
Herr Fischer, Sie beraten Unternehmen und Kliniken in Transformationsprozessen. In Ihrer Studie kommen Sie zu dem Ergebnis, dass der Umsetzungsstand der Krankenhausreform sehr heterogen ist. Erklären Sie uns dies bitte kurz und was Sie allen Kliniken raten?
Fischer: Wir haben festgestellt, dass die befragten Krankenhausmanager die Reform einhellig für notwendig erachten, weil diese an Herausforderungen und Problemen ansetzt, die wir ohnehin haben oder seit Jahren kommen sehen. Umso erstaunlicher ist, dass sich nach Einschätzung der Experten 25 Prozent der Kliniken noch gar nicht auf den Weg gemacht haben, die Reform umzusetzen. Immerhin die Hälfte der befragten Krankenhausmanager würden mit ihren Maßnahmen mittendrin stecken oder zumindest langsam in Gang kommen. Es ist keine kommunikative Neuheit, wenn ich den Kliniken rate, sich bereits in ruhigen Zeiten auf kritische anstehende Auseinandersetzungen vorzubereiten und die Kommunikation frühzeitig aktiv zu gestalten. Doch genau hier liegt die Krux. Denn den Willen dazu haben die Klinikmanager. Es fehlt ihnen nur oft an den entscheidenden politischen Grundlagen für die Kommunikation und klaren Positionen. Gerade bei öffentlichen Trägern – in der Regel dann Landkreise – kam in der anonymisierten Befragung heraus, dass die Manager die oft zurückhaltende Taktik und Kommunikation der Politiker beim Thema Umbau oder Neubau kritisieren und sich hier eine frühzeitige und klare Positionierung der Politik wünschen. Das ist auch aus kommunikativer Sicht unbedingt zu raten. Man muss transparent und frühzeitig die Notwendigkeit und die Konsequenzen der Maßnahmen, die vor Ort anstehen, kommunizieren. In der Regel steht eine bessere medizinische Versorgung der Region im Vordergrund der Trägerentscheidungen. Dies verständlich zu erklären und berechtigte Fragen zu beantworten, benötigt Zeit. Denn die Themen sind komplex und verursachen nachvollziehbare Sorgen. Bei allen kommunikativen Bemühungen sollte man sich immer auch bewusst machen, dass man nie alle Gegner von einem Vorhaben überzeugen wird.
Was wären für Sie erste Schritte, um einen anstehenden Transformationsprozess zu kommunizieren?
Brettschneider: Der erste kommunikative Schritt sollte in Richtung der Entscheidungsträger gehen. Denn dort brauchen die Klinikmanager und Träger Unterstützung für ihre Konzepte und auch für die frühzeitige Kommunikation dazu. Danach gilt es, die Stakeholder – und da nicht nur die organisierten, sondern auch die leisen in der Bevölkerung – zu identifizieren und dabei die interne Zielgruppe der Mitarbeitenden nicht zu vergessen. Dennoch gilt es auch herauszufinden, wie die Sichtweise der Bevölkerung vor Ort ist und welche Ängste sie hat. Hierzu können gut dialogorientierte Kommunikationsformate eingesetzt werden. Unbedingt beachten sollte man jedoch, dass die öffentliche Meinung, die laut artikuliert wird, nicht immer die Mehrheitsmeinung ist.
Zur Person

Prof. Frank Brettschneider ist seit April 2006 Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikation an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt u.a. die Kommunikation bei Bau- und Infrastrukturprojekten. Er hat bereits in der Vergangenheit mehrfach mit Johannes Fischer kooperiert und diesen bei Expertenbefragungen wissenschaftlich fundiert begleitet. Er plädiert dafür, Transformationsprojekte strategisch anzugehen und frühzeitig mit Kommunikationsmaßnahmen zu begleiten.
Haben Sie ein Beispiel eines Klinikums, das die Kommunikation gut gemacht hat und damit zum Erfolg kam?
Brettschneider: Ja, die Kliniken Ostalb haben mit ihrem „Zukunftskonzept“ hervorragend kommuniziert. Lange Zeit gab es seitens der Kreistagsmitglieder die Befürchtung, dass es für ein geplantes Zentralklinikum in der Bevölkerung keine Zustimmung gebe. Der Landrat hat dann Dialogforen und andere Formen der Bürgerbeteiligung genutzt wie zum Beispiel Bürgerforen, um die Transformationsmaßnahmen der Klinikstandorte der Bevölkerung nahezubringen und deren Meinung einzubeziehen. Der Kern der Bürgerforen, die im Rest der Republik Bürgerräte heißen, besteht darin, dass zufällig ausgewählte Menschen aus den Einwohnermelderegistern sich für Sitzungen zu einem Thema zusammenfinden und von Expertinnen und Experten beraten werden. Die Bürger geben dann nach vier bis fünf Treffen eine Empfehlung an die politischen Verantwortungsträger ab. Im Ostalbkreis war das Ergebnis, dass die Bürger der Politik geraten haben – mit Blick auf das Gemeinwohl – den Bau eines Zentralklinikums zu unterstützen. Übrigens: Bereits vor dem Bürgerforen trafen sich Interessenvertreter aus der Ärzteschaft, der Pflege und anderen Stakeholder-Gruppen, um eine Themenlandkarte für die Dialogforen zu erarbeiten. So war man bei den Veranstaltungen gut auf die Fragen und relevante Themen vorbereitet. Befürchtungen bezüglich zu langer Anfahrtswege bei einem Zentralklinikum oder die Sorge um den menschlichen Aspekt in einem großen Haus konnten daher gut fokussiert werden. Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Bürgerbeteiligung auf der Webseite hat zudem gezeigt, wie wichtig dem Träger war, die Bevölkerung einzubeziehen und transparent zu kommunizieren.
Fischer: Genau. Und ich möchte noch einmal herausstellen, dass es bei allem öffentlichen Druck wichtig ist, die Mitarbeitenden frühzeitig mitzunehmen und beispielsweise zu erklären, warum der Neubau und die Zusammenlegung der zukunftsfähigste Weg ist. Dies gilt vor allem dann, wenn mehrere Standorte – wie jüngst beim Klinikum Mittelbaden – zusammengelegt werden sollen. Eine wichtige Grundregel der Kommunikation lautet intern vor extern. Wenn die Mitarbeitenden als direkt Betroffene informiert sind, sollte man systematisch alle weiteren Zielgruppen informieren und in den Dialog gehen: Was ändert sich für die Patienten und ihre Angehörigen, die einweisenden Ärzte etc. Die breite Bevölkerung als Zielgruppe wird aus meiner Sicht oft zu stark priorisiert. Zwar gibt es gerade bei der Krankenhausreform ein großes öffentliches Interesse, aber die Mehrheit bleibt doch eher leise im Hintergrund, während wenige sehr laute Kritiker den Ton angeben. Man darf deshalb nicht enttäuscht zu sein, wenn sich an Bürgerbeteiligungsformaten nicht allzu viele beteiligen. Dennoch ist es sehr wichtig, umfangreiche und gut verständliche Informationen und auch Dialogmöglichkeiten anzubieten. Damit sich die in der Sache Interessierten ein Bild machen können und auch um Angriffsfläche zu reduzieren. Denn Kritiker führen gerne als Argument an, dass nicht oder nur unzureichend informiert wird.
Was hat Sie bei der Auswertung Ihrer Studie überrascht?
Fischer: Erstaunlich war, dass im geschützten anonymen Raum nahezu alle Klinikmanager das Zögern bei verantwortlichen politischen Entscheidungsträgern aus Angst vor Kritik und Widerstand kritisiert haben. Dabei könnte frühzeitige und zielgerichtete Kommunikation auch diesen helfen, mehr Sicherheit für die Entscheidung zu gewinnen. Die Vogel-Strauß-Taktik, also keine Fragen zulassen aus Angst vor Kritik, ist jedenfalls der denkbar schlechteste Weg, die Bevölkerung in den Transformationsprozess der Klinik mit einzubeziehen.
Zur Person

Johannes Fischer ist geschäftsführender Gesellschafter von Crunchtime Communications und Lehrbeauftragter für Krisenkommunikation an der Universität Hohenheim. Seine Schwerpunkte liegen in der Krisenkommunikation sowie der Kommunikation von Restrukturierungen und strategischen Veränderungen. Als CEO von Crunchtime hat er bereits mehrere Krankenhäuser und Unternehmen in ihrem Transformations-Prozess begleitet. Für die Studie „Krankenhaus-Radar 2025: Kommunikation als Erfolgsfaktor in der Transformation“ hat sich der Kommunikationsexperte einen wissenschaftlichen Kooperationspartner gesucht: die Universität Hohenheim.
Bei der Vorstellung der Ergebnisse haben Sie von einem Reformparadoxon gesprochen. Was haben Sie damit gemeint?
Fischer: Im Kontext der Studie haben wir mit Reformparadox gemeint, dass Kliniken wissen, was zu tun ist, aber dennoch zögern – aus verschiedenen Gründen, wie zum Beispiel fehlendem Rückhalt aus der Politik. Es gilt aber auch für die eben beschriebene Haltung, keine Kritik und keine Fragen zuzulassen, um sich der Wahrheit nicht stellen zu müssen. Man muss sich bewusst sein, dass diese – gerade – kritischen Fragen aber ohnehin in den Köpfen der Menschen sind. Es ist also eigentlich ein Geschenk, wenn sie diese äußern und man die Themen aufgreifen und bestenfalls entkräften kann, die die Menschen bewegen. Fakt ist: Werden diese Fragen nicht gestellt, liegt es in der Natur der Dinge, dass das Gehirn eher negative Antworten assoziiert und sich das Schlimmste ausmalt. So entsteht am Ende eine viel kritischere Wahrnehmung als man sie in einem offenen Dialog haben müsste. Das Paradoxon liegt also darin, dass man Angst hat vor der Kritik, diese nicht zulässt und damit die Situation nur noch schlimmer macht.
Einige Ihrer Studierenden haben sich den Fall des Zentralklinikums Baden-Baden/Rastatt angeschaut. Der Träger will hier die drei bestehenden Kliniken zusammenlegen und hat einen kompletten Neubau in der Gemarkung Rastatt beschlossen. Was ist hier kommunikativ spannend?
Brettschneider: Das Spannende ist in der Tat die kuriose Mischung von Gründen, warum die Menschen in Baden-Baden gegen den neuen Standort in Rastatt sind. Meine Studierenden haben dies untersucht und einer der genannten Gründe war beispielsweise, dass dann in der Geburtsurkunde als Geburtsort nicht mehr Baden-Baden steht, sondern Rastatt. Manchmal sind es sachliche Gründe, die zu Widerstand führen, manchmal aber auch sogenannte verborgene Gründe – wie dieser genannte. Wenn es dann zu einem Bürgerentscheid kommt, können unter Umständen eben diese verborgenen Gründe eine wichtige Rolle spielen. Daher ist es so wichtig, in einem vorangestellten guten Kommunikationsprozess den sachlichen Kern herauszuarbeiten und die Pro- und Contra-Argumente offenzulegen. Und seien wir ehrlich: Es gibt in keinem Transformationsprozess nur Pro-Argumente. Es gibt immer auch kritischere Sachverhalte, die man thematisieren sollte. In Baden-Baden ist die Sache am Ende gut ausgegangen.
Fischer: Ich weiß aber auch von einem Fall in Bayern (im Landkreis Weilheim-Schongau), wo durch einen Bürgerentscheid der Neubau eines Zentralklinikums verhindert wurde. Ich bin ein absoluter Verfechter, sich dem kritischen Dialog zu stellen und transparent die Entscheidungen zu erklären. Aber nicht mit dem Ziel, alle überzeugen zu wollen. Denn das schaffen Sie sowieso nicht. Die Einschnitte am Anfang sind hart, die persönlichen Betroffenheit ist groß und die Erfolge stellen sich erst zeitverzögert ein. Ein Transformationsprozess in der Kliniklandschaft kann kein basisdemokratischer Prozess sein. Daher gilt es, kritische Stimmen zuzulassen, sie zu entkräften, aber am Ende auch zu wissen, dass man nicht alle überzeugen kann. Dennoch wird man im Laufe des Kommunikationsprozesses merken, dass man als Träger und als Klinikmanagement meinungsbildend mitgestalten kann. Und das ist mein Credo an alle: Die Meinungsbildung nicht anderen überlassen, sondern diese aktiv in die eigene Hand nehmen, indem man von Anfang an aktiv und klar kommuniziert. Am Beispiel des Klinikums Mittelbaden sieht man auch sehr schön, wie der Träger des Klinikums Verantwortung übernimmt und den Fake-News der Gegenseite keinen Raum gelassen und diese sofort entkräftet hat.
Eine letzte Frage: Was wünschen Sie sich von der Krankenhausreform und dem Transformationsfonds?
Brettschneider: Die Mittelverwendung aus dem Transformationsfonds ist doch stark auf bauliche Maßnahmen fokussiert. Aus meiner Sicht müssten aus dem Fonds auch kommunikative Maßnahmen förderbar sein. Denn gute Kommunikation ist im Krankenhaustransformationsprozess kein Nice-to-have, sondern eine Erfolgsvoraussetzung. Ohne die notwendige Akzeptanz und Unterstützung – und die erreicht man vor allem mit Kommunikation – scheitert auch das beste Transformationsprojekt. Das kann man nicht nebenbei machen, die Kosten dafür müssen ebenfalls abbildbar für die Kliniken sein. Kommunikation ist ein strategischer Erfolgsfaktor, der mir zu stiefmütterlich behandelt wird. Hier hat der Gesetzgeber jetzt vielleicht auch noch die Möglichkeit in der Überarbeitung der Reform, diese Chance nicht einfach zu vertun und stattdessen für die Notwendigkeit von Kommunikation und Change Management zu sensibilisieren.






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