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Auf- und Absteiger des MonatsUmsatz und Ergebnis bei Vivantes über Plan, aber mit Haken

Der Vivantes-Konzern machte 2022 trotz Umsatz über Plan 72 Millionen Euro Verluste. Das Land Berlin musste erneut finanziell aushelfen und wird dies weiter tun: Bis 2026 sind fast 700 Millionen Euro Steuermittel vorgesehen.

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Thieme Gruppe
Jeden Monat analysiert der Börsenexperte Hartmut Schmidt die finanzielle Lage deutscher Krankenhäuser anhand von Jahresabschlüssen aus Geschäftsberichten und dem elektronischen Bundesanzeiger.

Wie 2021 war das Management von Vivantes mit der Geschäftsentwicklung für 2022 zufrieden. Denn genau wie im Vorjahr lagen sowohl der Umsatz als auch das Ergebnis 2022 über den Plänen: So wurden 2022 statt einem geplanten Umsatz von 1489 Millionen Euro 1533 Millionen Euro erzielt. 2021 waren es 1567 Millionen Euro. Und das geplante EBITDA bzw. EAT wurde um 40,8 bzw. 37 Millionen Euro überschritten. Was auf den ersten Blick vielversprechend klingt, relativiert sich schnell: Zum einen beruhten diese Überschreitungen (wie schon 2021) auf Einmalzahlungen, wie Corona-Ausgleichszahlungen oder Zusatzentgelten. Zum anderen betrug das EAT minus 72 Millionen Euro – 2021 waren es plus 3,3 Millionen Euro aufgrund realisierter Gewinne aus Grundstücksveräußerungen von 60,9 Millionen Euro. Abzuwarten ist, ob sich die Geschäftsführung für die Planüberschreitung 2022 in Form einer erfolgsabhängigen Vergütung belohnt. Für 2021 gönnte sie sich insgesamt 244 Tausend Euro.

Zusatzvergütungen mit Fragezeichen

Die Zusatzvergütungen sind auch deshalb problematisch, weil das Land Berlin bereits 128 Millionen Euro in das Eigenkapital einzahlen musste, um die Liquidität zu sichern und das Eigenkapital aufgrund der Verluste zu schonen (2021 zahlte Berlin 183 Millionen Euro ins Eigenkapital). Aufgrund dieser Finanzspritzen verschlechterte sich die Bilanzqualität kaum: trotz der Verluste, des negativen Cashflows aus operativer Geschäftstätigkeit von 82 Millionen Euro (2021 waren es minus 106 Millionen Euro) und hohen eigenmittelfinanzierten Investitionen von 94 Millionen Euro (2021 waren es 106 Millionen Euro). Das Gesamtvermögen 2022 stieg im Vergleich zu 2021 von 1800 auf 1972 Millionen Euro aufgrund eines Anstiegs der Forderungen nach Krankenhausfinanzierungsrecht um 192 auf 331 Millionen. Dabei waren 43 Prozent eigenfinanziert (2021: 44 Prozent), 22 Prozent durch Fördermittel (2021: 23 Prozent) und sechs Prozent durch Banken finanziert (2021: acht Prozent).

689 Millionen Euro Steuermittel bis 2026

Für 2023 erwartet das Unternehmen einen Anstieg des Umsatzes um drei Prozent auf 1581 Millionen Euro. Dieses Plus basiert zum einen auf einer Erhöhung der Leistung (Anstieg der Fallzahlen um 16 Prozent auf 217 000). Zum anderen steigt der Basisfallwert um 4,4 Prozent. Der Ertrag soll hingegen deutlich schlechter als 2022 ausfallen: Aufgrund fehlender Corona-Zahlungen und ohne Erträge aus Anlageabgängen erwartet das Management einen gegenüber 2022 mehr als doppelt so hohen Verlust von 150 Millionen Euro. Dies hat in Verbindung mit der fehlenden Fähigkeit, Gelder am Kapitalmarkt aufzunehmen und dem ansteigenden Liquiditätsbedarf zur Folge, dass das Land Berlin weiter Geld in seinen Krankenhauskonzern pumpen muss. Nachdem von 2019 bis 2022 rund 515 Millionen Euro ins Eigenkapital eingezahlt wurden, wurden im Doppelhaushalt 2022/23 des Landes Berlin Investitionspauschalen, Eigenkapitalzuführungen Zuschüsse zum Ausgleich von Jahresfehlbeträgen von insgesamt 689 Millionen Euro von 2023 bis 2026 für Vivantes eingestellt.

Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH

Mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent (in der Psychiatrie 50 Prozent) ist Vivantes das führende Krankenhausunternehmen in Berlin. Es ging aus der Zusammenführung von neun ehemals städtischen Krankenhäusern hervor. Alleineigentümer ist das Land Berlin, das Vivantes in den Anfangsjahren finanziell kräftig unterstützen musste und dies infolge von Liquiditätsengpässen weiter tun muss. Die seit 2004 geschriebene Erfolgsstory brach 2020 ab. Mit der Folge einer forcierten Umsetzung der Strategie. Diese beinhaltet die Umsetzung des Ergebnissicherungsprogramms ESP mit identifizierten Einsparpotenzialen von 40 Millionen Euro; die Steigerung des Marktanteils in Berlin und Leistungssteigerungen vor allem in den Bereichen Krankenhäuser, Pflege und Komfortklinik; Investitionen zur Erweiterung der Kapazitäten bzw. zum Abbau des Instandhaltungsrückstands und zur Steigerung der Qualität und die Intensivierung der Kooperation mit der Charité.

Finanziell weitgehend stabil entwickelte sich auch im zweiten Quartal 2023 der Klinikkonzern Asklepios. Der Umsatz stieg um 2,8 Prozent auf 1367 Millionen Euro, trotz eines Rückgangs der stationären und ambulanten Fallzahlen um ein bzw. acht Prozent auf 188 bzw. 665 Tausend. Ertragsseitig zeigte sich dagegen ein differenziertes Bild: Während das EBITDA um 1,2 Prozent auf 139 Millionen Euro sank, konnte das EBIT aufgrund gesunkener Abschreibungen um 3,9 Prozent auf 63 Millionen Euro gesteigert werden. Angesichts eines deutlich angestiegenen negativen Finanzergebnisses reduzierten sich allerdings EBT und EAT um 24,8 und 25,3 Prozent auf 45 und 36 Millionen Euro.

Aufgrund einer erwarteten stabilen Geschäftsentwicklung auch in der zweiten Jahreshälfte plant das Unternehmen unverändert eine leichte Verbesserung des operativen (EBIT-) Ergebnisses. Zudem ist das Unternehmen für die Zeit nach 2023 bestens gerüstet: Es verfügt größenbedingt über deutliche Synergiepotenziale und ist finanziell bestens aufgestellt. Neben 642 Millionen Euro Liquidität bestehen nicht genutzte Kreditlinien von 673 Millionen Euro. Damit stehen insgesamt 1315 Millionen Euro kurzfristig realisierbare Reserven für zukünftige Expansionsschritte zur Verfügung.

Mednation ist der neue Name der Eifelhöhen-Klinik AG, einem kleinen Betreiber dreier Reha-Kliniken in Nordrhein-Westfalen. Die Umfirmierung erfolgte nach einem Vorstandswechsel Ende 2021 und ist Teil der neuen Strategie, die darauf abzielt, den Konzern durch die Einführung zusätzlicher Angebote außerhalb des GKV-Bereichs breiter und profitabler aufzustellen.

Nach einem Jahr der Umorientierung 2022 sind die jüngst veröffentlichten Zahlen des ersten Halbjahres 2023 Anlass zur Hoffnung: Die Kapazitäten der Kliniken waren voll ausgelastet und der Umsatz konnte um 21,7 Prozent auf 21 Millionen Euro gesteigert werden. Zudem entwickelte sich der Ertrag weitgehend stabil, trotz einem (nicht näher erläuterten) „finanziellen Desaster in der kardiologischen Rehaklinik in Mönchengladbach“. So reduzierten sich EBITDA und EBIT nur leicht um 3,8 und 6,5 Prozent auf 2,8 und 1,1 Millionen Euro; der EBT-Verlust erhöhte sich von 0,4 auf 0,5 Millionen Euro. 

Dank getroffener Maßnahmen in Mönchengladbach wurde die Klinik wieder in die Gewinnzone geführt, darunter Kapazitätserhöhungen durch die Umstellung von Einzel- auf Doppelzimmer sowie mit dem Eigentümer der Klinik vereinbarte Pachtreduzierungen in der Bonner Kaiser-Karl-Klinik. Somit ist Licht am Ende des Tunnels erkennbar: Nachdem in den letzten Jahren mehr oder weniger hohe Verluste ausgewiesen werden mussten, erwartet das Management für 2023 einen leichten Gewinn von 0,1 Millionen Euro (auf Basis Handelsgesetzbuch).

Mit 17 Einrichtungen im Bereich Pflege (2008 Betten) und zwei in der Reha (582 Betten) gehören die Maternus Kliniken zu den größeren deutschen Anbietern der stationären Gesundheitsversorgung. Sie sind seit 2007 Teil der CURA-Unternehmensgruppe und weisen seit Jahren weitgehend hohe Verluste auf. Das erste Halbjahr 2023 knüpfte unverändert an die verlustreiche Vergangenheit an: Während der Umsatz gegenüber dem ersten Halbjahr des Vorjahres um 7,7 Prozent auf 50,7 Millionen Euro schrumpfte, verschlechterten sich die Ertragskennziffern auf allen Ebenen. So reduzierte sich das EBIT von 3,5 auf minus eine Million Euro, und das EBIT- bzw. EBT-Minus stieg von 1,9 auf 5,6 bzw. 4,3 auf neun Millionen Euro.

Neben reduzierten Corona-Ausgleichszahlungen und dem beendeten Pachtvertrag einer Einrichtung in Leipzig Ende 2022 waren gestiegene Kosten in allen Bereichen ursächlich, unter anderem in den Bereichen Fremdpersonal und Instandhaltung. Die Folgen für die Bilanz: Während sich das Eigenkapital von negativen 37,6 Millionen Euro Ende 2022 auf minus 46,7 Millionen Euro erhöhte, stiegen die finanziellen Verbindlichkeiten (inkl. Verbindlichkeiten aus Nutzungsrechten) von 170 auf 183 Millionen Euro.

Für das zweiten Halbjahr 2023 erwartet das Unternehmen zwar eine leichte Besserung gegenüber den jetzt vorgelegten Zahlen: Bei einem Umsatz von mindestens 103,5 Millionen Euro (2022 waren es 106,7 Millionen Euro) soll sich das EBITDA wieder über die Nulllinie bewegen (2022 waren es 1,7 Millionen Euro); nach Abschreibungen, Finanzaufwendungen und Steuer ist allerdings wiederum mit deutlich roten Zahlen zu rechnen. Angesichts der geringen Finanz- und Ertragskraft in Verbindung mit den seit Jahren bestehenden Problemen in beiden Bereichen Reha und Pflege bleiben die Perspektiven für 2024 getrübt. Die hohe Börsenbewertung der Aktie – bei dem derzeitigen Kurs von rund vier Euro je Aktie wird das Eigenkapital mit knapp 90 Millionen Euro bewertet – ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.

Was EAT, EBT & Co. bedeuten

EAT steht für „Earnings After Taxes" und bezeichnet den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens nach Abzug von Steuern.

EBT steht für "Earnings Before Taxes" und beschreibt den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens vor Steuern.

EBIT steht für "Earnings Before Interest and Taxes" und zeigt den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens vor Abzug von Zinsen und Steuern.

EBITA steht für "Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization" und gibt den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens vor der Abschreibung auf Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte an.

EBITDAR steht für "Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation, Amortization and Rent" und bezeichnet den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens vor der Berücksichtigung von Miete oder Leasingkosten.

Cashflow bezeichnet den Geldfluss, der durch die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens generiert wird und ist eine wichtige Kennzahl der finanziellen Leistungsfähigkeit.

Casemix ist eine Methode zur Bestimmung von Fallpauschalen, welche die Behandlungskosten eines Patienten im Krankenhaus abdecken. Der Casemix wird durch die Kombination von Diagnose- und Behandlungsparametern, wie Alter, Geschlecht, Verweildauer und Schweregrad der Erkrankung, berechnet.

Periodenfremde Erträge sind Erträge, die nicht dem Berichtszeitraum zuzuordnen sind.

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