
Wissen ist Macht und angesichts des vorherrschenden Personalmangels aus ökonomischer Sicht auch ein entscheidender Produktionsfaktor im Gesundheitswesen. Gleichzeitig sinkt die Halbwertszeit unseres Wissens immer stärker. Ein Grund dafür ist der technische Fortschritt, der ständig neues Wissen generiert und Beschäftigten gleichzeitig abverlangt, sich permanent auf dem aktuellen Stand zu halten. Wissen als Produktionsfaktor erfordert also eine Verankerung und Verteilung innerhalb der Organisation!
Ist eine Gruppe abhängig vom Wissen eines Individuums, können Unternehmen abhängig von einzelnen Wissensträgern und deren Interessen werden. Ziel sollte es deshalb sein, Wissen bedarfsgerecht organisationsweit zur Verfügung zu stellen. Elementar ist ebenfalls die Bereitstellung von Gruppenwissen, bestehend aus den einzelnen expliziten Wissensträgern sowie dem impliziten Organisationswissen. So können Problemlösungskompetenzen und Zusammenarbeit in Kliniken weiterentwickelt werden, die zum nachhaltigen Erfolg beitragen. Denn Wissen ist die einzige Ressource, die sich vermehrt, wenn man sie teilt.
Vernetzung durch Wissen
Wissensmanagement lässt sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Im Folgenden fokussieren wir uns auf fachliches Wissensmanagement, strukturiert nach dem Münchner Modell von Reinmann und Mandl. Das Münchner Modell teilt Wissen in objektorientiertes (statisches) und prozessorientiertes (dynamisches) Wissen ein.
Wissen kann viele Variationen und Zustände annehmen. Grundlegend bedeutet Wissen die „Vernetzung von einzelnen Informationen”. Wissensmanagement ist folglich der bewusste Prozess, die Ressource Wissen effektiv und effizient in vier Schritten zu behandeln:
- Identifizierung (Wie wird Wissen entdeckt?)
- Erfassen (Wie wird Wissen gespeichert?)
- Teilen (Wie wird es verbreitet und wie kann man darauf zugreifen?)
- Messen und Aktualisieren (Wie relevant ist es und wie oft wird darauf zugegriffen?)
Im Krankenhaus wird diese Aufgabe zumeist dem Bereich Qualitätsmanagement zugeordnet, gelegentlich auch dem Bereich Personalentwicklung. Angesichts seiner Bedeutung sollte der wichtigste ökonomische Produktionsfaktor Chefsache sein.
Technologie fördert Wissensmanagement
Technologie-gestützte Wissensmanagement-Systeme (sogenannte Knowledge Management Systeme) sind das Mittel der Wahl und weit verbreitet im Gesundheitswesen. Hier werden üblicherweise zertifizierungspflichtige SOPs (Standard Operating Procedures/Verfahrensstandards) und Vorlagen systematisch in „gelenkten Dokumenten” gespeichert, die einer regelmäßigen Prüfung und Aktualisierung bedürfen. Diese Systeme können eine Vielzahl an objektorientiertem Wissen speichern und werden in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Je größer die Wissensanforderungen werden, desto schneller wird auf skalierbare Datenbanken zurückgegriffen.
Doch mehr ist im Wissenskontext nicht immer tatsächlich mehr. Diese vor Wissen strotzenden Systeme bergen jedoch auch das Risiko, Mitarbeitende nicht zu erreichen und somit zu einem „Dokumenten-Friedhof” zu werden. Und sind Sie sich sicher, dass Ihre Kollegen und Team-Mitglieder tatsächlich wissen, wie und wo sie sich zu konkreten Fragestellungen informieren können? Zu häufig fehlt es im Alltag dann nämlich doch an prozessorientiertem Wissen. Alles Gründe, um der Disziplin Wissensmanagement in Zukunft einen noch höheren Stellenwert einzuräumen. Denn Wissensmanagement umfasst weit mehr als die digitale Speicherung von Richt- und Leitlinien, Behandlungsplänen und SOPs. Dieses statische Wissen ist jedoch die wichtigste Grundlage, damit dynamisches Organisationswissen „in den Köpfen“ überhaupt entstehen kann.
Organisationen, die die Vorteile eines aktiven Wissensmanagements voll ausschöpfen, sind besser in der Lage, schnell auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren, ihren Kunden bzw. Patienten bessere (Dienst-) Leistungen anzubieten und ihre Innovationskraft und Effizienz zu steigern.
Personal verlangt neue Formate
Die wertvollste Ressource eines Krankenhauses sind die Wissensträger, also das Personal. Das war schon immer so, und wird auch immer so bleiben! Deshalb rückt das Wissensmanagement als übergeordnete Meta-Aufgabe für eine gut funktionierende Organisation immer mehr von einer Neben-Disziplin in den Mittelpunkt der Strategie eines Krankenhauses.
Aktivitäten für externen Wissenserwerb und interne Wissensentwicklung sind eng verzahnt und fördern die Wissenskultur innerhalb einer Organisation. Für mehr Wissenskultur müssen nicht exklusive „Coffee-Lounges” nach den US-Tech-Vorbildern errichtet werden. Es eignen sich auch sämtliche Aktivitäten, die zu festen Ritualen werden. Zum Beispiel Journal Clubs, Fallbesprechungen, Tumorkonferenzen, Norm-Fortbildungen, Praxisanleitung, Onboarding-Tage usw. Alle Berufsgruppen im Krankenhaus profitieren von Fort- und Weiterbildung, sowohl in organisierten Schulungen als auch im informellen Austausch. In Zukunft werden hier weitere innovative Formate entstehen. All diese Rituale fördern sowohl objekt- als auch prozessorientiertes Wissen.
Medizinisches Handeln entwickelt sich immer mehr zu einer wissensintensiven Dienstleistung in einer Informationsgesellschaft. Die Menge an verfügbarem Wissen nimmt nicht nur auf der Patienten-, sondern auch auf der Personalseite stetig zu. Einerseits werden wir dank Digitalisierung und Internet mit Informationen überflutet, andererseits finden wir nicht, was wir suchen. Die Herausforderung für Klinikpersonal ist also nicht mehr nur, möglichst viel Wissen zu erwerben, sondern dieses zeitgerecht zu filtern und anzuwenden. Das sind hohe Anforderungen an ein IT-gestütztes Wissensmanagement-System. Aber die Mühe lohnt sich, denn medizinisches Fachpersonal arbeitet am besten, wenn Wissen über Kranken- und Patientenversorgung interdisziplinär ausgetauscht wird. Dieser Austausch verbessert die Koordination zwischen allen Beteiligten und reduziert das Fehlerrisiko.
Fazit
Wissen hat für eine gute medizinische Versorgung einen hohen Stellenwert. Das Hauptziel des Wissensmanagements besteht darin, die Effizienz einer Organisation zu verbessern und Wissen innerhalb des Unternehmens zu sichern. Verabschieden Sie sich dabei von der Maxime alles Wissen bewahren zu wollen. Es bedarf es einer Selektion entlang definierter Regeln.
Folgende drei Regeln können Sie bei der Auswahl unterstützen:
- Bewahren Sie nur Wissen, das auch für Kollegen relevant ist.
- Dokumentieren Sie Erfolge und Erfolgsfaktoren.
- Es sollte klar sein, wo das Wissen gespeichert wird (Wissensorte und -medien).
Wissensmanagement im stark wettbewerbsgeprägten Krankenhausmarkt ist wichtig, weil es die Effizienz der Entscheidungsfähigkeit einer Organisation steigert. Deshalb bedarf es etablierter Rituale und neuer Formate, die für eine gesunde Wissenskultur sorgen.





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