Mit Fingerspitzengefühl verändern
Die Ausschreibung ihrer Stelle war eine klare Botschaft: Sie meinen es ernst mit dem umweltfreundlichen Krankenhaus, das schon im Schaukasten am Zaun neben dem Haupteingang beschworen wird. Mit Strützke hat das Klima in der Klinik ein weiteres Gesicht bekommen. War das Thema „lange Zeit vor allem von der Technik und der Technikabteilung getrieben“, wie Matthias Albrecht es formuliert, trägt die zweifache Mutter es in die Breite.
Die 34-Jährige, die seit 2013 im Haus ist, arbeitet neben ihren „Klima-Tagen“ weiter auf der Intensivstation. Ihre Stelle wurde geteilt, den „Klima-Anteil“ leistet sich das Haus aus Überzeugung. Wie Albrecht, der Kinderarzt ist, kennt Strützke den Stationsalltag. Sie will mit Fingerspitzengefühl verändern, und die wachsende Zahl der E-Mails, in denen Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus eigene Ideen und Vorschläge formulieren, gibt ihr Recht.
Wir wollen ganz viel, aber Klimaschutz ist kein Thema, das sich schnell umsetzen lässt.
Wenn sich das Klimateam einmal pro Monat trifft, ist trotzdem vor allem eine Eigenschaft unverzichtbar: die Geduld. Erst vor kurzem wurde sie wieder belohnt. Jahre hat es gedauert, bis das Krankenhaus den Mitarbeitenden ein Fahrradleasing anbieten konnte – weil der Tarifvertrag dagegensprach, Teile des Entgelts zur Finanzierung eines Dienstrades oder E-Bikes zu verwenden. Jetzt wird das bald über den Anbieter Jobrad möglich sein.
Matthias Albrecht schüttelt den Kopf, wenn er an den langwierigen Prozess zurückdenkt: „Eigentlich unglaublich.“ Zumal ein Indikator unmissverständlich zeigt, wie relevant das Thema Mobilität ist: Die Zahl der Fahrradständer auf dem Klinikgelände wächst konstant, und – zumindest in den wärmeren Monaten – stoßen sie bereits wieder an ihre Grenzen. Womöglich auch, weil die Klinik jedes Jahr an der AOK-Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“ teilnimmt und dabei intern zusätzliche Preise verlost.
Viele Projekte gleichzeitig
Laura-Marie Strützke sieht es gelassen. „Wir wollen ganz viel, aber Klimaschutz ist kein Thema, das sich schnell umsetzen lässt“ – das hat sie in ihrer neuen Position schnell gelernt und ihre Ungeduld in Beharrlichkeit umgewandelt. Zusammen mit Albrecht wird sie nicht müde, sich für ihr Herzensthema einzusetzen. Deshalb halten sie diverse Bälle gleichzeitig in der Luft, stoßen vieles an, beteiligen sich an Forschungsvorhaben, sammeln Ideen und schreiben Projekte aus. Wenn es an einer Ecke mal wieder stockt, gibt es genug andere, an denen sie weitermachen können.
Da ist zum Beispiel die Umstellung der Beleuchtung auf die sparsamere LED-Variante. Auf den ersten Stationen hat sich gezeigt, dass sich das deutlich schneller rechnet als erwartet – was auch interne Zweifler überzeugte. „Wir sind ja Zahlen getrieben“, sagt Albrecht und muss schmunzeln. Auch die Verpflegung steht auf der Agenda, das Catering für interne Veranstaltungen zum Beispiel erfolgt bereits ausschließlich vegetarisch. So gehen sie gerne vor – sie machen einfach, fangen an, „ohne vorher nur an mögliche Komplikationen zu denken“, betont Strützke. So will sie auch die Mülltrennung verbessern und die Abfallmenge insgesamt reduzieren. Gerade das hohe Plastikaufkommen ist ihr ein Dorn im Auge, genauso wie die große Menge an Einwegprodukten.
Partner für die Forschung
An einer anderen Stelle stößt selbst einer wie Matthias Albrecht an seine Grenzen. Wenn es um eine klimafreundliche Nachrüstung im Bestandsbau geht, ist oft wenig möglich. Das beeindruckende alte Verwaltungsgebäude etwa „wird nie ein Niedrigenergiehaus werden“, sagt er. Dafür konnten Gebäudeteile, die starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, 2020 zumindest mit Sonnenschutzfolien ausgestattet werden, die zur passiven Kühlung beitragen. Und wo immer neu gebaut wird, werden von vornherein Klimadecken eingeplant. Bei einem erklärten Lieblingsthema ist Albrecht schon weiter: dem Recycling von Narkosegas. Im OP-Bereich des EKH läuft ein Pilotprojekt, um ausgeatmete Narkosegase aufzufangen, aufzubereiten und erneut einzusetzen. Bewährt sich das Verfahren, wäre das ein Meilenstein, ist Albrecht überzeugt.
Ein anderes Forschungsprojekt, in dem das EKH ebenfalls Partner ist, untersucht, wie Sekundärprozesse im Krankenhaus klimaneutral gestaltet werden können – der Gebäudebetrieb zum Beispiel, Logistik, Einkauf und die Apothekendienste. Dieses Projekt „KlinKe“ der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin läuft bis August 2024 und ist für Strützke und Albrecht ein weiteres Puzzleteil auf ihrem Weg. Das Klimamanagement werde schon bald noch mehr Ressourcen binden, ist der Klinikchef überzeugt, nicht nur weil sich das Berichtswesen ausweiten werde. Umso mehr wünscht er sich, dass die Krankenhausfinanzierung dem Rechnung trägt: „Bislang gibt es keinen Bonus für unser Bemühen, aber genau das könnte helfen, andere zu überzeugen, sich ebenfalls zu bemühen.“
Die Patienten jedenfalls nehmen das bisherige Engagement zumeist positiv wahr. Auch ihre Einstellung habe sich in den vergangenen Jahren verändert, sagt Albrecht: „Früher wollten die meisten am liebsten nur kurz gemähten Rasen im Park“ – heute mögen sie das Wilde unter seinem Bürofenster.
Erfolgreich umgesetzte Sparmaßnahmen
Strom:
Der Verbrauch wurde seit 1998 von rund 4,8 Millionen Kilowattstunden im Jahr (kWh/a) um fast 50 Prozent auf rund 2,8 Mio. kWh/a reduziert.
CO2:
Der CO2-Ausstoß wurde seit 2000 um mehr als 40 Prozent gesenkt.
Trinkwasser:
Durch den Regenwassertank werden pro Jahr rund 1000 Kubikmeter (100 000 Liter) Trinkwasser eingespart – über die Laufzeit insgesamt bereits rund 10 000 Kubikmeter (eine Million Liter).
Pumpenoptimierung:
Durch die Maßnahme im Jahr 2021 sank der Verbrauch von 132 000 kWh auf jetzt 39 000 kWh (rund zwei Drittel Energieeinsparung). Die prognostizierte Einsparung wurde sogar deutlich übertroffen.
Absorptionskältemaschine:
Die im Sommer 2020 in Betrieb genommene Anlage hat dazu geführt, dass sich der Gesamtstromverbrauch für die Kälteerzeugung (inkl. Kühlturm) von rund 220 000 kWh pro Jahr um mehr als 50 Prozent auf rund 100 000 kWh/a reduziert hat.
Die Absorptionskältemaschine nutzt die im Sommer im BHKW anfallende überschüssige Wärme zur Kälteerzeugung und ersetzt bis zu Außentemperaturen von etwa 25 Grad Celsius den Betrieb der elektrisch angetriebenen Kompressionskältemaschine nahezu vollständig. Nur bei höheren Außentemperaturen werden beide Kältemaschinen benötigt, da dann die Abwärme aus dem BHKW nicht mehr ausreicht, um den gesamten Kältebedarf zu decken.





Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen