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Schutzausrüstung„Ein dramatischer Mangel kann jederzeit wieder eintreten“

Die katastrophale Lage im Frühjahr 2020 ist noch gut in Erinnerung. Überall in der Republik fehlte Schutzkleidung. Auch wenn die Situation momentan entspannt scheint – Achim Theiler vom Hersteller und Importeur Franz Mensch warnt vor einer Wiederholung alter Fehler.

Achim Theiler, Franz Mensch GmbH
Franz Mensch GmbH
Achim Theiler ist Geschäftsführer des Schutzbekleidungs-Herstellers und -Importeurs Franz Mensch in Buchloe.
Pandemielager Franz Mensch GmbH
Franz Mensch GmbH
Das Pandemielager in Buchloe bietet Platz für 20 bis 30 Millionen Mundschutzmasken und FFP-Masken sowie zusätzlich Kittel und Einweghandschuhe.

In Sachen Schutzausrüstung haben die deutschen Krankenhäuser offenbar vorgesorgt. „Die Lager sind voll, da ist genug Material in der Hinterhand“, sagt Achim Theiler, Geschäftsführer des Schutzbekleidungs-Herstellers und -Importeurs Franz Mensch in Buchloe. Auch die Zahl der Rahmenverträge habe zugenommen, so Theiler.

Dabei übernehmen Firmen wie Franz Mensch die Lagerhaltung und Logistik, und die Kliniken müssen keine eigenen Vorratslager aufbauen. Über sogenannten Abrufaufträge sind Preise und Liefersicherheit garantiert. Für die Berliner Charité etwa halte sein Unternehmen einen gesamten Jahresbedarf an Kitteln bereit.

Ein Konzept zum Rollieren fehlt

Theiler hatte schon in der ersten Coronawelle im Frühjahr 2020 formuliert, was aus seiner Sicht die naheliegende Lösung sein müsste: eine zentrale Stelle, welche die Versorgung aller Krankenhäuser mit Schutzausrüstung koordinieren sollte. Erfüllt hat sich sein Wunsch nicht. „Wir sehen, dass die Politik wenig für eine Bevorratung tut“, kritisiert Theiler heute.

Zwar habe der Bund Pandemielager aufgebaut und unter anderem mit Schutzausrüstung gefüllt, doch es sei „unsicher, wie gut wir da aufgestellt sind“. Zudem fehle ein Konzept, nach dem das wichtige Material rolliert. Nach zwei bis fünf Jahren haben Masken und Mundschutz ihr Haltbarkeitsdatum erreicht – „und spätestens dann müssen sie verschenkt oder auf andere Weise verteilt werden“, erklärt Theiler, „doch das ist unnötig kompliziert und sorgt für neue Probleme“.

Weil mittlerweile wieder ausschließlich über den Preis entschieden wird, hat die Produktion in Deutschland keine Chance.

Den Chef des bayerischen Familienunternehmens ärgert noch eine andere Entwicklung. „Weil mittlerweile wieder ausschließlich über den Preis entschieden wird, hat auch die Produktion in Deutschland keine Chance“, sagt Theiler. Mindestens 50 Prozent der erst seit 2020 hierzulande aufgebauten Kapazitäten etwa für Schutzmasken seien wieder eingestellt oder ausgelagert worden. Und auch der Rest werde step by step abgebaut.

Fast alle Kunden ordern wieder asiatische Ware

„Die Hersteller können mit der asiatischen Konkurrenz nicht mithalten, dort wird für die Hälfte des Preises produziert.“ Aus Theilers Sicht wäre es klug, zumindest eine Basisproduktion in Deutschland aufrechtzuerhalten, „doch das kann ich nicht erkennen“. Auch die Kunden sind schnell wieder in die alten Gewohnheiten verfallen. „Wir haben Schutzausrüstung aus Asien, Europa und Deutschland im Angebot, doch zu 98 Prozent wird asiatische Ware geordert“, sagt Theiler: „Sobald eine akute Krise vorbei ist, ist die potenzielle Bedrohung eben kein Thema mehr.“

Dabei ist offensichtlich, dass eine dramatische Mangelsituation wie im Frühjahr 2020 jederzeit wieder eintreten kann. Als China im April 2022 einen wochenlangen Lockdown durchsetzte und täglich 160 Millionen PCR-Tests durchgeführt wurden, war der Eigenbedarf an Schutzausrüstung erneut so hoch, dass China den Export wieder einstellte.

Wenn ein Export-Stopp länger dauert, werden wir wieder dastehen und große Probleme haben.

Zwar konnte das mit Lagerbeständen und der noch verbliebenen Produktion in Deutschland abgepuffert werden, „doch wenn ein Export-Stopp länger dauert, werden wir wieder dastehen und große Probleme haben“, prophezeit Theiler. Auch die momentan starke Bevorratung der Krankenhäuser werde „wieder verwischen, wenn die Kliniken wieder effizienter werden müssen“, ist Theiler überzeugt.

Aus seiner Sicht optimal wären zentrale Lager mit einer Umlaufidee, um den Bestand rollieren zu lassen – „idealerweise in Zusammenarbeit mit uns Händlern“, betont der Firmenchef. Gleichzeitig müssten Produktionskapazitäten im Land gehalten werden, und die Kunden sowie der Bund müssten bereit sein, die dafür fälligen Aufschläge zu zahlen.

Fehlende Kommunikation ist ein Problem

Zudem fordert Theiler Planbarkeit, statt erneuter unkalkulierbarer Hauruck-Aktionen. Die Entscheider müssten sich frühzeitig Gedanken über den Worst Case machen, statt sich aus Respekt vor den Wählern zurückzuhalten. „Wenn klar ist, dass bei einer bestimmten Inzidenz zum Beispiel wieder eine Maskenpflicht eingeführt wird und ab welchem Wert spätestens zusätzliche Maßnahmen gelten, werden auch panische Zusammenkünfte der Ländervertreter unnötig“, mahnt Theiler, „die Datenlage ist seit zwei Jahren klar.“

Fehlende Kommunikation zwischen Politik und Lieferanten jedenfalls sei eines der Probleme in den vergangenen Corona-Wellen gewesen: „Kurzfristige Entscheidungen, zum Beispiel über eine FFP2-Masken-Pflicht oder eine Testpflicht für Kitas treiben unnötig die Preise nach oben und sorgen für Engpässe.“

Lager für 20 bis 30 Millionen Masken

Zumindest für sein Unternehmen hat Theiler vorgesorgt – und im Mai 2022 ein eigenes Pandemielager eröffnet. Es habe eine Kapazität von 10 000 Vollpaletten, was 300 Lkw-Zügen mit einer Gesamtlänge von mehr als 7,5 Kilometern entspreche, so Theiler. Auf rund 3100 Quadratmetern biete das Lager Platz für 20 bis 30 Millionen Mundschutzmasken und FFP-Masken sowie zusätzlich Kittel und Einweghandschuhe. Insgesamt könnten mit den Vorräten „mehrere Monate überbrückt werden“. Mit Blick auf die längeren Lieferzeiten und umkämpfte Transportkapazitäten bei Leercontainern, Paletten und Verpackungsmaterial würden laufend zusätzliche Masken, Schnelltests und Einmalhandschuhe geordert, erklärt Theiler: „Lieferfähig zu sein hat oberste Priorität.“

Das ist Sache der Politik, denn wir haben gesehen, wie zerbrechlich der Schutz der Bevölkerung ist.

Gleichzeitig betont der Firmenchef immer wieder, dass er für die Bevorratung eigentlich nicht die Privatwirtschaft in der Pflicht sieht. „Das ist Sache der Politik, denn wir haben gesehen, wie zerbrechlich der Schutz der Bevölkerung ist“, sagt Theiler. Sich zusammensetzen, einen Plan entwickeln, sich auf Risiken vorbereiten und entsprechend investieren – all das vermisst er nach wie vor. „Als sich die Lage in diesem Frühjahr entspannte, war die Zeit dafür – und eine solche Initiative wäre ja auch auf europäischer Ebene denkbar.“

Eine europaweite Produktion und die Beschaffung von Schutzkleidung könnten die Partner gemeinschaftlich aufbauen. Zudem gelte es herauszufinden, in welchen Bereichen ähnliche Engpässe wie zu Beginn der Coronapandemie im Bereich der Schutzkleidung drohen könnten. Wo könnte bei der nächsten Pandemie nach wenigen Monaten ein Mangel herrschen? Wo ist Deutschland abhängig von Lieferstrukturen? Welche Bereiche sind besonders essenziell und gefährdet? „Solche Fragen muss man zulassen, auch wenn sie momentan nicht dringend nötig sind“, appelliert Theiler: „Langfristig ist das sinnvoll.“

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