
Mia kann ihre Botschaft leider nicht persönlich an den Bundesgesundheitsminister richten. An diesem sonnigen Novembermorgen dringt das 12-jährige Mädchen nur per Chat zu Prof. Karl Lauterbach vor, deshalb wählt sie ihre Worte genau. Dabei könnte Mia dem Minister so unendlich viel erzählen, über ihr unbeschwertes Leben vor der Krankheit – und wie sich dieses einfach so in Luft aufgelöst hat. Nach einer Corona-Infektion ist Mia schwer an Long Covid erkrankt. Die Krankheit ist nun bei ihr, jeden Tag: „Sagen Sie Herrn Lauterbach, dass ich hier seit zwei Jahren nur so liegen kann und dass mein komplettes Leben weg ist. Sagen Sie ihm, dass es mich gibt und ich große Stücke auf ihn setze.“
Sagen Sie Herrn Lauterbach, dass ich hier seit zwei Jahren nur so liegen kann und dass mein komplettes Leben weg ist.
Lauterbach lauscht gebannt der Botschaft der Schülerin, er ist an diesem 25. November einer der Teilnehmer am 3. Long Covid Kongress in Berlin, der wie in den beiden Vorjahren in Jena unter der Schirmherrschaft seines Ministeriums stattfindet. Es ist eine Veranstaltung unter schwierigen Umständen, in jeder Hinsicht. Die Ampel-Koalition ist gerade krachend gescheitert – und Lauterbach ist ein Minister auf Abruf. Mehr als zwei Jahre nach dem Ende der Pandemie blenden zudem viele Menschen in Deutschland das Thema lieber aus. Corona ist out – so scheint es. Nur eben nicht für jene Hundertausende von Betroffenen, die tagtäglich unter den Spätfolgen der Infektion zu leiden haben. Für deren Nöte interessiert sich nur noch eine Minderheit, auch unter den Ärzten.

Der Kongress soll helfen, das Bewusstsein über die Folgen der Pandemie zu ändern. Und er schlägt absichtlich einen viel größeren Bogen zu der übergeordneten Frage, wie Menschen und insbesondere Kinder und Jugendliche mit postinfektiösen Erkrankungen – dazu zählen Post Covid und die schwere Verlaufsform ME/CFS – bedarfsgerecht versorgt werden können.
Es ist auch Lauterbachs persönlichem Einsatz zu verdanken, dass die Betroffenen nicht in Vergessenheit geraten. Dafür erhält er im Laufe des Tages mehrfach Dank. „Es ist mir persönlich wichtig und es ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die vieler meiner Kollegen, Ihnen einmal deutlich zu sagen, dass wir dankbar sind“, sagt der Kinderarzt und Tagungsleiter Dr. Daniel Vilser. Ihm und vielen seiner Kollegen sei bewusst, dass ohne Lauterbachs persönliches Engagement auf diesem Gebiet viel weniger gelaufen wäre.
Finanzierung der Projekte gesichert
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat zwei Förderschwerpunkte zur bedarfsgerechten Versorgung von Patienten mit Long Covid aufgelegt: Für Erwachsene stehen bis zu 81 Millionen Euro zur Verfügung; für Kinder und Jugendliche bis zu 52 Millionen Euro. Hinzu komme der Innovationsfonds mit 20 Millionen Euro, sagt Lauterbach und lobt die 60 eingereichten Projekte im Erwachsenenbereich. 30 davon würden gefördert werden.
Mit dem Bundesfinanzminister Jörg Kukies ist vereinbart, dass alle Projekte ohne Einschränkung so ausfinanziert sein werden, wie zugesagt.
Kräftiger Beifall schallt aus dem Auditorium als Lauterbach verkündet, dass die finanziellen Mittel in den Jahren 2024 bis 2028 weiterhin zur Verfügung stehen werden, „trotz der politischen Veränderungen, die wir durchleben mussten“. Mit dem Bundesfinanzminister Jörg Kukies sei vereinbart, dass alle Projekte ohne Einschränkung so ausfinanziert sein werden, wie zugesagt.
Im Vergleich zu den Millionen sicher nur Peanuts, aber trotzdem ein Signal: Die Teilnahme am Long Covid Kongress ist kostenlos. Innerhalb von vier Tagen waren die 260 Tickets für die Präsenzteilnahme ausgebucht, mehr als 1700 Teilnehmer sind während des Kongresses online zugeschaltet. An der vom Ärzte- und Ärztinnenverband Long Covid und dem BMG initiierten Veranstaltung nehmen auch Betroffene teil, was bei medizinischen Fachtagungen eher selten vorkommt.
„Sprecht mit uns – nicht über uns!“
Überhaupt fällt bei diesem Kongress auf, wie offen und interessiert die Wissenschaftler den Betroffenen gegenüber sind. „Sprecht mit uns – nicht über uns!“ steht rot auf den Folien von Prof. Dr. Christine Falk, die das Institut für Transplantationsimmunologie der Medizinischen Hochschule Hannover leitet. Die ehemalige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie gibt an diesem Tag einen Überblick über die Forschungslandschaft zu Post Covid in Deutschland. Vernetzen, informieren und in den aktiven Austausch gehen – das ist auch für Falk zentral. „Wir alle aus Forschung und Medizin sind aufgefordert, mehr den Dialog zu pflegen … .“ Es gehe darum, auch darauf zu hören, wie die Menschen mit einer großen Pandemie und der Infektion umgehen, sagt die Immunologin. Long Covid sei eines der sichtbarsten Zeichen, „dass wir zuhören und auch die Dinge aufgreifen sollten“.
Long Covid ist eines der sichtbarsten Zeichen, dass wir zuhören und auch die Dinge aufgreifen sollten.
Wie Vernetzung gelingen kann, beschreibt Falk unter anderem am Beispiel des Long-Covid-Expertenrats und daraus weiterentwickelten Round Table in Niedersachsen. Landesärztekammer, AOK, Reha-Kliniken, Kinderpsychologie, Soziologie und Biomedizin seien hier nachhaltig miteinander vernetzt, was einen großen Mehrwert schaffe. Sie geht auch auf das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) ein, was den Auftrag erfüllt, die 36 Universitätskliniken zu vernetzen. Das NUM gehe aber nicht über die Vernetzung der Universitätskliniken hinaus. Für Falk sind das Deutsche Krebsforschungszentrum und die Deutsche Krebshilfe Impulsgeber für Systeme, die Niedergelassenen und andere Kliniken miteinzubinden.
200 000 neue Long Covid Fälle pro Jahr
Postinfektiöse Erkrankungen sind nicht neu in der Medizin. Neu ist hingegen ihre Dimension infolge von Coronavirus-Infektionen. Weltweit gibt es 400 Millionen Menschen mit Long Covid und das Risiko daran zu erkranken, besteht weiterhin.
Es gibt nicht viele Erkrankungen mit der Schwere, die eine Inzidenz pro Jahr von 200 000 haben.
„Es gibt nicht viele Erkrankungen mit der Schwere, die eine Inzidenz pro Jahr von 200 000 haben“, sagt Lauterbach. Nach seinen Schätzungen könnten bei rund zehn Millionen mit dem Coronavirus Infizierten pro Jahr in Deutschland 200 000 Long Covid Fälle hinzukommen. Er verweist auch auf die volkswirtschaftlichen Schäden durch den Arbeitsausfall.
Fragen Sie Ihren Arzt oder … ?
In der großen Gruppe der Betroffenen muss zwischen Long Covid, Post Covid und ME/CFS unterschieden werden, das wird auf dem Kongress deutlich. Damit leichtere Verläufe nicht in schwere Formen übergehen, ist es wichtig, dass Ärzte die Symptome rasch erkennen und verstehen. Gerade weil es noch keine kausale Therapie für ME/CFS gibt, gilt es, diese chronische schwere Multisystemerkrankung zu vermeiden. Das Risiko für ME/CFS steigt bei falscher Behandlung.
Die Wissenslücken sind noch groß, die Vernetzung ist gering, daher stehen wir am Anfang der Arbeit.
Hier beginnt für viele Betroffene das Problem. „Die Wissenslücken sind noch groß, die Vernetzung ist gering, daher stehen wir am Anfang der Arbeit“, sagt Lauterbach auf dem Kongress. Das verdeutlichen auch Fragen von Betroffenen an den Bundesgesundheitsminister, von denen einige wie Hilferufe wirken: zum Beispiel, ob man Hausärzte verpflichten kann, sich zum Thema Long Covid fortzubilden. Oder ob man Universitäten verpflichten kann, Long Covid als Lehrinhalt einzubauen.
Was bedeuten Post Covid, ME/CFS und Long Covid?
Menschen mit Post Covid und stark reduzierter Belastbarkeit sind keine homogene Gruppe. Wie Charite-Studien zeigen, lassen sich unter Post-Covid-Betroffenen mit stark reduzierter Belastbarkeit zwei Gruppen unterscheiden: ein Teil der Patientinnen und Patienten erfüllt das Vollbild eines ME/CFS. Patienten in der zweiten Gruppe haben zwar ähnliche Symptome, ihre Beschwerden nach körperlicher Anstrengung sind jedoch meist nicht so stark ausgeprägt und halten weniger lang an.
Post Covid
Laut WHO bezeichnet der Begriff Post Covid gesundheitliche Beschwerden, die noch mehr als zwölf Wochen nach Beginn der SARS-CoV-2-Infektion vorhanden sind und nicht anderweitig erklärt werden können. Die britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) verwendet dafür den Begriff Post-Covid-Syndrom.
ME/CFS
ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führen kann. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS sind weltweit etwa 17 Millionen Menschen betroffen. In Deutschland wurde die Zahl ME/CFS-Betroffener vor der Corona-Pandemie auf etwa 250 000 geschätzt, darunter 40 000 Kinder und Jugendliche. Expertinnen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Erkrankten durch Covid-19 verdoppelt hat. Die WHO stuft ME/CFS seit 1969 als neurologische Erkrankung ein.
Laut einer Studie der Aalborg Universität aus dem Jahr 2015 ist die Lebensqualität von ME/CFS-Erkrankten im Durchschnitt niedriger als die von Multiple Sklerose-, Schlaganfall- oder Lungenkrebspatientinnen und -patienten. Ein Viertel aller Patientinnen und Patienten kann das Haus nicht mehr verlassen, viele sind bettlägerig und auf Pflege angewiesen. Schätzungsweise über 60 Prozent sind arbeitsunfähig, so die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS.
Long Covid
Post Covid und Long Covid werden in der öffentlichen Diskussion oft synonym verwendet. Long Covid bezeichnet korrekterweise gesundheitliche Beeinträchtigungen im Anschluss an eine Sars-CoV-2-Infektion, die über die akute Krankheitsphase von vier Wochen hinausgehen.
Kenn ich nicht. Man kann nichts tun.
Viele Ärzte meinen zudem, dass sie den Long Covid Patienten nicht helfen können. Lauterbach sprach auch über „eine gewisse Frustration bei vielen niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen, die sagen ‚wir können ja sowieso nicht viel machen‘. Daher droht diesen Patienten auch, dass sie von Hausarztpraxen gemieden werden.“
Daher droht diesen Patienten auch, dass sie von Hausarztpraxen gemieden werden.
Ärzte und Ärztinnen können durchaus helfen, im Erwachsenen- und ebenso im Kinder- und Jugendbereich. „Therapeutischer Nihilismus ist keinesfalls angebracht“, sagt Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Direktorin des Instituts für Medizinische Immunologie der Charité, die seit über zehn Jahren an der Krankheit ME/CFS forscht.
„Kenn ich nicht“, und „man kann nichts tun“ sind zwei Sätze, die Prof. Dr. Uta Behrends kennt. Die Professorin für Pädiatrische Infektiologie und Immunbiologie und wohl renommierteste ME/CFS-Expertin für Kinder und Jugendliche in Deutschland leitet das Chronische Fatigue Centrum für junge Menschen an der TU München – es ist die einzige Spezialambulanz dieser Art in Deutschland. Sie sagt, dass es selbst im Kinder- und Jugendbereich viele Möglichkeiten gebe, etwas zu tun – von der medikamentösen Therapie bis hin zu den psychosozialen Maßnahmen. „Auch wir bewegen uns im Off-Label-Bereich“, sagt Behrends. Das seien Pädiaterinnen und Pädiater schmerzlich gewohnt, weil viele Medikamente in ihren Wirkungsbereichen nicht zugelassen sind.

Es gebe viele nicht-medikamentöse Therapieansätze, Ansätze die Patienten vor Reizüberflutung zu schonen und „unglaublich viele To-dos, die Kinder weiterhin mit einer angemessenen Teilhabe zu versorgen“, so Behrends. Das heißt, sie zum Beispiel in der Schule zu vertreten (Stichwort: Avatare im Klassenzimmer) und im Zweifel mit einem richtigen Grad der Behinderung oder Pflegegrad auszustatten.
Letzlich gilt für die Erwachsenen leider wie für die Jugendlichen und Kinder, dass wir zu einigen nach Hause fahren müssen.
Letzlich gelte für die Erwachsenen leider wie für die Jugendlichen und Kinder, „dass wir zu einigen nach Hause fahren müssen“, so Uta Behrends. „Und auch nicht nur Telemedizin praktizieren dürfen, sondern den Patienten als Arzt und Ärztin leibhaftig kennenlernen müssen.“ Auch dazu gebe es tolle Modellprojekte.
Long Covid Netzwerke in der Kinder- und Jugendmedizin
Damit alle Expertisen und Möglichkeiten in der Kinder- und Jugendmedizin sich landesweit versammeln, soll ein Netzwerk aufgebaut werden, was bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit und Versorgungslandkarten aktiv ist. „Wir stellen uns vor, dass es ein nationales Kompetenzzentrum gibt, wo wir Leitlinien etablieren, die Evidenz zusammentragen, aber auch Schulungsprogramme entwickeln, die wir ausrollen können über das ganze Land“, formuliert es Uta Behrends.
Wir wollen zusammen mit den Medizininformatikern ... telemedizinische Infrastrukturen aufbauen, Forschungsinfrastrukturen.
In jedem Bundesland solle es mindestens ein Kompetenz-Versorgungszentrum geben. „Wir wollen zusammen mit den Medizininformatikern, die gerade gesprochen haben, telemedizinische Infrastrukturen aufbauen, Forschungsinfrastrukturen. Dazu würden ebenso Register mit harmonisierten, standardisierten Datensätzen gehören, aber auch Bioproben. Aufbauend auf dieser Infrastruktur soll es dann registerbasierte Studien geben, die diese medizinischen Daten und Proben nutzen, aber auch Betroffenenperspektiven abfragen. Ein großes Anliegen sei laut Behrends, die Primärdaten mit den Sekundärdaten zusammenzubringen, „da die Sekundärdaten der Krankenkassen mit einem großen Bias behaftet sind, mit Fehldiagnosen und fehlenden Diagnosen.“
Psychologisierung treibt Stigmatisierung bei Long Covid
Die Psychologisierung trägt zur Stigmatisierung von Menschen mit Long Covid bei.

Stichwort Fehldiagnosen. Nicht wenige Ärzte schieben die körperlich verursachten Beschwerden bei Long Covid Patienten auf die Psyche, erklären sie mit psychischen Faktoren; Patienten erhalten dann fälschlicherweise sogenannte F-Diagnosen.
Prof. Dr. Georg Schomerus, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Leipzig, hatte beim Vorjahres-Kongress über die Stigmatisierung bei Long Covid gesprochen und eine Studie dazu angekündigt. Deren Ergebnisse – vorgestellt von der Psychologin Ronja Büchner aus Leipzig – bestätigt nun: Die Psychologisierung trägt zur Stigmatisierung von Menschen mit Long Covid bei.
Die Folgen dieser Stigmatisierung sind noch völlig unklar – es bleibt offen, wie viele psychische Krankheiten die Patienten überhaupt erst durch Stigmatisierung entwickeln.
Für Dr. Christine Allwang ist klar, dass Post Covid eine körperliche Erkrankung ist. Die Leitende Oberärztin in der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar der TU München macht deutlich, dass es zwei Gruppen von Long Covid Patienten in der Psychosomatik gibt: eine Gruppe an Betroffenen, die infolge der Vielzahl an Belastungen wie Arbeitsplatzverlust, Verlust der sozialen Kontakte etc. womöglich auch psychische Erkrankungen entwickeln. Und eine Gruppe von Betroffenen, die schon im Vorfeld psychisch belastet waren. Beide Gruppen müssten laut Allwang verschieden behandelt werden.
Hoffnungsschimmer für BC007
Für die Linderung der Symptome gibt es eine ganze Reihe an Medikamenten. Viele müssen noch von den Patienten selbst bezahlt werden. Damit sich das ändert, wird von einer Expertengruppe eine sogenannte Off-Label-Use-Liste erarbeitet, deren Fertigstellung sich jedoch verzögert. So sei zum Beispiel das Medikament Low-Dose Naltrexon (LDN) noch in Prüfung. Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen hofft, dass die Liste im Frühjahr fertig und LDN erstattungsfähig wird.
Carmen Scheibenbogen stellt auf dem Kongress eine Vielzahl aktuell laufender und geplanter Studien vor, die nach einer kausalen Therapie suchen, darunter Studien zur Immunadsorption, Sauerstoff-Hochdruck-Therapie und B-Zell-Depletion (eine gezielte Entfernung von B-Zellen aus dem Blut). Die Immunadsorption etwa habe in einer Charité-Studie gezeigt, dass ein Teil der ME/CFS-Patienten darauf anspreche, auch wenn der Effekt nach sechs Monaten nachlasse.
Wir sehen, dass Patienten nach BC007-Therapie Veränderungen im 7-Tesla-MRT haben im Vergleich zur Placebogruppe.
Einer der Hoffnungsträger bei Medikamenten ist BC007, ein potenzieller Wirkstoffkandidat gegen Post Covid und andere Autoimmunkrankheiten mit funktionellen Autoantikörpern. Dr. Bettina Hohberger, verantwortlich für die Forschung zu BC007 in Erlangen und Molekularmedizinerin an der Augenklinik des Universitätsklinikums Erlangen, stellte erste Daten des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Recover“ vor, das sich auch mit BC007 beschäftigt.
Mit Blick auf die Insolvenzmeldung der Firma Berlin Cures, die BC007 herstellt, vor wenigen Tagen und die negativen Studienergebnisse der Firma sagte Hohberger: „Wir haben andere Daten. In unseren Daten sieht man, dass die Patienten signifikant besser werden.“ Die Uniklinik Erlangen nutzt ein wissenschaftliches Begleitprogramm zur Studie; zum Einsatz kommen zum Beispiel hochmoderne 7-Tesla-MRTs. „Wir sehen, dass Patienten nach BC007-Therapie Veränderungen im 7-Tesla-MRT haben im Vergleich zur Placebogruppe.“ Das ist ein Hoffnungsschimmer für Patienten, auch wenn die Daten noch geprüft werden müssen.
Was ist offen geblieben?
Bisher nicht oder gering in Forschungsprojekten thematisiert, sind psychosoziale und sozialrechtliche Probleme. Betroffene, die ihr Leben lang gearbeitet haben, rutschen ins Bürgergeld; Post Covid und ME/CFS werden von den Versorgungsämtern nicht anerkannt und finden bisher keine oder kaum Berücksichtigung bei der Einschätzung zum Grad einer Behinderung.
Ebenso offen ist die interprofessionelle Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln und die Teilhabeforschung – obwohl die Betroffenen in ihrer Teilhabe extrem eingeschränkt sind, das Arbeiten nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist, Freizeitgestaltung und soziale Kontakte extrem reduziert sind.
Pflegewissenschaftliche Aspekte bleiben in der Versorgungsforschung bisher auch unberücksichtigt – hier ging der Appell an die Pflegewissenschaftler sich einzubringen.
Integration, Mitnahme und Information
„Integration, Mitnahme und Information – dafür steht der Kongress“, sagt Dr. Daniel Vilser, Chefarzt der Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin Ingolstadt/Neuburg bei Ameos. Vilser leitet die Tagung gemeinsam mit Prof. Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt des Fachzentrums für Pneumologie der Schön Klinik im Berchtesgadener Land, und erklärt, warum der Kongress etwas anders konzipiert ist als die letzten Jahre, wo es einen noch offeneren und noch integrativeren Ansatz gab.
Keiner hatte so richtig Lust, sich das aufzuhalsen.
„Eigentlich wollten wir gar keinen Kongress machen in diesem Jahr, um ehrlich zu sein.“ Nicht der unwichtigste Grund dabei: „Keiner hatte so richtig Lust, sich das aufzuhalsen“, womit Vilser wahrscheinlich den großen zeitlichen Aufwand neben dem ohnehin anspruchsvollen Klinikalltag meint. Aufgrund der Initiative vom BMG und sehr vieler Forschungsprojekte habe man zusammen festgestellt, dass Austausch gut und wichtig sei. Den ersten Kongress haben Vilser und Kollegen innerhalb von sieben Monaten organisiert, dieses Mal hatten sie sportliche drei Monate Zeit – eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Allen Beteiligten gebührt Dank für ihren außergewöhnlichen Einsatz: Menschen wie Mia zählen auf sie.





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