit. Der Gewinner des mit 5000 Euro dotierten ersten Preises ist das Projekt „Digitalisierung 4.0 – Das iPhone als neue Plattform der Arzt-Patienten-Beziehung“ der Kreiskliniken Mühldorf am Inn – mit der Smartphone-APP „Smart Visit“.
Smart Visit
Laut dem Statistischen Bundesamt nutzten aktuell rund 57 Millionen Personen in Deutschland ein Smartphone. Obwohl es dafür mittlerweile viele Gesundheits-Apps gibt, können die damit erhobenen Daten derzeit aber nur von deren Nutzern selbst verwendet werden. Gleichzeitig zeichnen viele Patienten ihre Vitalwerte noch immer schriftlich auf, um sie Ärzten zur Verfügung zu stellen. „Der Gedanke war daher, dass wir den technischen Möglichkeiten eines Smartphones, das heute im täglichen Leben völlig integriert ist, eine gewisse Bedeutungserweiterung schaffen“, erläutert Robert Forster, Projektbeteiligter und Einkaufsleiter der Kreiskliniken Mühldorf am Inn. So ist Idee entstanden, die beiden APPs „Apple Health Kit“ und „Apple Care Kit“, die auf den IPhones ohnehin aktuell mitgeliefert werden, als Datendrehscheibe zu nutzen – und daraus eine eigene APP zu entwickeln, mit der Patienten diese Gesundheitsdaten aufzeichnen und speichern, und in einem zweiten Schritt auch den Gesundheitsdienstleistern zur Verfügung stellen können.
Patienten-Smartphone mit KIS-Verbindung
Die Kreiskliniken setzten diese Idee gemeinsam mit der Firma Aycan und dem Medizintechnikhersteller Cerner, der das KIS-System „Medico“ der Kreiskliniken entwickelt hat, um. Der PACS-Anbieter Aycan entwickelte unter Vorgaben verschiedener Fachrichtungen der Kreiskliniken in mehreren Projektsitzungen die App „SmartVisit“. Mit ihrer Hilfe können Patienten die damit erhobenen Vitalwerte auf dem iPhone speichern, ohne dass diese Daten zusätzlich auf einem Server im Internet abgespeichert werden. Zudem wurde eine zusätzliche Health-Bridge programmiert und installiert, um die Daten vom iPhone unter Nutzung einer End-zu-End-Verschlüsselung über das Internet zum behandelnden Arzt in der Klinik zu schicken. Eine Anbindung über sogenannte MDM-Printer an das KIS Medico wurde von der Firma Cerner beigesteuert.
Damit steht mit „Smart Visit“ seit Oktober 2017 eine bidirektionale Verbindung von der Klinik zum Patienten und zurück, denn mit der APP können Ärzte ihren Patienten auch sofort eine Rückmeldung auf diese Informationen geben. Wer die APP nutzt, muss der Klinik vorher eine Einwilligung zur Nutzung der Daten geben. „Bei uns liegt die Datenhoheit damit weiterhin rein beim Patienten, er entscheidet also, was er uns gibt und was nicht. Somit gibt es jetzt die Möglichkeit, dass das Smartphone nicht nur einen Zettel ersetzt, sondern auch die Distanz zum Krankenhaus oder dem Arzt überwindet“, ergänzt Robert Forster. Derzeit ist die APP bei fünf Patienten mit Refluxkrankheiten im Einsatz.
Auch andere Kliniken könnten die APP nutzen
Damit ist deren Bandbreite aber noch nicht erschöpft: „Mit der APP kann man etwa Blutdruck, Puls, Schmerztagebücher, Befindlichkeiten wie auftretende Schwindel, Blutzucker oder auch die Medikation oder die Reaktion darauf aufzeichnen und übermitteln. Selbst Übungen, die gemacht werden oder was man an Essen zu sich nimmt – die Bandbreite ist groß“, berichtet Forster. Dementsprechend groß ist auch ihr Potential – die Kliniken planen, die APP auch für Patienten mit Parkinson, Epilepsie, chronisch Entzündeten Darmerkrankungen und Adipositas zu erweitern. Mit der entsprechenden Schnittstelle könnten die APP auch andere Kliniken nutzen.
Langfristig könnte das innovative Projekt nicht nur dazu beitragen, die Vor- und Nachsorge zur verbessern und die Verweildauern zu senken, sondern sogar die Sektorengrenze zwischen stationärem und niedergelassenem Bereich zu überwinden – vorausgesetzt, sie lässt sich auch in Praxisinformationssysteme einbinden. „Der Preis ist immer eine gute Gelegenheit nachzuweisen, dass die Krankenhäuser wirklich zu den innovativsten Unternehmen unseres Landes gehören“, betonte Helmut Drummer, Geschäftsführer von EDH Con GbR und Mitglieder der Jury des Best Practice Awards, in seiner Laudatio.





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