
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beharren im Streit um die Klinikreform weiter auf ihren Standpunkten. Es geht um nichts weniger als einen radikalen Umbau der Krankenhauslandschaft, um Spezialisierung und Konzentration. Nicht jede Klinik soll mehr alle medizinischen Leistungen anbieten. Und es geht um mehr Transparenz für den Patienten und darum, den wirtschaftlichen Druck aus dem ganzen System zu nehmen.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) sprach am Mittwoch von einer „kritischen Phase“ in der Entwicklung der Reform. Spätestens am 10. Juli, wenn man sich mit den Bundestagsfraktionen treffe, müsse man den Knoten durchschlagen haben. Am frühen Abend twitterte er ein Foto gemeinsam mit Bayerns Minister Klaus Holetschek: „Verhandlungen auf dem Bodensee. Es läuft noch mäßig. Aber der Kollege Klaus Holetschek aus Bayern muss noch zum Nachgeben bewegt werden…“
Die Streitpunkte:
Geld: Klare Absage von Lauterbach
Viele Kliniken stehen kurz vor der Insolvenz. Die Länder pochen deshalb auf mehr Geld – und zwar noch vor Inkrafttreten der Reform. Der Chef der Gesundheitsministerkonferenz und Ressortchef von Baden-Württemberg, Manne Lucha (Grüne), betonte, es müsse ausreichend finanzieller Spielraum geschaffen werden, damit Kliniken nicht noch vor der Umsetzung der Reform pleitegingen. Lauterbach erteilte dieser Forderung unmittelbar nach seiner Ankunft am Bodensee eine klare Absage. Es seien keine Vorschaltmittel verfügbar, so der SPD-Politiker. Es sei zudem sinnvoll, erstmal die Klinikreform zu machen und zu sehen, welche Kliniken überhaupt noch gebraucht würden und eine Zukunft hätten. „Es wird uns auf keinen Fall gelingen – egal was wir tun –, jede deutsche Klinik am Netz zu halten.“ Für die 1719 Kliniken in Deutschland gebe es auch nicht ausreichend Personal, so der Bundesminister.
Transparenz: Einheitliche Qualitätsvorgaben gefordert
Nicht jede Klinik kann alles gleich gut. Der Bund pocht auf einheitliche Qualitätsvorgaben, das Leistungsniveau der Kliniken soll transparenter werden. Fallzahlen von medizinischen Eingriffen sind dabei wichtig, Komplikationsraten, die Menge an Fachpersonal. „Bisher sind diese Daten viel zu wenig genutzt worden, um den Patienten in die Lage zu versetzen, dass er sich die richtige Klinik für seine Krebshandlung aussucht“, sagte Lauterbach. Den Ländern wirft der Bund eine Blockadehaltung vor, weil diese Angst hätten, dass der Ruf mancher nicht so guter Klinik damit ruiniert werden könne. „Da ist uns die Transparenz für den Patienten wichtiger als der Ruf der ein oder anderen Klinik, die glaubt, dass sie hier vielleicht etwas verbergen muss“, sagte Lauterbach.
Es ist verwunderlich, dass sich die Länder gegen die vom Bund geplante Qualitätstransparenz so massiv wehren.
Auch der GKV-Spitzenverband warf den Ländern vor, Transparenz zu blockieren. „Für Patientinnen und Patienten wäre es eine echte Verbesserung, wenn die gleiche Versorgungsqualität in Krankenhäusern von Nord bis Süd schnell und einfach zugänglich und zu erkennen wäre“, sagte Stefanie Stoff-Ahnis vom GKV-Spitzenverband. „Es ist verwunderlich, dass sich die Länder gegen die vom Bund geplante Qualitätstransparenz so massiv wehren, statt die Versorgung zu verbessern.“ Die Länder streiten den Vorwurf ab – die Daten seien bereits jetzt verfügbar.
Krankenhausplanung soll Ländersache bleiben
Die Länder pochen darauf, dass der Bund ihnen nicht in die Planung ihrer Kliniklandschaft hineinredet. Im Rahmen der Reform werde sich nach Worten von GMK-Chef Lucha die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger aber keinesfalls verschlechtern. „Leistungen sollen nicht wegfallen, sondern sie sollen weiterhin für die Bevölkerung zur Verfügung stehen“, sagte er. „An welchen Standorten die dann angeboten werden, das ist jetzt die Aufgabe der Umsetzung.“
Partielle Abkehr vom DRG-System wahrscheinlich
Am Donnerstag ist eine Pressekonferenz anberaumt. Gastgeber Lucha sagte am Mittwoch, dass er guten Mutes sei, dass man in Friedrichshafen zu einer Einigung komme. Als weitgehend geeint gilt zumindest die partielle Abkehr vom sogenannten Fallpauschalen-Prinzip, auch ein Kernstück der geplanten Reform. Das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle soll geändert werden, um die Krankenhäuser von wirtschaftlichem Druck zu befreien. Lucha sagte, für diesen Bereich sehe er momentan das größte Einigungspotenzial.

Vor dem Kongresszentrum in Friedrichshafen demonstrierten am Mittwoch Hunderte Menschen für einen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik. Sie kritisierten unter anderem, dass man das Fallpauschalensystem nicht komplett abschaffe. Auf ihren Bannern stand etwa „Gemeinwohl statt Profit“ oder „Genug gespart“. Die Gewerkschaft Verdi hatte dazu aufgerufen. Die Gesundheitsminister wurden teils ausgebuht, als sie auf die Bühne traten.
Beschlüsse zu Fachkräftebedarf und KI
Während die Krankenhausreform noch in der Schwebe ist, konnten für andere Themen Beschlüsse gefasst werden, unter anderem:
- Fachkräftebedarf im Gesundheitswesen sichern. „Alle Beteiligten – der Bund, wir Länder und die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber – müssen intensiv daran arbeiten, dass mehr Menschen Berufe im Gesundheitswesen ergreifen und vor allem dann auch in der Branche bleiben“, betonte GMK-Vorsitzender Lucha. Wichtig seien jetzt beispielsweise Schulgeldfreiheit in allen Bereichen, Anreize für Berufsaussteiger/-innen zum Wiedereinstieg und für Teilzeitbeschäf-tigte zur Erhöhung der Wochenarbeitszeit, einfachere Anerkennung ausländi-scher Berufsqualifikationen im Gesundheitswesen, die Entbürokratisierung der Pflege und weniger Leiharbeit in der Pflege. Dies sei bundesrechtlich zu regeln.
- Künstliche Intelligenz in der Gesundheitsversorgung: KI-Anwendungen verbleiben häufig im Forschungskontext und erlangen keine Marktreife, sodass sich das Verbesserungspotenzial beispielsweise in der Diagnostik, Behandlungsdokumentation und Therapie nicht entfalten kann. Die Länder betonen in ihrem Beschluss die Chancen von KI und den dringend notwendigen Transfer in den Versorgungsalltag. „KI wird nicht nur Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern, sondern kann auch unser Gesundheitswesen krisenfester und patientenorientierter machen“, erklärte Lucha.
- Gesundheitsdatennutzung: Die Länder begrüßen die Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im März vorgelegt hatte. Die elektronische Patientenakte (ePA) ist hierbei ein wesentlicher Punkt. „Akzeptanz findet Digitalisierung bei den Menschen nur, wenn sie komfortabel und niedrigschwellig, also kinderleicht zu bedienen ist“, sagte der GMK-Vorsitzende Manne Lucha. Um das insbesondere bei der elektronischen Patientenakte zu gewährleisten, fordern die Länder ein Förderprogramm zur begleiteten Anwendung, das dazu dient, dass Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte und weitere Nutzergruppen die Vorteile der ePA erleben und in ihrer Digitalkompetenz gestärkt werden.







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