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Robotic Suite„Das lässt uns in andere Welten vordringen“

Bei chirurgischen Eingriffen nutzt das Diakoneo Diak Klinikum in Schwäbisch Hall intraoperative 3D-Bildgebung, Echtzeit-Navigation und chirurgische Robotik. Die hochmoderne Technologie-Kombination sorgt nicht nur für höhere Präzision und bessere Qualitätssicherung.

Robotic Suite Diak Klinikum Schwäbisch Hall
Ufuk Arslan/Diak Klinikum
Prof. Dr. Stefan Huber-Wagner nutzt die Robotic Suite in Schwäbisch Hall seit März 2022.

Das Diak Klinikum in Schwäbisch Hall ist ein hochspezialisiertes Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg. Mit 23 Kliniken und Zentren und rund 1500 Mitarbeitenden versorgt es Patient:innen in der Region Hohenlohe und Schwäbisch Hall. Zum Klinikum gehört unter anderem die Klinik für Unfallchirurgie, Wirbelsäulenchirurgie und Alterstraumatologie, in der Verletzungen jeglichen Schweregrades behandelt werden. Um bei chirurgischen Eingriffen größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten, setzt das zertifizierte überregionale Traumazentrum auf hochmoderne Technologie.

2D-Bildgebung stieß an ihre Grenzen

Das gilt auch für die intraoperative Bildgebung, für welche die Unfallchirurgie des Klinikums lange Zeit einen 2D-Röntgenbildwandler nutzte. Gerade bei OPs an der Wirbelsäule, die höchste Präzision erfordern, stieß dieses Verfahren jedoch an seine Grenzen. Die betreffenden Zielregionen, zum Beispiel bei adipösen Patient:innen und im Schulterbereich, ließen sich nur unzureichend darstellen. Zudem konnten größere Strukturen wie das Becken nur ausschnittweise und in suboptimaler Qualität abgebildet werden.

Für eine vollständige Darstellung mussten daher während der OP mehrere Aufnahmen aus verschiedenen Winkeln gemacht werden, was eine höhere Strahlenbelastung für das OP-Team nach sich zog. Darüber hinaus führte die ungenaue Bildgebung dazu, dass sich die Operierenden bei der Beurteilung des Erfolgs eines Eingriffs stark auf ihre Erfahrung verlassen mussten. Ob tatsächlich alle Schrauben richtig saßen, ließ sich erst durch eine Computertomographie am Tag nach der Operation verifizieren.

Finanziert durch eine private Großspende

Um die Implantatlage während des OP-Vorgangs zu verbessern, arbeitet die Klinik schon seit längerem mit dem Navigationssystem Curve von Brainlab. Nach guten Erfahrungen entschied sich das Team um Chefarzt Prof. Dr. Stefan Huber-Wagner, die Ausstattung um die komplette Robotic Suite des Münchner Medizintechnik-Unternehmens zu erweitern. Dazu gehören neben Curve der mobile Bildgebungsroboter Loop-X und der Roboterarm Cirq.

Ergänzend nutzt die Klinik die OP-Informationsplattform Buzz, die als zweiter Wandmonitor die Darstellung des Curve Systems erweitert, sowie die Mixed-Reality-Brille Magic Leap, die bei der OP-Planung unterstützt. Die durch eine private Großspende finanzierte Robotic Suite kommt seit März 2022 kontinuierlich zum Einsatz.

Anhand von 3D-Bildern in Echtzeit navigieren

In der Klinik für Unfallchirurgie, Wirbelsäulenchirurgie und Alterstraumatologie wird sie vor allem bei Wirbelsäulen- und Becken-OPs genutzt, beispielsweise Beckenring- oder Hüftpfannenbrüchen, aber auch bei Eingriffen an Oberschenkel, Knie oder Schulter. Die Elemente der Robotic Suite ermöglichen dabei, präziser und mit größerer Sicherheit zu operieren.

Dies liegt zum einen am größeren Field of View (FOV) des robotischen Cone Beam-CTs Loop-X. Die spezielle Technologie ermöglicht es, den Strahlungswinkel stufenlos und exakt an die zu untersuchende Körperregion anzupassen. Dadurch können mit einem geringeren bestrahlten Volumen gegebenenfalls bessere Bilder erzeugt werden. Auch werden größere Aufnahmen möglich.

Dadurch lässt sich beispielsweise das gesamte Becken problemlos dreidimensional darstellen, wozu viele etablierte Bildgebungsverfahren nicht in der Lage sind. Auch die sonst schwer darzustellende Hals- und Brustwirbelsäule bildet der Loop-X dank der maßgeschneiderten Untersuchungstechnik gut ab.

Spino-pelvine Stützschrauben im Becken zu setzen, ist mit konventionellen Systemen ungleich aufwendiger.

Robotic Suite Diak Klinikum Schwäbisch Hall
Ufuk Arslan/Diak Klinikum
Durch den Einsatz der Robotik Suite wird präziser und mit größerer Sicherheit operiert.

Die aufgenommenen 3D-Bilder fließen in die Curve-Navigation ein. Deren Infrarot-Kamera kann in Echtzeit Operationsinstrumente tracken und Implantate bereits als Simulation einbringen. Am Ende der Prozesskette steht der Roboterarm Cirq, der an den OP-Tisch angebracht wird.

Bei Wirbelsäulen-OPs assistiert er Chirurg:innen vor allem dabei, Schrauben mit hoher Präzision zu platzieren und Nerven und andere wichtige Strukturen zu schützen. Chirurg:innen bringen den Roboterarm dafür zunächst grob in Position, bevor dieser automatisch und exakt an die geplante Stelle navigiert.

So unterstützt er Operateur:innen dabei, die Bohrführung millimetergenau auszurichten, so dass sie die stabilisierenden Schrauben optimal einsetzen können. Auch die Vorbereitung solcher Eingriffe lässt sich mithilfe von Software optimieren. Dafür nutzt das Team in Schwäbisch Hall Software-Module, welche die Schichtaufnahmen analysieren und beispielsweise automatisch erkennen, wo der Wirbel oder die Bandscheibe ist. Diese teilautomatisierte Schraubenplanung ermöglicht Chirurg:innen, verschiedene Varianten durchzuspielen, was die OP-Planung beschleunigt.

Behandlungsspektrum wird erweitert

Sowohl Patient:innen als auch Operateur:innen profitieren durch die computer-gestützte Navigation auf Basis der 3D-Bildgebung von mehr Sicherheit im chirurgischen Prozess. Dies erweitert auch das Spektrum an Techniken und Instrumenten, auf das Chirurg:innen zurückgreifen können.

So ist es nun beispielsweise möglich, Pedikelschrauben an der Halswirbelsäule einzusetzen. Aufgrund des hohen Verletzungsrisikos in diesem Bereich nutzen Operateur:innen zur Stabilisierung der betreffenden Wirbelkörper oft andere Schraubenarten, die einfacher einzusetzen, aber weniger stabil sind. Die präzisere Ausrichtung durch Roboterarm, intraoperative 3D-Bildgebung und Navigation erlaubt es nun, auch die ausrissfesteren Pedikelschrauben zu nutzen.

Eine große Stärke des Systems liegt in der Tatsache, dass es offen ist und sich unabhängig von Körperregion und Instrumentarium einsetzen lässt. Das ermöglicht es uns, in andere Welten vorzudringen.

Bei Eingriffen im Beckenraum eröffnet die Technologie ebenfalls neue Möglichkeiten. Abstützungsschrauben sind hier teilweise zehn Zentimeter lang und müssen optimal sitzen, um die Gesundheit der Patient:innen nicht zu gefährden. Während bei konventionellen 2D-Röntgensystemen zahlreiche Aufnahmen nötig sind, um den Sitz der Schrauben zu überprüfen, genügt mit der 3D-Bildgebung eine Aufnahme.

Zudem können Chirurg:innen dank der verbesserten Navigation minimal-invasiv operieren, statt einen offenen Eingriff vorzunehmen. Auf diese Weise konnte das Chirurgie-Team bereits schwierige Schraubenlokalisationen am Beckenring minimal-invasiv erfolgreich umsetzen.

Revisionsrisiko ist deutlich reduziert

In Kombination erleichtern es 3D-Bildgebung und computer-gestützte Navigation Operateur:innen, schon während des Eingriffs und bevor der Patient den OP verlässt, sicherzustellen, dass das OP-Ziel erreicht wurde. Dies senkt das Risiko für Revisionen, wie sich auch am Diakoneo Diak Klinikum zeigt: Im Rahmen der mehr als 120 OPs, die bis Mai 2023 mit der Robotic Suite durchgeführt wurden, musste keine einzige Schraube nach dem Eingriff korrigiert werden. Mit Blick darauf, dass bei konventioneller OP-Technik global betrachtet von 15 Prozent Schraubenfehllagen auszugehen ist, ist dieses Ergebnis exzellent.

Ein stückweit betreiben wir Pionierarbeit, indem wir die Robotik-Suite für verschiedene neue Indikationen einsetzen.

Auch für das Klinikpersonal werden die Eingriffe sicherer: Da nun weniger Röntgenaufnahmen gemacht werden müssen und kaum noch konventionelle Röntgengeräte zum Einsatz kommen, sinkt die Strahlenbelastung, die sich sonst auf Dauer summiert. So ist es kaum noch nötig, durchgehend schwere Röntgenschürzen zu tragen – was für den Alltag der beteiligten Teams wesentlich angenehmer ist.

Team plant Nutzung für weitere Indikationen

Mithilfe der Robotic Suite sind der Klinik bereits seltene OPs wie die Verschraubung eines knöchernen hinteren Kreuzbandausrisses gelungen. Perspektivisch möchte das Team die Lösung für weitere Indikationen nutzen. Geplant ist zum Beispiel, sie vermehrt bei OPs von Fersenbein- oder Schulterblattbrüchen einzusetzen. Anwendungspotenziale liegen darüber hinaus in der Hals-Nasen-Ohren- sowie der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, wo das Klinikum bereits gute Erfahrungen beim Einsetzen spezieller Implantate im Bereich des Oberkiefers und Augenbodens gemacht hat.

So unterstützt die Technologie die Chirurgie am Diakoneo Diak Klinikum durch ein hohes Niveau an Präzision und Sicherheit dabei, bestehende Behandlungsmöglichkeiten auszuweiten, neue Techniken anzuwenden und auf diese Weise neue Perspektiven für die Patientenversorgung zu erschließen.

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