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KrankenhaussanierungWie sag‘ ich es? Richtig kommunizieren in der Insolvenz

Bei einer Klinikinsolvenz ist die Kommunikation ein entscheidender Faktor. Welchen Herausforderungen müssen sich Sanierer und Geschäftsführer stellen? Woran können sie sich orientieren? Zwei Expertinnen beschreiben die Fallen – und Wege, sie zu umgehen.

Kommunikation
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Abwandernde Fachkräfte, ausbleibende Patienten und zu wenig Zuweisungen von den Niedergelassenen: Brandbeschleuniger bei einer Klinikinsolvenz gibt es ebenso viele wie Stakeholder im Gesundheitswesen. Übergeordnetes Ziel der Sanierungskommunikation ist daher, den medialen und öffentlichen Informationsinteressen Rechnung zu tragen, Sorgen der Mitarbeiter über mögliche Jobverluste zu begegnen und Patienten Ängste vor Versorgungslücken zu nehmen.

Eine gut strukturierte Kommunikation unterstützt den rechtlichen Prozess, indem sie Verständnis schafft und Vertrauen erhält. Damit der angestrebte Restrukturierungserfolg nicht an Vorbehalten scheitert, setzt gute Sanierungskommunikation frühzeitig mit der strategischen Planung und Umsetzung von Maßnahmen an – und berücksichtigt dabei die folgenden vier Grundsätze:

1. Informationsbedürfnisse analysieren und Risiken vorbeugen

Ein frühzeitiges Festlegen von Reihenfolge und Umfang der Informationskette spart später nicht nur Zeit, sondern beugt im besten Fall Krisenherden vor. Nicht ohne Grund zeigt die Kompassnadel der Krisenkommunikation stets von innen nach außen.

Wie detailliert und abgeschichtet an verschiedene Stakeholder heranzutreten ist, hängt vom Einzelfall ab. So ist die proaktive wie auch reaktive Ansprache von mehreren Faktoren bedingt, wie beispielsweise der internen Hierarchie, der politischen Lage oder der infrastrukturellen Umgebung vor Ort.

Die Erfahrung zeigt, dass beispielsweise Patienten strukturschwacher Regionen aus Angst vor Versorgungslücken besonders empfindlich auf Sanierungen reagieren. Entsprechend umfassend muss die kommunikative Strategie auf die Versicherung eines langfristig geplanten Leistungsportfolios zielen.

In einer städtischen Umgebung mit gutem Versorgungsnetz kann zwar in Richtung der Patienten eine regelmäßig geupdatete Webseite genügen, hier verlagern sich die Informationsbedürfnisse jedoch regelmäßig, wie beispielsweise auf wirtschaftlich relevante Einweiser, die sich in Ballungsgebieten ihre Kooperationspartner quasi aussuchen können.

Marlen Fasold ist Diplom-Juristin und zertifizierte Litigation-PR-Managerin. Als Beraterin verantwortet sie bei der Consilium Rechtskommunikation GmbH überwiegend die kommunikative und strategische Beratung von Unternehmen in Insolvenz- oder Wirtschaftsstrafverfahren. Im Bereich der Sanierungskommunikation und Healthcare-Themen blickt sie auf eine mehrjährige Erfahrung und zahlreiche erfolgreich abgeschlossene und kommunizierte Krankenhaussanierungen zurück.

Daria Gladkov ist Diplom-Juristin und spezialisiert auf die Begleitung von Insolvenz- und Wirtschaftsverfahren in Form von konzeptioneller Entwicklung und Umsetzung von Kommunikationsstrategien. Bei der Consilium Rechtskommunikation GmbH berät sie in- und ausländische Unternehmen. Dabei bildet ihre Expertise im Bereich des Reputationsschutzes von Gesundheitseinrichtungen in Insolvenzverfahren einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit.

2. Abstimmungsrunden und Informationsrhythmus frühzeitig festlegen

Die Regionalzeitung stellt eine umfangreiche Presseanfrage mit knapper Frist, bei der OP-Pflege brodelt die Gerüchteküche, und die Leiharbeitsfirmen drohen aus Angst vor unbezahlten Rechnungen, ihre Zeitarbeitskräfte abzuziehen: Der Zeitdruck im Sanierungsprozess ist hoch, das kommunikative Zeitfenster knapp.

Wer vorher die Zusammensetzung und das Vorgehen von Abstimmungsrunden genau festgelegt hat, spart Zeit sowie Nerven und senkt das Risiko, dass im Eifer des Gefechts doch jemand im Mail-Verteiler vergessen wird oder andersherum fälschlicherweise jemand darin landet, für den die Information nicht vorgesehen war.

Zur strukturierten Planung des Kommunikationsflusses ist das Aufsetzen eines Redaktionsplans ratsam. Innerhalb dessen können entlang der rechtlichen Phasen und Meilensteine des Verfahrens (von Antragstellung über Verfahrenseröffnung und Abstimmung der Gläubigerversammlung bis hin zur Verfahrensaufhebung) kommunikative Maßnahmen abgeleitet und vorbereitet werden. Durch das Etablieren von Kommunikationsrhythmen nimmt das insolvente Unternehmen eine aktive Rolle ein und kann im besten Fall Informationshoheit erlangen. 

3. Botschaften klar und verständlich formulieren

Gerade im Umfeld hochkomplexer Verfahren sind juristischer oder medizinischer Fachjargon überall da zu vermeiden, wo möglich. Es gilt, die wesentlichen Inhalte zielgruppengerecht und schlüssig aufzuarbeiten. So können Missverständnisse vermieden und ein reibungsloser Sanierungsprozess umfassend sichergestellt werden.

Restrukturierungen sind regelmäßig emotional besetzt. Um mit den eigenen Botschaften bei der Zielgruppe durchzudringen und diese zu festigen, müssen sie einfach verständlich sein. Es lohnt sich, die Kerninhalte der eigenen Story kritisch zu betrachten und auf eine Handvoll zentraler Aussagen zu reduzieren. In diesem Zusammenhang müssen auch die Kommunikationskanäle klar ausgemacht werden.

4. Klinikalltag außerhalb der Sanierung in Kommunikationsstrategie einbeziehen

Kliniken haben in Sanierungsverfahren im Vergleich zu anderen Branchen einen großen Vorteil: Ihr Geschäftsbetrieb läuft beinahe ausnahmslos unverändert und vollumfänglich weiter. In der Folge hat die Klinik auch unabhängig von der Restrukturierung zahlreiche medizinische und menschliche Geschichten zu erzählen.

Welche davon geeignet sind, einen Veränderungsprozess mit positiven Botschaften zu stützen, bedarf einer sorgfältigen Analyse und Gesamtschau im Lichte der Sanierungsentwicklungen sowie Interessen der maßgeblich beteiligten Akteure.

Krankenhäuser, die auch in der Insolvenzphase weiter ihre üblichen Kanäle mit Inhalten aus dem regulären Alltag füllen, unterstreichen in der Innen- sowie Außenansicht die positive Botschaft des weiterlaufenden Betriebs. Eine erfolgreich ab- und ausgewogene Sanierungskommunikation im Klinikumfeld schafft es, das negative Stigma eines Insolvenzverfahrens in einen zumindest akzeptierten Change-Prozess zu wandeln und die guten Seiten der Veränderungsstrategie zu erzählen.

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Vier kommunikative Fehltritte, die den Sanierungserfolg kosten können

Eine strategische Sanierungskommunikation ist sich einer Gefahr immer bewusst: Was mit großem Aufwand und viel Energie aufgebaut wurde, kann mit einer unbedachten Aktion ungleich schneller wieder zunichte gemacht werden. Wer wichtige Don'ts im Blick hat, baut dem vor – und vermeidet tunlichst die folgenden vier Fehltritte:

1. Belegschaft außen vor lassen

Die Mitarbeiter aktiv einzubeziehen, ist ein Schlüsselelement eines erfolgreichen Sanierungsprozesses. Denn ohne das fortwährende Engagement von Mitarbeitern ist eine Fortführung des Klinikbetriebes nicht möglich. Darüber hinaus agieren Mitarbeiter als Bindeglied zwischen dem Krankenhaus und dessen Patienten auch als ein wichtiges Sprachrohr nach außen.

Aus diesem Grund ist es von erheblicher Bedeutung, dass sie umfassend in bevorstehende und geplante Veränderungen im Behandlungsablauf und in den Arbeitsprozessen einbezogen werden. Ihr tiefes Verständnis für die Abläufe und ihre direkte Interaktion mit den Patienten machen sie zu einem wertvollen Kanal für die Weitergabe von Informationen und Erklärungen zu den Veränderungen.

Werden Informationen zurückgehalten oder unklar kommuniziert, sind Misstrauen und Spekulationen unter den Mitarbeitern, Patienten und in der Öffentlichkeit vorprogrammiert. Dies kann grundlegend Unruhe und Spannungen erzeugen – mit weitreichenden Folgen, die eine Sanierung erheblich erschweren.

Die Consilium Rechtskommunikation GmbH ist eine Unternehmensberatung für Krisenkommunikation und -management. Das Haus ist darauf spezialisiert, Unternehmen in Sanierungs- und Restrukturierungsprozessen umfassend strategisch und kommunikativ zu unterstützen. Consilium ist die einzige Kommunikationsberatung in Deutschland, für die ausschließlich Juristen tätig sind – die Medienerfahrungen mit Rechts-Know-how verbinden. Mit dem Fokus auf die gesundheitspolitischen Entwicklungen begleitete Consilium in den vergangenen fünf Jahren mehr als ein Dutzend Sanierungsverfahren von Klinikverbünden und Krankenhäusern kommunikativ.

2. Sanierungskommunikation nebenbei führen

Häufig begegnet man der Vorstellung, dass sich die Kommunikation zum Operativen „nebenher“ managen lässt. Doch Krisenzeiten benötigen eine kommunikative Handhabe mit maximaler Weitsicht und noch sensiblerem Fingerspitzengefühl – insbesondere dann, wenn emotional behaftete Themen mit im Spiel sind. Verkennen Entscheider die Auswirkungen einer Krise, können die Konsequenzen schwer wiegen.

Kommt beispielsweise das Sanierungsgutachten eines Krankenhauses zu dem Schluss, dass die Geburtshilfe nicht mehr wirtschaftlich zu führen ist, sind die Auswirkungen hochemotional. Eine nüchtern ökonomische Beschlussfassung ist vorherbestimmt, öffentlich hohe Wellen zu schlagen.

Mit einer frühzeitigen kommunikativen Vorbereitung des Szenarios kann das Eskalationsniveau möglichst gedeckelt werden. Dagegen bedarf es deutlich größerer Anstrengungen, die Lage beispielsweise nach Ankündigungen von Protesten, Menschenketten und Kundgebungen wieder einzufangen. Im schlimmsten Fall beschattet ein entsprechendes Thema noch lange die Erfolge für Wirtschaftlichkeit und Versorgungskonzept, welche mit der Sanierung erreicht wurden.

3. Nur auf die eigene Strategie fokussieren

Damit die angestrebte Sanierung nicht am mangelnden Vertrauen oder dem Gefühl des „Nicht-richtig-informiert-Seins“ scheitert, setzt gute Sanierungskommunikation frühzeitig mit der strategischen Planung und Umsetzung von Kommunikationsmaßnahmen an. Trotz konstanter und gründlicher Vorbereitung sind immer wieder überraschende Entwicklungen einzukalkulieren, denn im Rahmen einer Kliniksanierung gibt es außerhalb des Unternehmens Protagonisten mit eigener Agenda.

Kommunikative Alleingänge politisch getriebener Investoren oder enttäuschte Emotionen von Geschäftspartnern sind in einer umsichtigen Kommunikationsstrategie vorzubereiten, indem beispielsweise reaktive Sprachregelungen zu möglichen Ablaufszenarien bereits vor deren Eintritt analysiert und erarbeitet werden. So wird die Überraschungskomponente von außen abgefedert und die eigene Sprechfähigkeit sichergestellt.

Mehr zum Thema Insolvenzen lesen Sie in der aktuellen kma Ausgabe – in der ausführlichen Titelstrecke „Fester Grund in Sicht“. Hier hat kma unter anderem mit den St. Vincenz-Kliniken darüber gesprochen, wie aus einem unternehmerischen Tiefpunkt ein erfolgreicher Neustart wird.

Die Ausgabe finden Sie zum Download bei Thieme Connect (kostenlos für Abonnenten) .

4. Negative Themen unter den Tisch kehren

Es gilt, Mitarbeiter, Investoren, Politik, Gläubiger, Patienten und Co. bei der Stange zu halten: Ein häufiger Fehler in der Sanierungskommunikation ist, die Sanierung als Heilsbringer für allerlei Herausforderungen anzupreisen. Tatsächlich ist jede Transformation mit schmerzhaften Einschnitten verbunden.

Wer diese frühzeitig, proaktiv und transparent erläutert, schützt den Sanierungserfolg nicht nur vor wachsendem Unmut, sondern kann eine positive Stimmung des Aufbruchs und Zusammenhalts fördern. Loyalität und starke Gefühle von Zusammengehörigkeit sind in Krankenhausbelegschaften nicht zu unterschätzende Faktoren bei der kommunikativen Sanierungsstrategie.

Mit der richtigen Kommunikationsstrategie kann es gelingen, alle Player mit an Bord zu behalten.

Fazit: Bei der Gestaltung einer begleitenden Sanierungskommunikation sind die Auswirkungen und die Effekte in jeder Couleur vertreten und vorstellbar. Für einen wirkungsvollen und erfolgreichen Auftritt einer Geschäftsführung im Krisenmanagement ist es für die betroffene Krankenhausgesellschaft unverzichtbar, sich im Vorfeld mit den Konsequenzen und der öffentlichen Wirkung eines Sanierungsverfahrens auseinanderzusetzen.

Experten in der Sanierungskommunikation können dabei unterstützen, die richtigen zielgerichteten Botschaften zu finden und den passenden Ton für jede Stakeholder-Gruppe individuell zu treffen. Denn klar ist: Ist das Vertrauen einmal verspielt worden, ist der Wiederaufbau der Geschäfts- oder Mitarbeiterbeziehung mit langwierigen Herausforderungen und nicht absehbaren Erfolgsaussichten verbunden.

Verständnis und Veränderungsbereitschaft benötigen Zeit und einen offenen Austausch, der, einmal unterschätzt, das Risiko birgt, den gesamten Sanierungserfolg infrage zu stellen. Mit der richtigen Kommunikationsstrategie kann es gelingen, alle Player mit an Bord zu behalten und gemeinsam mit einem gestärkten Unternehmensgeist aus einer Krise erfolgreich hervorzugehen.

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