
"Selbst mit diesen Beschränkungen, die jetzt ja noch gelten, kriegen wir das nicht in den Griff. Dieser Anstieg jeden Tag - der wird immer schlimmer", sagte Stefan Kluge mit Blick auf die angespannte Corona-Lage am Montagabend dem "Hamburg Journal" im NDR Fernsehen. Sogar mit einem harten Lockdown werde der "Bremsweg mehrere Wochen lang" sein. Er gehe auf Basis von Berechnungen davon aus, dass die Kliniken in den kommenden Wochen deutlich mehr Intensivpatienten behandeln werden müssen als in der zweiten Welle. "Daher sollte man wirklich sicherlich jetzt (...) absolute Kontaktsperre und Kontaktreduzierung durchsetzen. Das geht anscheinend nur mit einem Lockdown", so der Mediziner.
In Hamburg gebe es etwa 550 Betten für Intensivpatienten. Auf den Intensivstationen der Hamburger Krankenhäuser wurden laut Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin am Dienstagvormittag 91 Corona-Patienten behandelt; davon mussten 57 invasiv beatmet werden. "Der Altersdurchschnitt verschiebt sich jetzt so ganz langsam. Im Schnitt liegt er bei unseren Patienten am UKE bei 56 Jahren", sagte Kluge dazu.
Intensivstationen füllen sich
Die Neuaufnahmen seien mit der britischen Mutation infiziert, über die man noch nicht viel wisse. "Wir wissen aber aus Großbritannien, dass die Liegezeiten eher länger sind und dass die Sterblichkeit höher ist. Also das Virus ist schon deutlich gefährlicher."
Als problematisch sieht Kluge zudem, dass durch die Corona-Intensivpatienten andere Patienten auf den Intensivstationen weniger Platz haben werden. "Wir kommen jetzt bald an die 100 ran und dann verdrängen die Covid-19-Intensivpatienten die anderen Patienten. Und wir müssen ja Notfallbetten vorhalten für Schlaganfälle, Herzinfarkte und dringende Operationen. Und das wird immer schwieriger."
Kritischste Phase der Pandemie
Bereits am Sonntag forderte auch die DIVI einen erneuten harten Lockdown. "Wir rennen sehenden Auges ins Verderben", sagte der Präsident der Vereinigung, Prof. Gernot Marx. Deutschland brauche kein Bergamo oder Szenarien wie in New York mit Patienten auf dem Fußboden, die sich zu zweit ein Beatmungsgerät teilen müssen. Um eine derartige Krise abzuwenden, müsse augenblicklich gehandelt werden.
"Wir müssen von den hohen Zahlen runter", mahnte Marx und riet zu einem Herunterfahren des öffentlichen Lebens über Ostern. "Das wird zahlreiche Leben retten und noch viel mehr Menschen vor lebenslangen Langzeitfolgen durch Covid bewahren." Aus der Perspektive Mediziners befinde sich Deutschland aktuell "in der wohl kritischsten und entscheidendsten Phase der Pandemie."
Düstere Prognose
Prof. Christian Karagiannidis und Prof. Steffen Weber-Carstens, beide medizinisch-wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, haben in den letzten Monaten gemeinsam mit einem Mathematiker der RWTH Aaachen Prof. Andreas Schuppert das DIVI-Prognosemodell aufgebaut. Auch auf Basis ihrer Berechnungen sei ein harter Lockdown derzeit dringend notwendig.
„Unser Modell zeigt mögliche Verläufe. Bis auf mehr als 4 500 Patienten werden wir auf jeden Fall wieder hochgehen. Das ist unvermeidbar. Wird dann ein harter Lockdown beschlossen, schaffen wir es knapp über 5 000 die Kurve wieder zu senken. Warten wir noch länger, und stoppen erst bei einer Inzidenz von 300 Ende April oder Anfang Mai, werden wir mehr als 6 000 Menschen mit Covid-19 auf Intensiv stehen. Ob wir das packen, wage ich zu bezweifeln,“ erklärt Karagiannidis.





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