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DGfM-Chefin Raab„Hybrid-DRG ist ein weiteres zusätzliches Bürokratiemonster“

Ausweitung der Hybrid-DRGs – teurer und komplizierter? Prof. Erika Raab warnt vor steigenden Kosten und Bürokratie für die Kliniken. Alle Hoffnungen ruhen nun auf Ministerin Warken, die das Tempo drosseln soll.

Eine Person liegt vergraben unter einem Papierstapel
Ulia Koltyrina/stock.adobe.com
Symbolfoto

In der Diskussion um die Hybrid-DRGs waren die Fronten zuletzt verhärtet. Kommt der erweiterte Hybrid-DRG-Katalog 2026 wie geplant, wird laut der Deutschen Gesellschaft für Medizin Controlling (DGfM), das wichtigste Ziel der Ambulantisierung verfehlt: Die Gesundheitsversorgung wird nicht günstiger, sondern teurer und komplizierter. Alle Hoffnungen ruhen nun auf Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Sie soll bei der Umsetzung der Hybrid-DRGs zumindest das Tempo drosseln.

Mit der Einführung der Hybrid-DRGs will der Gesetzgeber Ambulantisierungspotenziale heben, um insbesondere Kosten der Gesundheitsversorgung zu senken. Bestimmte Eingriffe und Operationen werden sektorenübergreifend vergütet, unabhängig davon, ob sie ambulant oder stationär erfolgen. Nachdem 2024 mit zwölf Hybrid-DRGs gestartet wurde, wird ab nächstem Jahr der Katalog auf 22 Hybrid-DRGs erweitert. Jährlich sollen dann mindestens eine Millionen Fälle als Hybrid-DRGs abgerechnet werden. Die Kalkulation der Vergütung nimmt das Institut des Bewertungsausschusses (InBA) und das Institut für Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) abschließend im kommenden September vor.

Kliniken haben weiterhin Vorbehalte

Den aktuellen Stand der Umsetzung hat das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) in ihrer Frühjahrsumfrage 2025 für den Krankenhaus-Index abgefragt, an der sich bundesweit 416 Krankenhäuser beteiligten. Demnach nehmen mehr als 90 Prozent der Krankenhäuser an der Erbringung von Hybrid-DRG-Leistungen teil.

Doch es gibt sehr viel Skepsis: Mehr als ein Drittel der Befragungsteilnehmer stimmt zwar zu, dass durch die Hybrid-DRGs eine höhere Flexibilität bei der Auswahl des geeigneten Versorgungssettings erreicht wird. Vorteile durch eine höhere Patientenzufriedenheit oder eine kosteneffizientere Versorgung können viele Kliniken aber nur bedingt erkennen.

DKI-Frühjahrsumfrage Hybrid-DRGs
Deutsches Krankenhausinstitut
Aus der DKI-Frühjahrsumfrage: Erbringen Sie aktuell an (mindestens) einem Standort Ihres Krankenhauses Hybrid-DRGs nach § 115f SGB V ? (Allgemeinkrankenhäuser in Prozent)

Die große Mehrheit der Befragungsteilnehmer befürchtet sogar, dass Leistungsangebote aufgrund einer nicht kostendeckenden Vergütung von Hybrid-DRGs wegfallen könnten. „Aufgrund der aktuellen Kalkulationskonzeption ist mit einer Untervergütung zu rechnen, insbesondere bei aufwändigen Fällen, die die spezifischen Strukturen des Krankenhauses erfordern“, bekräftigt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, die Umfrageergebnisse. „Hier werden sich keine klassischen ambulanten Versorger finden, und für die Kliniken ist die Versorgung nicht mehr kostendeckend. Dadurch besteht das Risiko von Leistungseinschränkungen.“

Auch bleibt die Befürchtung von Kliniken, dass risikoarme und lukrative Eingriffe künftig in den ambulanten Bereich abwandern, während komplexe Fälle in den Kliniken verbleiben. Ähnlich argumentiert die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling (DGfM), Prof. Erika Raab. Es sei bereits der Trend erkennbar, dass es im ambulanten Bereich zu „Rosinenpickerei“ komme. Neue Privatkliniken würden künftig vor allem elektive Eingriffe ohne erwartbare Komplikationen annehmen, die lukrativ sind.

Die Behandlung der komplexeren Fälle in den Krankenhäusern verteuere sich gleichzeitig, da sich die Kosten auf weniger Fälle verteilten, so Raab im Gespräch mit der kma: „Das heißt, pro Fall wird der Preis der stationären DRG in den Kliniken steigen. Wenn noch die Demografie und die erwartbar steigende Multimorbidität dazukommen, und die leichten Fälle kalkulatorisch ausgenommen sind, steigen die Kosten noch weiter.“ Das Ziel, durch Hybrid-DRGs Kosten zu senken, werde verfehlt: „Wir werden durch die Hybrid-DRGs zunächst kurzfristig eine Kostenersparnis von ein, maximal zwei Jahren in der Konvergenzphase sehen. Danach wird sich das System infolge der Kalkulationssystematik der DRG wieder verteuern.“

Nächstes Bürokratiemonster droht

Auch fürchtet Raab eine überbordende Bürokratie: „Die Hybrid-DRGs müssen überprüft werden, und dafür braucht es wieder mehr Personal. Dabei haben wir jetzt schon die Einzelfallprüfung, die Strukturprüfung, die Prüfung der Leistungsgruppen-OPS und die Qualitätsprüfungen. Auf eine arbeitende Person im Krankenhaus kommen vier Prüfsystematiken. Jede Reform seit Einführung der DRGs brachte immer eine Prüfung mehr. Wir schaffen mit der Hybrid-DRG noch ein weiteres zusätzliches Bürokratiemonster.“

Schließlich fehlten Kalkulationsdaten, über die der ambulante Bereich überhaupt nicht verfüge, weil die Niedergelassenen beispielsweise keine Zwei-Tages-Fälle haben, kritisiert Raab. „Gemischte Berechnungen“ mit dem stationären Bereich könnten deshalb bisher nicht vorgenommen werden. Es sei bisher nicht möglich, die neuen Hybrid-Fallpauschalen zu kalkulieren: „Im Ergebnis liegt somit kalkulatorisch lediglich eine normative Absenkung der stationären Vergütung für Kurzlieger vor.“

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Spareffekte nicht mehr erkennbar

Die DGfM fordert deshalb, zur Kurzlieger-Systematik zurückzukehren und auszubauen. Eine Deckelung der Kosten durch Hybrid-DRGs mit einem Festbetrag sei jedenfalls keine Lösung, stellt Raab klar. Völlig ungeklärt sei auch, ob sich die Deckelungen auch auf die geplante Vorhaltefinanzierung auswirken. Auch sei eine prospektive Fallsteuerung mit eigener Systematik im bestehenden System mit retrospektiven Abrechnungsdaten „schlicht nicht mehr möglich.“

Wir sind überzeugt, dass Hybrid-DRGs das falsche Instrument für die Ambulantisierung sind.

„Wir sind überzeugt, dass Hybrid-DRGs das falsche Instrument für die Ambulantisierung sind“, betont Raab. Man solle nicht normativ in ein System eingreifen, wenn man weder die Auskömmlichkeit kennt noch eine Auswirkungsanalyse gemacht habe. Auch werde das System immer komplexer und unverständlicher: „Im Moment ist gar nicht mehr ersichtlich, wo Spareffekte erzielt werden. Vom Frustrationsgrad der Ärztinnen und Ärzte ganz abgesehen, die künftig noch die 276 Seiten-Kontextfaktoren berücksichtigen sollen.“ Zudem entstünden Gewissenskonflikte und Haftungsrisiken für Ärzte.

Zuletzt hatte die DGfM sich im Mai mit einem Offenen Brief an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sowie an die wichtigsten Akteure des Gesundheitswesens gewandt, und darin ihre Bedenken zum erweiterten Hybrid-DRG-Katalog formuliert. Beim BMG wurden die Kritikpunkte noch von dem Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung, Michael Weller, in einem Antwortschreiben brüsk zurückgewiesen. Weller hat allerdings inzwischen seinen Posten im BMG geräumt, die Position übernimmt die Juristin Barbara Geiger.

Hoffen auf Kooperationswillen der Ministerin

Im BMG laute im Moment aber weiterhin die Devise „weiter so“, berichtet Raab. „Ich bin aber optimistisch, dass die Bundesgesundheitsministerin zumindest keine Schnellschüsse macht, sondern sich zunächst alle Seiten anhören wird. Insofern habe ich Hoffnung, dass bei der Umsetzung der Hybrid-DRGs zumindest Tempo rausgenommen wird.“ Auch aus der GKV habe sie entsprechende Signale wahrgenommen. Hier gebe es inzwischen ein Bewusstsein dafür, dass das System sich durch die Reform nur verteuere und verkompliziere. Dies nehme sie auch bei den Ärztekammern wahr.

Ähnliches berichtet die DKG, die an der Ausgestaltung des erweiterten Hybrid-DRG-Kataloges nicht beteiligt war. Die DKG habe ein Konzept für die Weiterentwicklung der Hybrid-DRGs erarbeitet, hieß es. Dieses Konzept habe durchaus auch Schnittmengen zu den Überlegungen des GKV-Spitzenverbandes. Auch die DKG setzt beim Thema Hybrid-DRGs auf den Kooperationswillen der Ministerin: „Wir haben die Rückmeldungen aus dem BMG so verstanden, dass Ministerin Warken sich mit der DKG zum Thema Hybrid-DRG austauschen möchte“, so Gaß. Wie die Weiterentwicklung aussehe und ob es kurzfristige Änderungen am aktuellen Gesetz dazu geben werde, sei jedoch noch nicht absehbar.

Sollte der erweiterte Hybrid-DRG-Katalog nach derzeitigem Fahrplan umgesetzt werden, befürchten viele Kliniken laut DKI-Umfrage aber auch Risiken für die Patienten: Sie sehen Probleme bei der Nachsorge, insbesondere durch fehlende Kapazitäten im ambulanten Bereich, aber auch durch unklare Zuständigkeiten. Zudem könnten Kliniken ihre Leistungen so weit einschränken, dass laut DKI Patienten künftig mit längeren Fahrzeiten zu einer Klinik mit passendem Leistungsangebot und längere Wartezeiten für OP-Termine rechnen müssen.

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