
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach setzt sich neben dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek in Szene. „Bayern muss noch zum Nachgeben bewegt werden“, twitterte er zum Foto am Bodensee. Dort hatten sich die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister der Länder letzte Woche zu weiteren Verhandlung über die Krankenhausreform getroffen.
Holetschek antwortete prompt: „Es geht nicht ums Nachgeben, es geht um die beste Versorgung der Menschen“. Die Länder wollen möglichst wenig Kompetenzen bei der Krankenhausplanung abgeben und sich nicht zu viel vom Bund hereinreden lassen. Hinzu kommt die Landtagswahl in Bayern und eine medial angekündigte Insolvenzwelle der Kliniken. Jetzt haben die Bayern als einziges Land gegen das Eckpunktepapier votiert. Eine maximale Schlappe für Lauterbachs Reform.
Der Meister der Ankündigung
Mit großen Ankündigungen ist der Bundesgesundheitsminister vorgeprescht. Es werde eine Revolution kommen, kündigte er im Dezember 2022 an. Nach der Einigung verwendete Lauterbach die Formulierung erneut, obwohl es bestenfalls eine vage Zwischenlösung auf einem weitestgehend noch unausgereiften Weg ist. Dabei ist Lauterbach einer der langjährigen Gesundheitsexperten in Deutschland. Vor 20 Jahren führte er als Berater von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt die DRGs mit ein. Heute wendet er sich von den Fallpauschalen ab. Zu starke ökonomische Orientierung. Lauterbach spricht gerne vom Hamsterrad, dass er nun abgeschafft haben will (vielleicht irgendwann, vielleicht aber auch nicht). Die dazu notwendige Vorhaltevergütung wird aber erst ab 2026 voll wirksam. Und im Gesundheitsetat für 2024 sind auch keine Mittel zur Abwicklung, Umwidmung oder Umstrukturierung der Kliniken vorgesehen.
Das Argument des ökonomischen Drucks ist vorgeschobener Populismus. Das Problem sind vielmehr die Fehlanreize, wie schon an vielerlei Stellen beschrieben. Denn Qualität spielt keine Rolle im deutschen Gesundheitssystem. Dabei reden immer alle politischen Akteure davon. Scheinbar will sich daran nur keiner messen lassen. Einige werden sich noch an die qualitätsorientiere Vergütung mit Zu- und Abschlägen erinnern. Oder das 2015 gegründete IQTiG zur Erfassung von Qualitätsdaten.
Wozu leisten wir uns eigentlich immer neue Institutionen, wenn die reale Versorgung immer schlechter wird? Es wird ein Bürokratieapparat aufgebaut, der den Menschen keinen Nutzen liefert und die Arbeit der Leistungserbringenden erschwert. Jetzt soll es eine Transparenzoffensive geben, um die unterschiedliche Qualität nach außen besser darzustellen, jedoch ohne Folgen für den Krankenhausplan. Statt gute Qualität besser zu vergüten, geht man den indirekten Weg und erlaubt Krankenhäusern über die Zuteilung von Leistungsgruppen nur bestimmte Leistungen durchzuführen. Ein regulatorischer Albtraum!
Armageddon am Klinikmarkt
Währenddessen reden Politikerinnen und Politiker in den Medien vom großen Kliniksterben. Allen voran der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder: „Für hochwertige Medizin auf dem Land ist kein Geld mehr da.” Das ist gelinde gesagt grober Schwachsinn verpackt in Wahlkampfrhetorik. Dass die finanzielle Situation der Kliniken mitunter dramatisch ist, hat auch der jüngst erschienene Krankenhaus Rating Report herausgearbeitet, der die wirtschaftliche Lage der Kliniken analysiert. Diese Nachricht kommt aber nicht überraschend. Seit mindestens einem Jahrzehnt werden scheintote Krankenhäuser von Kommunen und Ländern am Leben erhalten, insbesondere in Bayern. Es ist in erster Linie ein politisches Problem, weil die Wählenden an ihrem Krankenhaus vor Ort hängen. Das dies jedoch kein Zukunftskonzept ist und Steuergeld zur Subventionierung überflüssiger Klinikkapazitäten nicht ewig reichen wird, zeigt sich nun immer deutlicher.
Es gibt den breiten Konsens der Fachleute, dass wir weniger Krankenhäuser für die Spitzenmedizin brauchen. Und es ist auch klar, dass teilweise Vorhaltefinanzierung sinnvoll ist. Die Vergütung von Vorhalteleistungen soll jetzt auch kommen (Ende des Hamsterrads). Interessanterweise sollen aber die Erlösvolumina gar nicht steigen. Das wird aber unumgänglich sein. Ganz einfache betriebswirtschaftliche Logik: wenn meine Erlöse heute mit Fallpauschalen nicht kostendeckend sind und ich zukünftig alle Kosten gedeckt bekommen soll, wird es definitiv teurer (Erlösausdehnung).
Die gesetzlichen Krankenkassen fragen derweil, wer das finanzieren soll. Wenn Lauterbach und die Kassen Glück haben, gibt es jetzt die ungesteuerte Strukturbereinigung per Insolvenzwelle, wovor auf breiter Front gewarnt wird. Der Deutsche Gewerkschaftsbund zeigte wenig Begeisterung für dieses Szenario. Auch die Interessenvertretung der Fachpflege meldete deutliche Kritik am Eckpunktepapier. Für die Pflegenden in den Kliniken ergeben sich aus diesem Reformpaket keine Verbesserungen.
Weit hinter allen Potenzialen
Die Hoffnung der Bürgerinnen und Bürger in den Public Health Experten aus dem Rheinland war groß. Endlich mal (wieder) ein Mann vom Fach. Die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Gesundheitsministers an allen Ecken zeigt sich jetzt bei allen Vorhaben. Breite Enttäuschung bei der Cannabis-Legalisierung, zahlreiche Probleme beim Digitalisierungsfortschritt, Kürzungen beim Pflegezuschuss, noch keiner der 1000 angekündigten Gesundheitskioske realisiert, teure Vernichtung überschüssiger Covid-Impfdosen oder die versemmelte Krankenhausreform.
Die Performance ist mehr als enttäuschend. Hinzu kommt seine Führungsschwäche im eigenen Haus. Pünktlich zum Auftakt der DMEA sickerte durch, dass Gematik-Chef Markus Leyck-Dieken entlassen werden soll. The Pioneer berichtete, dass der Mann aus der Wirtschaft zu schwer steuerbar sei. Dabei gab es aus der Community viel Lob für den Weg der Gematik zur Digital-Agentur. Viele rechnen nun damit, dass die Gematik an Dynamik und Geschwindigkeit deutlich einbüßen könnte.
Karl Lauterbach kann seine Erfolgsbilanz schlussendlich egal sein. Er hat keine politische Zukunft. Seine Ernennung zum Gesundheitsminister kam für ihn ebenso überraschend, wie für die Akteure der Branche. Dabei verdankt er das Amt lediglich seiner Medienpräsenz während der Corona-Pandemie. Ernsthafte politische Ambitionen, wie bei seinem Vorgänger Jens Spahn, werden ihm jedenfalls nicht nachgesagt und sind angesichts seiner bisherigen Bilanz im Bundestag auch nicht zu erwarten. Stattdessen wird er sich weiterhin medienwirksam in Szene setzen, tatenlose Ankündigungen ausposaunen und das deutschen Gesundheitswesen in einem noch maroden Zustand an seinen Nachfolger übergeben.






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