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Uniklinik-Chef Jürgen GrafKrankenhausplanung aus Sicht des Adlers, nicht der Ameise

Was Nordrhein-Westfalen vorwegnimmt, beschäftigt die Kliniken republikweit: die Folgen der Krankenhausreform. Was ist zum Beispiel, wenn sich Patienten nicht an Ländergrenzen halten? Ein Detailblick auf Hessen und Rheinland-Pfalz.

Adler schaut geradeaus in die Kamera.
AyKayORG/stock.adobe.com
Symbolfoto

Bei der Krankenhausreform sind nun die Bundesländer am Zug: Sie müssen die allgemeinen Beschlüsse auf Bundesebene in konkrete Reformen vor Ort umsetzen. Eine viel diskutierte Frage ist dabei, was das zum Beispiel für das Rhein-Main-Gebiet mit seinen vielen Krankenhäusern oder für eher unterversorgte Landesteile in Hessen und Rheinland-Pfalz bedeutet?

Gerade dort, wo sich Patientenströme nicht an Ländergrenzen halten, herrscht Unsicherheit – etwa zwischen Wiesbaden und Mainz, aber auch zwischen Montabaur und Limburg sowie von Nordhessen Richtung Göttingen. Beispiel Universitätsmedizin Mainz: Die Patientenversorgung erfolge seit vielen Jahren auch über Bundesländergrenzen hinweg, heißt es hier. Es gebe einen Austausch von Hessen nach Rheinland-Pfalz. Dass hessische Kranke in Mainz behandelt würden, sei „eher Alltag denn Ausnahme“.

Wir nehmen Bettenkapazitäten aus dem überversorgten Markt heraus.

Im Ballungsraum Rhein-Main gibt es bereits eine erste Entwicklung, die der Reform gewissermaßen vorgreift: Das Frankfurter Universitätsklinikum hat zum 1. Januar 2025 das Krankenhaus Sachsenhausen übernommen, das bisher zu einem Verbund diakonischer Gesundheitseinrichtungen gehörte. Die wirtschaftliche Situation gerade von kleinen Häusern – vor allem auch mit Blick auf die bevorstehende Krankenhausreform – sei „äußerst angespannt“, begründet Geschäftsführer Hubertus Jaeger die Übernahme. 

„Wir nehmen mit der Übernahme Bettenkapazitäten aus dem überversorgten Markt heraus“, sagt Prof. Jürgen Graf, der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums. Er geht davon aus, dass die Krankenhausreform dazu führen wird, „dass in Regionen, in denen es überproportional viel Angebot gibt, Klinken schließen werden“.

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Eine solche Überversorgung gibt es aber selbst im Rhein-Main-Gebiet nicht überall. In Mainz etwa existiert neben der Unimedizin mit dem Marienhaus Klinikum nur ein weiteres Krankenhaus für die Akutversorgung – die beiden Häuser pflegen enge Absprachen und Kooperationen, wie es von der Unimedizin heißt. Das werde auch in Zukunft so bleiben. 

Die Universitätsmedizin erwartet im Zuge der Krankenhausreform künftig etwa zehn Prozent mehr Patienten mit komplexen Erkrankungen, weil solche nach Greifen der Reform eben nur noch von ausgewählten Häusern behandelt werden dürften. Das hat laut Universitätsmedizin Vorteile für die Patienten. Es bedeute aber auch, dass diese Angebote zukünftig besser koordiniert und abgestimmt werden müssten.

Kliniklandschaft Hessen

Dem Statistischen Landesamt zufolge gibt es in Hessen 148 Krankenhäuser mit zusammen knapp 35 000 Betten, die 2023 durchschnittlich zu 70 Prozent ausgelastet waren. 2023 wurden in Hessen demnach 1,2 Millionen Patienten vollstationär behandelt, die im Landesdurchschnitt 7,3 Tage im Krankenhaus lagen. Die Häusern hatten zuletzt 89 000 Beschäftigte. Von den 128 Krankenhäusern, die Teil der Landeskrankenhausplanung sind, befinden sich 45 in öffentlicher Trägerschaft, 36 haben einen frei gemeinnützigen und 47 einen privaten Träger. Es gibt zwei Universitätskliniken in Frankfurt und in Gießen/Marburg.

Laut Klinikbericht 2024 des Landesrechnungshofs sinkt die Zahl der Klinken und der Betten, die Zahl der Beschäftigten wächst. „Seit dem Jahr 2018 hat sich das wirtschaftliche Ergebnis der geprüften Kliniken kontinuierlich verschlechtert“, heißt es im Prüfbericht. Aus Sicht vieler Experten gibt es zu viele Krankenhäuser in Hessen. Das Angebot müsste konzentriert werden, heißt es, das würde die Versorgung günstiger und besser machen. Das gelte vor allem im überversorgten Rhein-Main-Gebiet.

Stärkere Zentralisierung und Spezialisierung

Auch der Geschäftsführer der Hessischen Krankenhausgesellschaft, Steffen Gramminger, sagt voraus, dass sich das Angebot der Krankenhäuser verändern wird. Eine Schließungswelle sieht er aber nicht. „Die Reform wird eine stärkere Zentralisierung und Spezialisierung fördern: Leistungen werden an weniger Orten angeboten, da komplexe Eingriffe zukünftig nur noch an Zentren erbracht werden sollen.“

Gramminger sieht darin ebenfalls Vorteile für Patienten. Sie möchten gut behandelt werden, egal ob in Hessen oder Rheinland-Pfalz. Für die Krankenhausplanung sei das aber „eine große Herausforderung“. Denn dafür sind die Bundesländer zuständig. Dass es kaum Planung über Landesgrenzen hinweg gebe, egal, wie eng der Raum vernetzt sei, sei „ein Nachteil des Föderalismus“, sagt Graf. Damit die Reform ein Erfolg werde, müsse man bei der Planung „die Perspektive des Adlers einnehmen und nicht die der Ameise“.

Kliniklandschaft Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz gibt es dem Verband der Ersatzkassen (vdek) zufolge rund 80 Krankenhäuser mit mehr als 100 Standorten. Das einzige Universitätsklinikum ist die Mainzer Unimedizin. Weitere größere Häuser sind etwa das Westpfalz-Klinikum, das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein oder das Klinikum Ludwigshafen. In Koblenz sitzt unter anderem auch das Bundeswehrzentralkrankenhaus. Die Kliniklandschaft ist auch von vielen kleinen Häusern geprägt.

Einem Gutachten des Institutes for Health Care Business zufolge haben rund 30 Prozent der Häuser weniger als 150 Betten. Das erschwere einen wirtschaftlichen Betrieb. Laut Gutachten schreiben in Rheinland-Pfalz mehr Krankenhäuser Verluste als im Bundesdurchschnitt. Mit fünf Klinikstandorte ist die Trägergesellschaft Süd-West des Deutschen Roten-Kreuzes vertreten. Nachdem die DRK-Krankenhäuser im August 2024 eine Insolvenz in Eigenverwaltung abgeschlossen hatten, stellten sie im Dezember 2024 einen erneuten Insolvenzantrag beim Amtsgericht in Mainz.

Risiko bei der ländlichen Versorgung

Der „Adler“ muss neben den Ballungsräumen auch das Land im Blick haben. „Das größte Risiko liegt in der Sicherstellung der ländlichen Versorgung und hier insbesondere in der Notfallversorgung“, sagt Gramminger. „Während der urbane Raum durch die Reform vergleichsweise stabil bleiben könnte, besteht die Gefahr, dass die Versorgung in strukturschwachen ländlichen Regionen sich weiter verschlechtert.“

Andreas Wermter, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, sagt voraus, dass es für Patienten zu längeren Wegezeiten kommen könnte. Wartelisten bei einzelnen Leistungen seien nicht auszuschließen, weil mit der Reform Behandlungen konzentriert würden, so Wermter: „Hier ist das Land gefordert, im Dialog mit allen Beteiligten und insbesondere den Krankenhausträgern die flächendeckende Versorgung auch zukünftig sicherzustellen.“

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