Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG
Georg Thieme Verlag KGGeorg Thieme Verlag KG

PräventionWenn Pflegekräfte selbst Hilfe brauchen

Um Pflegefachkräfte besser vor Erkrankungen durch Stress oder traumatischen Erfahrungen zu schützen, gibt es seit 2019 am UKE das Projekt „Stress- und Traumaprävention“. Die Projektförderung durch die Techniker Krankenkasse wurde jetzt bis 2024 verlängert.

Pflegepersonal im Krankenhaus
Foto: Fotolia (sudok1)

Pflegefachkräfte erleben häufig körperlich, aber auch psychisch extrem belastende Arbeitssituationen. Seit 2019 unterstützen am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) speziell ausgebildete Mitarbeiter die eigenen Kollegen und Kolleginnen, um Erkrankungen durch Stress und traumatischen Erlebnissen vorzubeugen.

Im Projekt „Stress- und Traumaprävention“ wurden bislang 81 sogenannte Peer-Beratende ausgebildet, um niedrigschwellig den gestressten Kollegen zu helfen. Die Peer-Beratenden führen nach besonders belastenden Arbeitssituationen Gespräche mit den eigenen Kollegen- und Kolleginnen, um die Situation besser meistern zu können. Das Projekt wurde von Beginn an von der Techniker Krankenkasse (TK) unterstützt. Diese hat gerade die Förderung bis Ende 2024 verlängert.

Pflegekräfte öfter krank als andere Beschäftigte

Wie wichtig und notwendig das Projekt ist, zeigt eine aktuelle Sonderauswertung der Hamburger TK. Danach sind Pflegefachpersonen in Hamburg häufiger krank als Menschen, die in anderen Berufsgruppen arbeiten. Mit durchschnittlich 27,4 Tagen fielen sie im Jahr 2022 gut neun Tage häufiger krankheitsbedingt aus als TK-versicherte Erwerbspersonen, die nicht in einem Pflegeberuf arbeiten (18,2 Tage). Im Zehnjahresvergleich ist das eine Steigerung von knapp 30 Prozent. Die Gründe für eine Krankschreibung sind insbesondere psychische Erkrankungen und Atemwegserkrankungen (jeweils rund 5,8 Tage), gefolgt von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (rund 4,9 Tage), wie eine bundesweite Auswertung der Fehlzeiten zeigt.

Für die überdurchschnittlich hohen Fehlzeiten in der Pflege sind psychische Belastungen einer der Hauptgründe.

„Seit Jahren sehen wir, dass Pflegefachpersonen in Hamburg – aber auch bundesweit – im Vergleich zu anderen Berufsgruppen gesundheitlich besonders belastet sind. Für die überdurchschnittlich hohen Fehlzeiten in der Pflege sind psychische Belastungen einer der Hauptgründe“, sagt Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg. „Umso wichtiger ist es, dass das UKE dieses Problem erkannt hat und seine Mitarbeitenden dabei unterstützt, mit sehr belastenden Arbeitssituationen umzugehen und ihre psychische Gesundheit aufrechtzuerhalten."

Während des Projektverlaufs haben wir sehr positive Rückmeldungen bekommen. Insofern treffen wir mit dem Projekt genau den Kern.

Eine Befragung von mehr als 1000 UKE-Beschäftigten aller klinischen Bereiche ergab zudem, dass mehr als neun von zehn Beschäftigten aus den klinischen Bereichen des UKE im Verlauf eines Jahres mindestens ein außergewöhnlich belastendes Ereignis in ihrem Berufsalltag erleben, zum Beispiel außergewöhnliche Notfälle oder gewalttätige Übergriffe. In den akut- und intensivmedizinischen Bereichen, der Onkologie sowie der Geburtshilfe und der Kinder- und Jugendmedizin kommen solche Ereignisse besonders häufig vor. Mehr als ein Drittel der Befragten gab an, von solchen Ereignissen im Wohlbefinden ziemlich (27,8 Prozent) oder sehr (9,7 Prozent) beeinträchtigt zu sein.

Projekt kommt gut bei Belegschaft an

„Aus der Untersuchung wissen wir, dass acht von zehn Befragten die Angebote des UKE als wichtig einschätzen. Und auch während des Projektverlaufs haben wir sehr positive Rückmeldungen bekommen. Insofern treffen wir mit dem Projekt genau den Kern“, sagt Joachim Prölß, Direktor für Patienten- und Pflegemanagement und Personalvorstand des UKE. „Wir haben aber auch gemerkt, dass sich ein Wandel, wie wir ihn mit dem Projekt angestoßen haben, nicht von heute auf morgen vollziehen lässt. Dafür braucht es Geduld und Zeit."

Wir haben aber auch gemerkt, dass sich ein Wandel, wie wir ihn mit dem Projekt angestoßen haben, nicht von heute auf morgen vollziehen lässt. Dafür braucht es Geduld und Zeit.

Obwohl sich das Projekt zur Stress- und Traumaprävention von Beginn an alle Professionen richtete, nutzten zunächst vor allem pflegerische Beschäftigte die Fortbildungs- und Schulungsangebote. Deshalb wurde bereits seit 2020 ein besonderer Fokus darauf gelegt, Ärzte und Ärztinnen für die Ausbildung zu sogenannten Peer-Beratenden zu gewinnen.

Dass der Anteil der ärztlichen Peer-Beratenden im Team der Klinik für Anästhesiologie daraufhin auf über 45 Prozent stieg, ist für Michael van Loo, Projektleiter und Geschäftsbereichsleiter Personal des UKE, ein echter Erfolg: „Die Peer-Beratung ist ein vielfach empfohlenes Element der psychosozialen Sekundärprävention – also der Unterstützung von Beschäftigten nach außergewöhnlich belastenden Arbeitsereignissen. Umso wichtiger ist, dass sich die kollegialen Beratenden in allen Berufsgruppen wiederfinden."

Es sei deshalb auch wichtig, bereits Auszubildende und Studierende für Gesundheitsberufe für das Thema zu sensibilisieren. Sie würden damit auf potenzielle psychische Herausforderungen in ihren klinischen Tätigkeiten vorbereitet „und kennen frühzeitig entsprechende betriebliche Unterstützungsstrukturen“, so van Loo. Bis Ende 2024 soll dieser Projektbaustein daher weiter erprobt und ausgebaut werden.

Sortierung
  • Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!

    Jetzt einloggen