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Handeln gefordertDefizit der Krankenkassen steigt auf über sechs Milliarden Euro

Die Kosten für die Gesundheitsversorgung steigen und steigen. Das schlägt hart auf die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenkassen durch. Deren Milliarden-Minus hat sich von 2023 auf 2024 mehr als verdreifacht.

Zwei Gesundheitskarten von Krankenkassen
Stockfotos-MG/stock.adobe.com
Symbolfoto

Die gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr tiefrote Zahlen geschrieben. Das Defizit betrug 6,2 Milliarden Euro (2023: -1,9 Milliarden Euro), wie das Bundesgesundheitsministerium nach vorläufigen Zahlen in Berlin mitteilte. Die Finanzreserven der Kassen lagen demnach Ende 2024 noch bei 2,1 Milliarden Euro oder 0,08 Monatsausgaben. Dies entsprach nicht einmal mehr der Hälfte der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben.

Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) sagte, das hohe Defizit der Kassen 2024 und der starke Anstieg der Zusatzbeiträge zu Jahresbeginn seien nicht nur Ergebnis eines inflationsbedingt hohen Anstiegs der Ausgaben für Personal und medizinische Leistungen. „Sie sind auch darauf zurückzuführen, dass in den vergangenen Legislaturperioden versäumt wurde, das Gesundheitssystem zu modernisieren und die Strukturen für die Zukunft fit zu machen.“

Vorschläge zur Stabilisierung

Lauterbach wies auf die beschlossene Krankenhausreform und eine stärkere Digitalisierung hin. Er forderte zugleich: „Wir müssen verhindern, dass die Beitragssätze weiter steigen. Dafür müssen die Strukturreformen weiter umgesetzt und mehr Steuermittel in die Hand genommen werden.“ Unter anderem solle der seit 2017 nicht mehr erhöhte Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen regelhaft dynamisiert werden.

Wir müssen verhindern, dass die Beitragssätze weiter steigen.

Bei den gesetzlichen Krankenkassen standen im vergangenen Jahr Einnahmen von 320,6 Milliarden Euro Ausgaben von 326,8 Milliarden Euro gegenüber. Die Leistungsausgaben stiegen um 8,1 Prozent, während die Verwaltungskosten sich um 0,6 Prozent verringerten. Größter Posten waren Klinikbehandlungen, für die die Ausgaben im Vergleich zu 2023 um 8,1 Milliarden Euro auf 101,7 Milliarden Euro anwuchsen. Für Arzneimittel gaben die Kassen 55,2 Milliarden Euro aus, für Arztbehandlungen in Praxen 50,1 Milliarden Euro.

Kassen fordern sofortiges Handeln

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) erklärte, am Ende dieser Wahlperiode sei festzustellen, dass die Ausgaben noch schneller stiegen als zuvor. „Das ist ebenso erschreckend wie es deutlich macht, dass sofort gehandelt werden muss“, sagte Sprecher Florian Lanz. Der Verband fordert, dass es keine Preis- oder Honorarerhöhungen mehr geben dürfe, die über die laufenden Einnahmen hinausgehen. „Wir wollen keine Kürzungen“, sagte Lanz. Überproportionale Zuwächse bei Pharmaindustrie, Kliniken und Ärzteschaft könne sich aber keine Beitragszahlerin und kein Beitragszahler mehr leisten.

Wir wollen keine Kürzungen.

Wegen der steigenden Kosten hatten Krankenkassen zu Jahresbeginn auf breiter Front Beiträge erhöht. Laut Ministerium hoben 82 Kassen ihren Zusatzbeitrag an. Bei elf Kassen blieb er unverändert, nachdem es teils schon 2024 Erhöhungen gegeben hatte. Im Schnitt lag der Zusatzbeitrag Anfang 2025 bei 2,92 Prozent und damit höher als der amtliche Orientierungswert von 2,5 Prozent. Zum Gesamtbeitrag gehört neben dem Zusatzbeitrag, den jede Kasse für sich bestimmt, der allgemeine Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns.

DAK-Chef Storm fordert Kassensturz

Der Chef der Krankenkasse DAK-Gesundheit, Andreas Storm, fordert angesichts der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen von Union und SPD einen Kassensturz in der Gesundheitspolitik. „Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung ist so schlecht, wie sie noch nie war“, sagte Storm der Deutschen Presse-Agentur.

Trotz des höchsten Beitragssatzanstiegs in der Geschichte der Bundesrepublik zum Jahreswechsel seien die Finanzreserven der Kranken- und Pflegekassen weit unter das gesetzlich vorgeschriebene Maß von 20 Prozent einer Monatsausgabe gesunken. Einige Kassen seien bereits verschuldet.

Schätzerkreis soll zu Sondersitzung zusammenkommen

Gebraucht werde vor Abschluss der Verhandlungen zu Gesundheit und Pflege ein umfassender Finanzstatus. Dieser müsse Grundlage für Handlungsempfehlungen sein. Storm schlägt eine Sondertagung des Schätzerkreises vor, der jedes Jahr im Oktober die Rahmendaten für die Aufstellung der Kassenhaushalte gebe. Das Gremium müsste den Sonderauftrag bekommen, die Finanzlage der GKV und der sozialen Pflegeversicherung in diesem Jahr zu ermitteln. Außerdem solle es eine Prognose für das nächste Jahr und eine Einschätzung bis zum Ende der Wahlperiode abgeben.

Andreas Storm
Weychardt/DAK-Gesundheit
Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstandes der DAK-Gesundheit.

Wir müssen den Bundeszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung dynamisieren.

Storm hält mehrere Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzen für notwendig. Zumindest ein Teil der noch ausstehenden Corona-Finanzmittel müssten schnell an die Pflegeversicherung zurückgezahlt werden. Gesundheitsminister Lauterbach habe selbst deutlich gemacht, dass der Bund endlich die Krankenkassenausgaben für Bürgergeldempfänger ausfinanzieren muss. „Das fordern wir ja schon seit langem“, so Storm. Dort betrage die Unterfinanzierung bis zu zehn Milliarden Euro jährlich. „Und wir müssen den Bundeszuschuss für die gesetzliche Krankenversicherung dynamisieren.“

Freie Arztwahl nur über Zusatztarif?

Nötig sei, wieder zu einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik zu kommen und den Anstieg der Ausgaben zu begrenzen. „Das geht nur, wenn man einen Finanzstatus hat“, sagte Storm. Der Vorstandchef forderte eine bessere Steuerung. Dazu gehöre die Einführung eines Primärarztsystems. Das heißt, Patienten wenden sich zunächst immer nur an einen festgelegten Arzt, der bei Bedarf weitere Schritte veranlasst. Wer weiterhin freie Arztwahl haben möchte, könne das nach Storms Vorstellung über einen Zusatztarif bekommen. Außerdem müsse endlich die Reform der Notfallversorgung in Angriff genommen werden.

Storm forderte, den Transformationsfonds für den Umbau der Krankenhauslandschaft nicht mit Geld der Krankenversicherungen zu füllen, sondern aus dem vorgesehenen Sondervermögen für Infrastruktur. „Auch das entlastet die gesetzliche Krankenversicherung und würde weitere Beitragssteigerungen für Versicherte und Arbeitgeber vermeiden.“

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