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Leiharbeit in der PflegeDie Dosis macht das Gift

Die Diskussion um Leiharbeit in der Pflege ebbt nicht ab, ebenso wie der immer wieder aufkeimende Wunsch nach einem Verbot. Ob das wahrscheinlich ist und überhaupt Sinn macht, hat kma mit einem Personaldienstleister besprochen.

Klinikpersonal
Chinnapong/stock.adobe.com
Symbolfoto

Leiharbeit in der Pflege ist seit Jahren gängige Praxis, nimmt aber weiter zu. „Obwohl seit 2020 die Kosten für Leiharbeit nur bis zum Tariflohn budgetiert wurden und Zahlungen von Vermittlungsentgelten nicht im Pflegebudget berücksichtigt werden konnten, steigt die Zahl der Leiharbeitnehmer weiter an – seit 2017 um insgesamt 64 Prozent“, erklärt Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates (DPR). Das facht die Diskussion um das Für und Wider von Leiharbeit erneut an.

Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) beklagte im Frühjahr 2023, dass eine Zeitarbeitskraft das Zwei- bis Zweieinhalbfache der Kosten einer festangestellten Pflegekraft verursache. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht – wie die BKG – besorgt auf die Entwicklung in diesem Bereich und befürchtet, dass sich diese Beschäftigungsform „von der Ausnahme zum Regelfall“ entwickle. Während die BKG und auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) die Zeitarbeit spürbar eindämmen wollen, ging Deutschlands führender Kliniklobbyist Dr. Gerald Gaß sogar noch einen Schritt weiter und forderte im Namen vieler Kliniken zur Not sogar ein Verbot der Leiharbeit als ultima ratio. Ein drastischer Schritt, bedenkt man, dass derzeit lediglich etwa zwei bis drei Prozent aller Pflegekräfte als Leiharbeitnehmer tätig sind.

Mit Kanonen auf Spatzen schießen

Dennoch ist der Vorstoß der DKG zum Verbot nicht neu und wurde bereits 2019 von einer Berliner Allianz der Krankenhäuser gefordert, die neben einer Preisbindung auch eine zeitliche Reglementierung der Leiharbeitskräfte angestrebt hatte. Die Bemühungen dieser Allianz verliefen jedoch im Sande.

Mit dem Thema an und für sich haben sich mittlerweile auch Juristen beschäftigt. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages sieht in einer Ausarbeitung zur Thematik die Chancen für ein generelles Verbot als gering an, weil es ein zu starker Eingriff in die im Grundgesetz garantierte freie Berufswahl wäre. Und auch die hohen Kosten rechtfertigen kein Verbot, heißt es dort: „Die unumstritten hohen Kosten der Leiharbeit in der Pflege dürften (…) für sich genommen als legitimes Ziel eines Leiharbeitsverbotes in der Abwägung gegenüber dem damit verbundenen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit (…) nicht für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ausreichen.“ Eine abschließende Beurteilung liege laut Wissenschaftlichem Dienst jedoch beim Bundesverfassungsgericht. Doch gerade große Maximalversorger sind der Auffassung, dass dies eine unternehmerische Entscheidung der einzelnen Häuser sein sollte und dass mit Leiharbeitern immerhin Spitzen aufgefangen werden können.

Ursprung Fachrkäftemangel

Bei all der Diskussion um Rechtmäßigkeit sollte eines jedoch nicht vergessen werden: der Ursprung der Problematik, nämlich der Fachkräftemangel. Und dieser wird nicht durch ein Eindämmen oder gar ein Verbot von Zeitarbeit behoben ist sich Sarah Lukuc, Vorsitzende des Bundesverbandes Pflegemanagement, sicher. Das zeigt auch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, das jüngst 4000 Leiharbeitskräfte befragt hatte, ob sie im Falle eines Zeitarbeitsverbotes wieder in eine Festanstellung wechseln würden. Über die Hälfte der Befragten gab dabei an, eher den Wechsel in einen anderen Beruf zu erwägen.

Auch wenn die Befragung vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen in Auftrag gegeben wurde, räumt sie mit dem Argument von Zeitarbeitskritikern auf und zeigt, dass die Pflegekräfte eben nicht zuhauf wieder in die Festanstellung zurückkehren würden, sondern das Verbot den bestehenden Fachkräfteengpass sogar weiter verschärfen könnte.

Sebastian Bettels
ManpowerGroup
Sebastian Bettels, Head of Manpower Healthcare beim Frankfurter Presonaldienstleister ManpowerGroup.

Es erstaunt uns, dass die Diskussion um Zeitarbeit in der Pflege regelmäßig wieder aufkommt.

Ins gleiche Horn bläst Sebastian Bettels vom Personaldienstleister ManpowerGroup: „Der anhaltende Fachkräftemangel bzw. ein genereller Mangel an Arbeitskräften sorgt für eine hohe Nachfrage an Personaldienstleistungen. Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung können Engpässe in medizinischen Einrichtungen abgefedert werden.“ Von der Zeitarbeit profitieren laut Bettels sowohl Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die ihren Personalbedarf dadurch decken könnten. Medizinische und pflegerische Mitarbeiter*innen in Zeitarbeit hätten verlässliche Arbeitszeiten und könnten Beruf und Familie vereinbaren. Bettels sieht die Personaldienstleister als attraktive Arbeitgeber. Es erstaune ihn, dass die Diskussion fast wellenförmig regelmäßig wieder aufkomme. Zeitarbeit sei in der Pflege seit Jahren gängige Praxis und er sei sich sicher, dass das System ohne Zeitarbeit nicht gut funktionieren würde.

Holetschek hat die Lösung

Dennoch hat Bayern Mitte Juni einen erneuten Vorstoß in dieser Sache gewagt, indem Holetschek eine Initiative zur Eindämmung von Leiharbeit in den Bundesrat eingebracht hat: „Es muss alles dafür getan werden, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen Leiharbeit nur noch in Ausnahmefällen in Anspruch nehmen.“ Eine Lösung hat der Politiker auch schon parat: „Die Arbeitsbedingungen des Stammpersonals müssen so gut sein, dass sie ihren Beruf in ihrem Unternehmen weiter ausüben.“ Er bittet den Bundestag mit seinem Entschließungsantrag, „bundesrechtliche Regelungen“ auf den Weg zu bringen, um überzogene Vergütungen der Leiharbeitsfirmen zu unterbinden.

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DPR-Präsidentin Vogler plädiert ebenfalls dafür, dringend Arbeitsbedingungen zu schaffen, die Leiharbeit in der Pflege nicht mehr regelhaft erforderlich mache, sondern lediglich die Ausnahmen bilde. Beinahe resigniert betont sie jedoch, dass nicht Leiharbeitnehmer*innen in der Pflege das Problem seien, sondern das Ergebnis unzureichender Arbeitsbedingungen und zum Teil auch fehlender Führungskompetenzen.

Führungskultur statt Kritik?

Kliniken und Einrichtungen sollten also lieber an sich und ihrer Führungskultur arbeiten, anstatt Leiharbeit zu verdammen. Fragt man Leiharbeitnehmer wie Sebastian Suhrmann, liegen die Vorteile klar auf der Hand: feste Dienstpläne ohne Berge von Überstunden, höhere Bezahlung und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Ich kann meinen Feierabend genießen, habe ein abwechslungsreicheres Arbeitsumfeld und kann vielfältige Erfahrungen sammeln. Zudem werde ich mehr wertgeschätzt als bei meinen früheren Arbeitgebern“, erklärt der Brandenburger Leasing-Pfleger seinen Wechsel in die Zeitarbeit vor vier Jahren.

Auch wenn der Verdienst in der Leiharbeit in der Regel besser ist, fließt das meiste Geld aus dem Sozialsystem in die Firmen selbst ab.

Auch wenn Leiharbeit immer nur kurzfristig helfe und ungünstige Dienstzeiten trotzdem meist von der Stammbelegschaft übernommen werden müssen, halten Vogler, Lukuc und viele weitere Pflegeexperten ein generelles Verbot von Leiharbeit für ignorant der Situation gegenüber. Warum gehen Pflegende diesen Weg? Um überhaupt noch in ihrem Beruf bleiben zu können oder zu wollen. Natürlich findet die DPR-Präsidentin es unangemessen, dass die Leiharbeitsfirmen Geld aus dem System abschöpfen, das nicht uneingeschränkt bei den Pflegenden ankommt: „Auch wenn der Verdienst in der Leiharbeit in der Regel besser ist, fließt das meiste Geld aus dem Sozialsystem in die Firmen selbst ab“, ärgert sich Vogler. Hier gelte es, regulatorische Maßnahmen zur Begrenzung der Gewinnmargen anzusetzen – beim Geld, nicht bei der Leiharbeit an sich.

Vogler ist sich auch sicher, dass Leiharbeit eingedämmt würde, wenn die Leiharbeitsfirmen zu Ausgleichszahlungen verpflichtet und der vertraglich vereinbarte Leihumfang nach Qualifikation, Umfang und Einsatzzeit der Leiharbeitnehmer nicht eingehalten würde. Sie will aber – wie Lukuc – die Leiharbeit per se nicht verteufeln, denn der Einsatz von Leiharbeitskräften sei immerhin ein „Ventil, das wenigstens noch etwas Druck aus dem Kessel nimmt“. Und ganz ohne wird es auch in Zukunft nicht gehen, sind sich viele Pflegemanager einig. Doch auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift.

Herr Bettels, es werden Forderungen laut, Zeitarbeit in der Pflege zu begrenzen – bis hin zum Verbot. Wie stehen Sie dazu?

Ein Verbot von Zeitarbeit in der Pflege ist unwahrscheinlich. Laut der aktuellen Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags wäre ein Verbot ein Eingriff in die grundsätzlich garantierte freie Berufsausübung und damit schon allein aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht realisierbar. Zeitarbeit leistet einen großen Beitrag zur Aufrechterhaltung unseres Gesundheitswesens. Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung werden Engpässe in medizinischen Einrichtungen abgefangen. Von der Zeitarbeit profitieren die Beteiligten, sowohl Kliniken und Pflegeeinrichtungen, die ihren Personalbedarf schnell decken können, als auch Fachkräfte.

Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass Pflegekräfte in der Zeitarbeit oft mehr verdienen und sich ihre Dienste aussuchen können. In Berlin stehen – ich sage es jetzt bewusst etwas überspitzt – Zeitarbeitsfirmen vor den Kliniken und werben Auszubildende ab, sobald sie ihr Examen haben. Sehen Sie die Notwendigkeit für mehr Regeln?

Ich sehe vor allem Bedarf, Transparenz für das Thema Zeitarbeit im Gesundheitswesen zu schaffen. Zeitarbeit in der Pflege bringt für unsere Projektmitarbeitenden viele Vorteile, zum Beispiel bessere Löhne, geregelte Arbeitszeiten oder keine anstrengenden Wochenend- und Nachtdienste. Mit Zeitarbeit können Fachkräfte flexibel bleiben, unterschiedliche Einrichtungen kennenlernen, ohne sich an einen bestimmten Einsatzbereich oder an eine einzelne Einrichtung zu binden. Sie erwerben während wechselnder Kundeneinsätze ständig neue Kompetenzen und qualifizieren sich so für weiterführende Aufgaben. Außerdem achten wir bei unseren Mitarbeitenden, die wir unseren Kunden überlassen, darauf, dass diese bestens fachlich qualifiziert sind und bieten umfangreiche Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten an.

Der Deutsche Pflegerat fordert verpflichtende Ausfallzahlungen der Leiharbeitsfirmen an den Entleihenden bei Nichteinhaltung des vertraglich festgelegten Leihumfangs. Wie stehen Sie dazu?

Der Deutsche Pflegerat beschreibt hier im Kern ein Problem: Die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege. Zeitarbeit bietet einen sehr wichtigen Ansatz, diese fundamental zu verbessern. Denn: Krankenhäuser profitieren von der Expertise und dem Netzwerk eines Personaldienstleisters. Kosten und Risiken können reduziert werden, da der Personaldienstleister die Verantwortung für die Personalbeschaffung, -auswahl und -verwaltung übernimmt.

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