
Besser hätte er sich das gar nicht ausdenken können. Gerade als der Fotograf Alexander Schmidtke im Cockpit des gelben Rettungshubschraubers ganz oben über dem 14. Stock der Uniklinik Augsburg für ein paar Aufnahmen inszeniert, tönt der Alarm. Das Team muss starten. Rettungseinsatz im Süden der 300 000-Einwohner-Stadt. Schon dröhnen die Rotoren. Keine Zeit mehr für Fotos. Nur zwei Minuten nach der Alarmierung sind die Retter in der Luft. Und während „Christoph 40“ am Himmel über Augsburg verschwindet, erklärt Alexander Schmidtke im leichten Schneegestöber auf der Heli-Plattform in 56 Meter Höhe, wie es mit dem Klinikum weitergeht. Gleich dort unten zur Rechten entsteht gerade der neue Anbau West mit 136 Intensivbetten. Etwas weiter vorne, im Gebäude der ehemaligen Kinderklinik, werden bald Studenten lernen, und drüben, auf den riesigen Erweiterungsflächen im Süden, wird in den nächsten Jahren der neue Medizincampus der Uniklinik gebaut.
Es passiert viel. Seit Schmidtke im Dezember 2009 kam, war das nie anders. Keine Zeit zum Verschnaufen. Zeit für Veränderung. Von hier oben auf dem Dach des Klinikums, das heute knapp 6 000 Mitarbeiter beschäftigt, wird deutlich, was Schmidtke in den vergangenen Jahren bewegt und angestoßen hat. Nicht nur für den Hubschrauberlandeplatz, der Ende 2013 fertig wurde, hat er hart gerungen. Dass „Christoph 40“ jetzt hier stationiert ist, war ein politischer Kampf. Einer von vielen, die Schmidtke gemeinsam mit der Politik geführt hat. Ein Klinikum dieser Größenordnung und mit dieser Bedeutung für ganz Schwaben braucht einen eigenen Rettungshubschrauber, ist er überzeugt, „schon aus Imagegründen“. Aber das ist fast eine eigene Geschichte wert.
Er will mehr sein als Sanierer
Als Alexander Schmidtke zunächst als Alleinvorstand in Augsburg antrat, eilte ihm der Ruf des Sanierers voraus. Als Geschäftsführer der katholischen St. Vinzenz Krankenhaus GmbH hatte er zuletzt das kriselnde Herz-Jesu-Krankenhaus in Fulda wieder auf Spur gebracht. Das Label „Sanierer“ passt, aber Schmidtke greift es zu kurz: „Es geht ja auch darum, Arbeitsplätze zu sichern und die Zukunft des Hauses zu entwickeln“, sagt der 53-Jährige: „In mir vereint sich beides – sanieren und modernisieren.“
Entsprechend lang war die Liste seiner Augsburger Aufgaben: Neben der wirtschaftlichen Konsolidierung – in den 28 Jahren zuvor hatte das 1 700-Betten-Haus allein rund 300 Millionen Euro an Betriebskostenverlusten angehäuft – stand da ein Masterplan für die Generalsanierung des mittlerweile mehr als 36 Jahre alten Haupthauses. Und dann war da noch die Vorgabe, das von Stadt und Landkreis getragene Krankenhaus für seine Umwandlung zur Uniklinik fit zu machen. Seit dem 1. Januar ist der Freistaat Bayern jetzt Herr im Haus, und die Münchner wollten keine roten Zahlen. Alles in allem war das „eine Mammutaufgabe“, betont Schmidtke – und im Gespräch wird klar, dass sie den 1,93-Meter-Mann auch ein wenig verändert hat. Doch dazu später mehr.
Am Anfang hatte er mit Gegenwind zu kämpfen
Die ersten Sanierungsschritte waren hart. Er hat alle laufenden Projekte eingefroren und auf Wirtschaftlichkeit geprüft. Über Jahre wegen Personalmangels gesperrte Betten wurden ohne zusätzliche Stellen geöffnet, Kosten im weißen Bereich wurden auf dem Niveau von 2009 budgetiert, und im nicht-medizinischen Bereich wurden durch Umstrukturierungen deutlich Stellen abgebaut. „So wurden die Erlöse überproportional zu den Kosten gesteigert“, erklärt Schmidtke. In seinem ersten Jahr sanken die Verluste von 18,4 auf 7,5 Millionen Euro, 2011 endete bereits mit einem Plus von einer Million Euro. „Die große Kunst ist aber, das auch zu halten“, sagt Schmidtke. Er hat Strukturen verändert, das Berichtswesen und die Steuerungsinstrumente verfeinert und gleichzeitig investiert. Medizinisch hat sich ebenfalls einiges getan. Doch das alles zusammen hat ihm auch gehörigen Gegenwind beschert. Der Widerstand im Haus war groß, nicht nur Chefärzte rebellierten immer wieder. Auch die Pflege, für die Ende November vergangenen Jahres nach langen Verhandlungen eine Entlastungsvereinbarung geschlossen wurde, protestierte häufig und lautstark.
Schmidtke – das Alphatier, wie er selbst sagt – hat es ausgehalten. Hat versucht, seine Ungeduld etwas zu zügeln, ist ab und an einen Schritt zurückgetreten, hat sich hinterfragt. „Früher habe ich immer gedacht, es muss doch jeder kapieren, dass einschneidende Maßnahmen nötig sind. Doch die Basis denkt eben anders. Die Kollegen haben ihre eigenen Nöte und einen anderen Leidensdruck.“ Der Chef hat viel zugehört, „respektvoll“, versichert er, ist Kompromisse eingegangen, hat akzeptiert, dass Dinge auch einmal etwas länger brauchen – „jedoch ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren“, das betont er mehrmals. Was er am besten kann? „Zuhören, Analysieren, Komplexität reduzieren und Entscheidungen treffen.“


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