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Extreme LastDie 55 DKG-Vorschläge zur Entbürokratisierung von Kliniken

Frust und verlorene Zeit für die Patientenbehandlung: Überbordende Dokumentation belastet das Personal und befeuert den Fachkräftemangel in Kliniken, so die Deutsche Krankenhausgesellschaft. Sie legt 55 Lösungsvorschläge zur Entbürokratisierung vor.

Eine Frau liegt im Pflegebett. Daneben steht eine Pflegekraft und dokumentiert.
contrastwerkstatt/stock.adobe.com
Symbolfoto

Drei Stunden – so viel Zeit verbringen Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte durchschnittlich am Tag mit Dokumentationsarbeiten. Drei Stunden, die häufig keinen Nutzen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten haben – laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG), die einen Abbau der Bürokratie einfordert. Ihr stößt auf, dass es immer mehr Dokumentationspflichten gibt, die die Bürokratie verschärfen und obendrein an der Motivation der Mitarbeitenden nagt, wodurch der Fachkräftemangel befeuert wird.

Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) im Auftrag der DKG unter 225 Allgemeinkrankenhäusern und 98 Psychiatrien hinsichtlich ihrer Bürokratiebelastung. Sie ergab, dass rechnerisch rund 21 600 Vollkräfte im ärztlichen und etwa 47 000 Vollkräfte im Pflegedienst freigesetzt werden würden, wenn sich der Dokumenationsaufwand um nur eine Stunde pro Tag reduzieren würde.

„Das Problem von medizinisch und pflegerisch viel zu oft nicht notwendiger Schreibarbeit ist völlig außer Kontrolle geraten“, sagt Dr. Gerald Gaß, DKG-Vorstandsvorsitzender. Drei Stunden pro Tag, das würde 116 600 von knapp 343 000 Vollkräften (34 Prozent) im Pflegedienst von Allgemeinkrankenhäusern und 59 500 von gut 165 200 ärztlichen Vollkräften bundesweit (36 Prozent) entsprechen.

Die Zahlen sind erschütternd.

Verschwendung von Arbeitskraft?

„Die Zahlen sind erschütternd“, sagt Gaß, denn die Fachkräfte stünden in dieser Zeit nicht er Patientenversorgung zu Verfügung. „Die Dokumentation hat sich über viele Jahre von einer notwendigen Nebentätigkeit zu einer extremen Last entwickelt“, fügt er hinzu. Es sei „schlicht inakzeptabel, dass Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte ein Drittel ihrer Arbeitszeit für Bürokratie einsetzen müssen.“ Gerade in Anbetracht des Fachkräftemangels stelle diese „Verschwendung wertvollster und hochqualifizierter Arbeitskraft“ ein großes Problem dar. Denn das Fachkräfteproblem könnte, so zeigten es die Zahlen, durch konsequente Entbürokratisierung deutlich verringert, wenn nicht sogar gelöst werden.

Zudem hieße weniger Bürokratie nicht nur mehr Zeit für die Patienten, sondern auch weniger Arbeitsbelastung und höhere Attraktivität der medizinischen und pflegerischen Berufe. Die Umfrage bestätigt, dass die Bürokratie außerdem die Arbeitsmotivation schmälert. Nahezu 100 Prozent der Beschäftigten der Allgemeinkrankenhäuser kritisieren den Dokumentationsaufwand sehr oft (77 Prozent) oder oft (22 Prozent). Kliniken befürchten, dass diese Bürokratiebelastung dazu führt, dass sich weniger Fachkräfte bewerben. Dies betrifft nicht nur die Allgemeinkrankenhäuser, sondern in fast demselben Maß auch die Psychiatrien.

In einer Zeit des Fachkräftemangels darf der Verwaltungsaufwand nicht die Lust auf die eigentliche Profession verderben.

Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz kam in Umfragen zu ähnlichen Ergebnissen. Wie die dortige Vizepräsidentin Andrea Bergsträßer erklärt, führe die unnötige Bürokratie nicht nur zu einem Motivationsproblem, sondern lasse auch einen Teil der Mitarbeitenden über einen Ausstieg aus dem Beruf nachdenken. „In einer Zeit des Fachkräftemangels darf der Verwaltungsaufwand nicht die Lust auf die eigentliche Profession verderben“, sagt sie.

Ein entscheidender Punkt im Bürokratieabbau sei mehr Vertrauen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern, erklärt der Pflegerische Bereichsleiter für Anästhesie und Intensivmedizin des Waldkrankenhauses Berlin-Spandau Denny Götze. Ständige Prüfungen und Kontrollen zu Qualitätssicherungsrichtlinien, Strukturvorgaben und Einzelfällen würden dazu führen, dass Mitarbeitende eine Vielzahl von Daten erheben und dokumentieren, die mit der direkten Patientenversorgung nicht in Verbindung stehen und keinerlei Auswirkung auf den Behandlungserfolg haben.

55 konkrete Vorschläge zum Abbau von Bürokratie

Verantwortliche in den Krankenhäusern haben bereits konkrete Vorschläge zum Abbau von Bürokratie formuliert – 55 an der Zahl. Dabei gibt es laut der stellvertretenden DKG-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Henriette Neumeyer fünf Kernanliegen:

  1. Die Nachweispflichten müssen grundlegend reduziert werden.
  2. Die Gesetzgebung muss sich einer realistischen Bürokratiefolgenabschätzung unterziehen.
  3. Es sind ausreichende Umsetzungsfristen notwendig.
  4. Normgebung und Normumsetzung müssen klar getrennt werden.
  5. Die Digitalisierung muss vorangetrieben werden.

Hier können Sie die Ergebnisse der Blitzumfrage einsehen.

Lauterbachs Gesetzentwürfe führen zu noch mehr Bürokratie

„Während andere Ressortchefinnen und -chefs dem Justizministerium Vorschläge zur Entbürokratisierung eingereicht haben, kam aus dem Gesundheitsministerium bisher nichts Substanzielles. Dabei behindert und lähmt die Bürokratie im Gesundheitssystem genauso wie in allen anderen Bereichen“, sagt Gaß. Es verwundere ihn, dass Prof. Dr. Karl Lauterbach dieses Problem noch nicht angegangen sei. Im Gegenteil: Die Gesetzentwürfe des Gesundheitsministers würden eher zu noch mehr Bürokratie führen.

So habe er beispielsweise die minutengenaue Dokumentation und Zuordnung von ärztlichen Leistungen zu jeder Leistungsgruppe beschlossen. Das bedeutet, dass jeder Arzt und jede Ärztin zukünftig genau angeben müssen, wie viel Zeit pro Tag welcher Leistungsgruppe zugeordnet ist. „Da aber Leistungsgruppe nicht gleich Abteilung ist, kann alleine schon bei einer Visite in einem Zimmer mit drei Patienten die aufgewendete Zeit verschiedenen Leistungsgruppen zugeordnet werden“, erklärt Gaß und betont: „Alleine diesen Wahnsinn muss man umgehend stoppen.“

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