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kma im InterviewÜber Unklarheiten und Grauzonen beim barrierefreien Bauen

Moderne Krankenhäuser sollen barrierefrei sein: Menschen im Rollstuhl oder Blinde sollen sich in ihnen ohne fremde Hilfe orientieren und fortbewegen können. Ein umfangreiches Regelwerk listet die Vorgaben auf, die Bauherren erfüllen müssen – und Heerscharen von Sachverständigen versuchen sich an der Interpretation. kma spricht darüber mit dem Architekten Rainer Krämer.

Medizin Foto Köln
Rainer Krämer ist Architekt und Projektleiter bei Medfacilities, einem Tochterunternehmen des Uniklinikums Köln. In seiner Funktion überwacht und steuert Rainer Krämer unter anderem die Umsetzung von gesetzlichen Anforderungen zur Barrierefreiheit bei Bauprojekten des UK Köln.

Herr Krämer, welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Vorgaben für barrierefreies Bauen im Krankenhaus?

Generell regelt eine Vielzahl von Richt­linien und Verordnungen das Bauen im öffentlichen Raum. Das Thema Barrierefreiheit wird zunächst in Landes-Bau­ordnungen geregelt. Die Inhalte der Bauordnungen können sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Das wichtigste Regelwerk in diesem Zusammenhang ist aber die DIN 18040, die inzwischen in beinahe allen Bundesländern verbindlich eingeführt ist. Diese DIN-Norm formuliert bis ins Detail die Vorgaben für Barriere­freiheit und muss in diesen Bundesländern bei allen Neubauten für die öffentliche Nutzung umgesetzt werden.

Welches Prinzip liegt ihr zu Grunde?

Die wichtigste Forderung der DIN 18040 lautet: ‚Erreichbarkeit für alle.‘ Menschen mit Behinderungen sollen sich selbständig und ohne fremde Hilfe zurechtfinden können. Das bedeutet den Abbau von Hindernissen für Gehbehinderte in Form von Aufzügen und Rampen ebenso wie Orientierungshilfen für Menschen mit Sinneseinschränkungen. Geht es nur um Neu- oder auch um Umbauten und Sanierungen? DIN 18040 behandelt grundsätzlich beides. Bei Umbauten gilt allerdings das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Hier hat das Bau-Aufsichtsamt als genehmigende Behörde Ermessensspielräume.

Was bedeutet das in der Praxis?

Das heißt zumindest, dass es oft Unklarheiten und Grauzonen gibt. Die Notwendigkeit, Bauvorschriften zu interpretieren und auf das konkrete Bauvorhaben zu übertragen, zwingt die Bauherren immer häufiger dazu, umfangreiche Gutachten in Auftrag zu geben. Auslegungsspiel­räume bringen es außerdem mit sich, dass sich die Einschätzung ändern kann, wenn die zuständige Person in der Genehmigungsbehörde wechselt. Bei komplexen Bauvorhaben, die von der Planung bis zur Schlüsselübergabe mehrere Jahre dauern, kommt das nicht selten vor.

Krankenhäuser haben es außerdem oft mit einer Mischung aus alter und neuer Bausubstanz zu tun. Gebäude unterschiedlichen Alters sind miteinander verwoben und durch Anbauten miteinander verbunden. Das macht die Beurteilung noch schwieriger. Bei der Sanierung von Teilflächen muss teilweise ein unverhältnismäßig großer Aufwand getrieben werden, der die Baukosten nach oben treibt.

Was bedeutet das für Ihren Alltag als Architekt?

Der Grad an Komplexität nimmt ständig zu. Es gibt tausende von Verordnungen und technischen Richtlinien. Das kann ein Einzelner gar nicht mehr überblicken. Im Bereich des Krankenhausbaus ist man inzwischen gezwungen, für eine Vielzahl von Themen Sachverständige zu beschäftigen, die die umfangreichen technischen und rechtlichen Planungsgrundlagen inter­pretieren und ordnen. Sind die Vorschriften in Sachen Barriere­freiheit kongruent und für alle Behindertengruppen gleich wichtig und hilfreich? Auch in diesem Punkt gibt es leider Wider­sprüche.

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