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LichtblickMit Hypnose zur Narkose am Heidekreis-Klinikum in Walsrode

Am Heidekreis-Klinikum in Walsrode können Patienten tiefenentspannt in eine Narkose gleiten. Statt in einer Ausnahmesituation finden sie sich an ihrem Wohlfühlort wieder – dank Dr. Ulrich Blumenthal, dem Chefarzt der dortigen Anästhesie.

Ulrich Blumenthal mit einem Kollegen
Stephanie Hildebrandt / HKK
Chefarzt Dr. Ulrich Blumenthal, hier im Gespräch mit einem Kollegen, schickt seine Patienten vor der Narkose in eine Tiefenentspannung. Blumenthal wendet dafür erfolgreich Hypnose an.

Angst vor Komplikationen, Furcht vor Kontrollverlust. Patienten befinden sich vor einer Operation in einer Ausnahmesituation. Wie wäre es, sie in diesem Moment auf eine mentale Reise zu schicken? Weg vom Stress, hin zu einem Ort, der Geborgenheit bietet? An einen Strand zum Beispiel, an dem man barfuß spazieren kann.

Ist man weniger ängstlich, kommt es nach der OP zu weniger Komplikationen

Dr. Ulrich Blumenthal, der die Fachabteilung Anästhesie im Heidekreis-Klinikum in Walsrode leitet, hilft seinen Patienten dabei, an ihren Wohlfühlort zu gelangen. Ihre Aufmerksamkeit nach innen und auf positive Gefühle zu richten. Der Chefarzt wendet dafür eine hypnotische Kommunikationstechnik an, durch die bei seinen Patienten Verunsicherung einer Tiefenentspannung weicht. Manch einer ist dabei sogar schon eingeschlafen. „Seitdem ich das mache, erhalte ich sehr positives Feedback“, erzählt Blumenthal. Viele berichten nach der Operation, wie viel ruhiger und sicherer sie sich dadurch gefühlt hätten.

Unter Hypnose verarbeitet das Gehirn Schmerzreize anders

Hypnose in der Klinik? Etabliert ist das noch nicht. Auch, weil Hypnose oft mit Esoterik gleichgesetzt wird. Ulrich Blumenthal, der sich als klassischer Schulmediziner beschreibt, war anfangs ebenfalls skeptisch. Dabei sind positive Effekte der Hypnose wissenschaftlich belegt. Unter Hypnose verarbeitet das Gehirn Schmerzreize anders, Puls und Atemfrequenz werden niedriger. Die Folge: Schmerz und Angst können ganz ohne Einsatz von Medikamenten reduziert werden. Und: Der veränderte Bewusstseinszustand, der durch Hypnose erreicht wird, ist nichts Außergewöhnliches. Er wird im Alltag zum Beispiel beim Tagträumen erlebt.

Als Blumenthal hörte, dass sein ehemaliger Chef eine gynäkologische Operation ohne Narkose, nur mit Hilfe von Hypnose, durchgeführt hatte, war dies ein Schlüssel­ereignis. „Das beeindruckte mich sehr und ich dachte: Das ist kein Hokuspokus. Damit muss ich mich näher beschäftigen“, erzählt er. Er selbst nutzt die Technik für eine entspannte Überleitung in die Narkose. Auch, weil Untersuchungen gezeigt haben, dass sich die Einstellung von Patienten vor einer Operation auf den anschließenden Heilungsverlauf auswirkt – ist man weniger ängstlich, kommt es nach der OP zu weniger Komplikationen.

Die geringe Zeit, die es länger dauert, ist es mir definitiv wert.

Maximal fünf Minuten mehr Zeit investiert Blumenthal bei der Anästhesie-Vorbereitung, setzt seine Sprache bewusst ein und nutzt positive Formulierungen. Das alles kann er gut in die üblichen Abläufe einfügen, ebenso den Einsatz von Atemübungen. „Die geringe Zeit, die es länger dauert, ist es mir definitiv wert“, sagt er. Weil es seinen Patienten nützt. Er wünscht sich, dass künftig das Potenzial der Hypnose noch häufiger medizinisch genutzt wird. Auch auf der Intensivstation. Deshalb nimmt das Heidekreis-Klinikum Walsrode an einer Studie teil. Darin wird die Wirkung von Hypnose bei Weaning-Patienten untersucht. Ist es möglich, sie dadurch leichter von der künstlichen Beatmung zu entwöhnen, den Patienten die Angst vor Luftnot zu nehmen? Die Forschung dazu ist noch am Anfang. In Walsrode nahmen bis jetzt zwei Patienten daran teil.

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