
Im Akutkliniksektor nimmt seit dem Ende der Corona-Hilfen die Zahl der Zahlungsschwierigkeiten und Insolvenzen rasant zu. Es wird von einer kalten Strukturbereinigung gesprochen. Inflation und hohe Tarifabschlüsse haben die Betriebskosten stark erhöht, ohne ausreichenden und zeitnahen Ausgleich. Darüber hinaus drückt das stetig steigende Eigenfinanzierungserfordernis für den Abbau des immensen Investitionsrückstaus die Liquiditätssituation der Krankenhäuser. Jahrzehntelang geplante Betten-Überkapazitäten binden Kapital und Personal, die an anderen Stellen dringend benötigt werden.
Nach einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Bundesverbands der Verbraucherzentrale im September 2024 machen sich 69 Prozent der Befragten über die Gesundheitsversorgung große oder sehr große Sorgen. Die Gesundheitsversorgung ist damit in Deutschland das Sorgenthema Nummer eins. Die finanzielle Verfassung von Gesundheitsdienstleistern und ihre Attraktivität für externe Kapitalgeber hat eine große gesellschaftliche Bedeutung, um die chronische Unterfinanzierung zu beseitigen und stabile Verhältnisse zur Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen sicherzustellen. Da die Verluste im Akutkliniksektor zunehmen, kann schon lange keine Rede davon sein, dass mit dem Geld der Versicherten vornehmlich Ausschüttungen und Dividenden finanziert werden.
Krankenhausreform beseitigt nicht aktuelle Finanzprobleme
Die Herstellung der Ausschüttungsfähigkeit ist jedoch die Voraussetzung dafür, dass die dringend benötigte Liquidität oder Investitionsfinanzierung zur Verfügung gestellt wird. Nur so kann dauerhaft einem weiteren Ansteigen der Krankenversicherungsbeiträge und der Beanspruchung von Länderhaushalten entgegengewirkt werden. Die angedachte Krankenhausreform soll trotz Abbau der teuren Überkapazitäten eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsdienstleistungen gewährleisten. Der Transformationsfonds soll Spezialisierungen, Kooperationen, Abteilungsschließungen und sektorenübergreifende Umstrukturierungen unterstützen. Nicht vorgesehen sind die Fondsmittel aber für die Deckung aktueller Liquiditätsprobleme oder die Finanzierung laufender Neubauvorhaben und die Anschaffung medizinischer Großgeräte.
Ob mit der Einführung der Vorhaltepauschalen eine sogenannte Entökonomisierung einhergeht, ist zweifelhaft – im Gegenteil: Durch Absenkung der Grenzerlöse gewinnt das ökonomische Entscheidungskalkül „Mengensteuerung so, dass die Grenzkosten die Grenzerlöse gerade noch unterschreiten“ erst recht an Bedeutung. Durch die Neuaufteilung der Fallpauschalen in Vorhaltepauschalen und „Rest“-Fallpauschalen werden dem Klinikmarkt außerdem keine zusätzlichen Mittel zufließen; die Mittel werden lediglich anders allokiert. Die länderspezifische Investitionsförderung ist nicht Gegenstand der Krankenhausreform. Die damit zusammenhängenden Finanzierungsprobleme verschärfen sich weiter. Mit Einführung der dualen Finanzierung sind viele Neubauten entstanden, die nunmehr - 50 Jahre später - sanierungsbedürftig sind oder vollständig ersetzt werden müssen. Parallel ist die durchschnittliche Fördermittelquote kontinuierlich auf unter 50 Prozent gesunken. Viele Bundesländer sind dazu übergegangen, die Einzelförderungen durch Förderung eines Kapitaldienstes zeitlich zu strecken (Förderdarlehen oder Baupauschalen).
Neuer Partner als stabile, dauerhafte Lösung?
Erfahrungsgemäß wird für Akutkliniken erst dann ein neuer Eigentümer gesucht, wenn der bisherige Träger des Krankenhauses nicht mehr willens oder in der Lage ist, die Krankenhausdefizite weiterhin zu decken. Solitäre freigemeinnützige Krankenhäuser unterhalb einer kritischen Größe sind derzeit am stärksten von Liquiditätsproblemen bis hin zur Insolvenzgefahr betroffen, da ihre Träger die knappen Finanzmittel für andere karitative Maßnahmen verwenden, statt selbst die komplexe Sanierung der Akutklinik in einem hochregulierten Umfeld finanzieren zu können.
Mit der Verschlechterung der kommunalen Haushalte ist damit zu rechnen, dass öffentliche Krankenhäuser zunehmend in Zahlungsschwierigkeiten geraten, da ihre Eigentümer keine Zuschüsse leisten oder Darlehen gewähren (können). Die Verwendung öffentlicher Mittel für die Gesundheitsversorgung konkurriert gerade in Zeiten angespannter Kommunalhaushalte mit anderen Verwendungsformen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dabei bedingt der Versorgungsauftrag der Kommunen nicht, dass diese selbst Krankenhäuser betreiben müssten. Sie können auch finanzstarke Interessenten mit Markt- und Restrukturierungserfahrung damit betrauen.
Wenn die eigenen Restrukturierungspotenziale ausgeschöpft oder nicht finanzierbar sind, sollte die Aufnahme eines sachkundigen und finanzstarken Partners erwogen werden, um eine kalte Strukturbereinigung zu verhindern, bei der ein derzeitiger Eigentümer „passiver Zuschauer am Spielfeldrand“ ist und nur indirekt Einfluss auf das weitere Schicksal seines Krankenhauses nehmen kann. Eine rechtzeitig eingeleitete, strukturierte und geordnete Suche nach einem Partner für das Krankenhaus erhält dem bisherigen Träger ein Mindestmaß an Gestaltungsoptionen und verhindert eine mögliche Organhaftung.
Über die Autoren
Dr. Andreas Langemann ist Associate Partner der Transaktions- und Finanzberatung Corporate Finance Mittelstandsberatung GmbH (CF-MB). Zuvor leitete er den M&A-Bereich einer Beratungsgesellschaft für Gesundheitsdienstleister, nachdem er für einen Gesundheitskonzern mit Akutklinikschwerpunkt führend tätig war. Seine berufliche Karriere hat er bei der Prüfungsgesellschaft Deloitte in der Transaktionsberatung begonnen und sich im Anschluss bei einer Investmentbank auf den Gesundheitssektor spezialisiert. Dr. Langemann verfügt über eine 25-jährige Beratungserfahrung mit rund 75 begleiteten Transaktionen im Gesundheitssektor.
Carsten Häming ist Managing Partner der Transaktions- und Finanzberatung Corporate Finance Mittelstandsberatung GmbH (CF-MB). Er verfügt über mehrjährige Transaktionserfahrung im deutschsprachigen und europäischen Corporate Finance Markt, insbesondere im Healthcare-Sektor. Dabei hat er diverse Mandanten, darunter führende Unternehmen aus dem Gesundheitswesen, bei Desinvestitionen und Akquisitionen begleitet. Er war beratend sowohl auf der Kauf- als auch auf der Verkaufsseite tätig und hat dabei komplexe Transaktionen für Konzerne, große und mittelständische Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen erfolgreich umgesetzt.
Überlegungen seitens potenzieller Partner
Wegen der Unwägbarkeiten im Zusammenhang mit der Krankenhausreform scheuen zurzeit die meisten Interessenten ein potenzielles Fehlinvestment. Dennoch ist der Akutkliniksektor für strategische Partner weiterhin interessant, sobald sich die entsprechenden Unsicherheiten verringern:
- Die Betreiber von Krankenhäusern bewegen sich in einem relativ gut geschützten regionalen Monopol. Durch öffentlich-rechtliche Genehmigungen und Zulassungen sind die Marktzugangshürden hoch.
- Wegen der starken Marktfragmentierung besteht ein großes überregionales Konsolidierungspotenzial. Horizontale Synergien existieren etwa beim Personaleinsatz, im Wissensmanagement und bei der Erbringung zentraler Dienstleistungen. Einzelhäuser sind mit diesen Dienstleistungen überfordert, in Verbünden können diese dort gepoolt werden, wo eine Kooperation benachbarter Häuser an Partikularinteressen scheitert.
- Vertikale Synergien zwischen Prävention, Akut, Reha und Pflege oder zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärleistungen können bei solitären Häusern aufgrund mangelnder Größe oder fehlenden Kapitals nicht gehoben werden. Finanzstarke Verbünde haben hier einen Vorteil.
- Die Forderungsausfallquoten von Akutkliniken sind gegenüber anderen Branchen gering. Die Ausfälle bei Zahlungsschwierigkeiten der Selbstzahler oder nach negativer Prüfung des Medizinischen Dienstes sind recht gut abschätzbar. Die Planungsunsicherheit für künftige Cashflows ist vergleichsweise niedrig. Grundsätzlich ist die demografische Entwicklung Gewähr für eine hohe Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen.
- Durch die dezentrale Organisation sind bereichsübergreifender Datenfluss, Betten- und OP-Saal-Management sowie die Wissensteilung stark unterentwickelt. Die daraus resultierenden Ineffizienzen können etwa durch verbesserte Organisation und Digitalisierung reduziert werden.
- Die Professionalisierung der Aufsichtsgremien, die Finanzplanung sowie das Verständnis für eine funktionierende Corporate Governance sind vor dem Hintergrund der aktuellen Anforderungen häufig nicht adäquat. Das Know-how hierzu kommt regelmäßig von außen.







Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen