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LeistungsgruppenIn Fachkliniken geht die Existenzangst um

Fach- und Rehakliniken befürchten empfindliche Nachteile durch die Reform der Krankenhausfinanzierung. Ohne Veränderungen am KHVVG stünden viele Fachkrankenhäuser vor dem Aus. kma hat sich in der Branche umgehört.

Rehabilitation
Robert Kneschke/stock.adobe.com
Symbolfoto

Besonders bedrohlich sei die Situation für Fachkrankenhäuser, betonen Branchenvertreter. Ihr Vorwurf: Würde es keine Anpassungen bei der Krankenhausreform geben, müssten somatische Fachkrankenhäuser künftig neben den für sie obligatorischen Leistungsgruppen zusätzlich „verwandte“ Leistungsgruppen vorhalten. Es geht beispielsweise um Abteilungen für innere Medizin, allgemeine Chirurgie oder Intensivmedizin.

Das aber haben bislang die wenigsten von ihnen, heißt es aus den Pressestellen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK) auf Anfragen von kma. Eine eigene Intensivmedizin wird nach den vorliegenden Reformplänen bei 52 von insgesamt 65 Leistungsgruppen am Standort vorausgesetzt, die allgemeine Chirurgie bei 27 Leistungsgruppen. 38 Prozent der somatischen Krankenhäuser sind nach Angaben des Verbands Fachkrankenhäuser.

Strukturanforderungen überfordern Kliniken

Die entsprechenden Abteilungen aufzubauen, wäre für die Häuser in der Kürze der vorgegebenen Zeit weder möglich noch für die Versorgung notwendig, kritisiert der BDPK. Für viele Fachkliniken werde die geplante Verpflichtung ihre Existenz in Frage stellen, warnt die DKG: „Eine Vielzahl wäre zur Aufgabe ihres Versorgungsauftrags gezwungen“.

Die Kombination aus höheren Anforderungen an Fallzahlen und Ausstattung könnte die Mehrheit der deutschen Fachkliniken auch nach Auffassung des Bundesverbands Rehabilitation (BDH), des Spitzenverbands der medizinischen Rehabilitation in Deutschland, nicht aufbringen, heißt es auf Anfrage von kma aus der Pressestelle des Verbands.

Eine Vielzahl der Fachkliniken wäre zur Aufgabe ihres Versorgungsauftrags gezwungen.

Weil Fachkrankenhäuser auf wenige Krankheitsbilder und Behandlungen spezialisiert sind, hielten sie konsequenterweise nur die Strukturen vor, die für das Patientenklientel medizinisch sinnvoll und erforderlich sind: „Ihre Konzentration auf ein enges Spektrum an spezialisierten Leistungen geht einher mit einem hohen Spezialisierungsgrad“, argumentiert der BDPK.

Das KHVVG gefährde insbesondere die neurologische Frührehabilitation, argumentiert der BDH. Die finde in Deutschland hauptsächlich in Fachkliniken statt, die oft die gesamte Bandbreite des neurologischen Phasenmodells abbilden. Ein Großteil dieser Fachkliniken verfüge nicht über eine Intensivstation, sondern halte „indikationsspezifische intensivmedizinische Elemente vor, die sich in der Behandlung der Neuro-Phase-B-Patienten bewährt haben, aber mit einer Intensivstation eines Allgemeinkrankenhauses nicht vergleichbar sind“, erklärt der BDPK.

Überdies kooperierten sie mit Akutkrankenhäusern. „Das funktioniert seit Jahrzehnten gut“, betont der Verband. Stattdessen sollten Schwerbetroffene künftig in kleinen Einheiten an Akutkrankenhäusern in der neurologischen Frührehabilitation versorgt werden und das mit viel zu wenigen Plätzen“, so der BDH.

Forderung nach Anpassungen und Sonderregelungen

Das verschärfte Prinzip widerspreche auch der Idee der Krankenhausplanung, die medizinische Versorgung in qualifizierten Zentren mit entsprechender Erfahrung und Ausstattung zu bündeln, moniert der BDH. Dadurch würden rund 40 Prozent der Betten in diesem Bereich gefährdet. Besonders betroffen wäre nach Analyse der Branchenvertreter etwa die Schlaganfallversorgung. Reha-Zentren mit großen, hochspezialisierten Teams würden von der Versorgung abgeschnitten. Kleinere Spezialkliniken könnten durch überzogene Strukturanforderungen in die Abhängigkeit großer Krankenhäuser geraten.

Etwa ein Drittel der Rehakliniken haben sich nach Branchenangaben auf rehanahe Akutindikationen spezialisiert, wie die Neuro Phase B nach schwerer neurologischer Erkrankung oder Verletzung – etwa Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Trauma, die Akutpsychosomatik und die multimodale Schmerztherapie.

Die Bedeutung der Rehakliniken

In einer alternden Gesellschaft steige die Zahl der Fälle trotz Fortschritten in der Akutmedizin. „Immer mehr Menschen überleben eine medizinische Katastrophe, erleiden dabei aber oft schwere motorische, kognitive und emotionale Beeinträchtigungen. Ohne entsprechende Rehabilitationsmaßnahmen droht der Verlust der Selbstständigkeit und die Abhängigkeit von Pflegemaßnahmen“.

„Viele Rehakliniken befinden sich in ländlichen Regionen, jedoch sind nur wenige von ihnen in die ambulante oder stationäre Versorgung der örtlichen Bevölkerung eingebunden“, so der BDH.

Die Krankenhausgesellschaft fordert eine Anpassung des Gesetzes, damit Fachkliniken die neuen Strukturvorgaben in Kooperation mit umliegenden Krankenhäusern realisieren können. Der BDH möchte den Ländern die Möglichkeit zugestehen, Ausnahmen von der Erfüllung der geforderten Qualitätskriterien für Leistungsgruppen zu erlauben, wenn Fachkrankenhäuser versorgungsnotwendig sind. Die vom Bund angedachten Ausnahmeregelungen hält der Verband bisher für nicht ausreichend. Sonderregelungen für Fachkrankenhäuser müssten dauerhaft im KHVVG verstetigt und deutlich weitergefasst werden.

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Die wirtschaftliche Lage ist prekär

Um der besonderen Spezialisierung von Fachkrankenhäusern Rechnung zu tragen, ist aktuell im KHVVG vorgesehen, die Möglichkeit, Qualitätskriterien in Kooperation mit anderen Krankenhäusern und Leistungserbringern zu erfüllen für Fachkrankenhäuser zu erweitern. Die Krankenhausreform versäume es, die Sonderstellung der Fachkliniken und deren Beitrag als Spezialversorger angemessen zu berücksichtigen, kritisiert der Chef der Median Kliniken, dem größten Betreiber von Rehabilitationseinrichtungen in Deutschland, Prof. Dr. Marc Baenkler. Er vermisst eine fundierte Auswirkungsanalyse. „Ein Vorhaben von solcher Tragweite mit unumkehrbaren Veränderungsprozessen ohne gründliche Folgenabschätzung anzugehen, erscheint fahrlässig“, sagt er. Er befürchtet erhebliche Veränderungen in der Versorgungsstruktur.

Ein Vorhaben von solcher Tragweite mit unumkehrbaren Veränderungsprozessen ohne gründliche Folgenabschätzung anzugehen, erscheint fahrlässig.

Median bietet in Deutschland nach eigenen Angaben rund 18 000 Betten und Behandlungsplätze in rund 120 Rehabilitationskliniken, Therapiezentren, Ambulanzen und Wiedereingliederungseinrichtungen an. Baenkler rechnet durch die Finanzreform mit zusätzlichen Herausforderungen bei der Anschlussversorgung. Die Bedeutung der Nachsorge werde steigen: „Das Potenzial einer digital unterstützten Nachsorge, die Patienten nach Durchlaufen der ambulanten, akuten und rehabilitativen Versorgung eigenständig zu Hause fortführen können, ist enorm.“

Darüber hinaus befürchtet die Branche Nachteile in der Außendarstellung und so ins Hintertreffen zu geraten: „Da durch das Transparenzportal große Unikliniken priorisiert angezeigt werden, könnten sie gegenüber Fachkliniken in einer Auswahlentscheidung vorgezogen werden“, sorgt sich der BDH. Die Fokussierung auf die Akutversorgung könne dazu führen, dass finanzielle Ressourcen für die Rehabilitation fehlen.

Ohnehin sei die wirtschaftliche Lage für Fach- und die bundesweit 1089 Rehakliniken (Stand 2022) prekär, betont die DKG. Als Ursache nennt sie unter anderem gesunkene Fallzahlen und inflationsbedingt stark gestiegene Preise. Die um 13 Prozent gestiegene Kostenbasis der Krankenhäuser sei nur knapp zur Hälfte durch Preisanpassungen ausgeglichen worden. Auch die Steigerungen der Landesbasisfallwerte in diesem Jahr und die bessere Refinanzierung von Tarifsteigerungen glichen die Kostensteigerungen nicht aus.

Nachwirkungen der Corona Pandemie

Nach Analyse der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), geht die schwierige wirtschaftliche Lage der Rehakliniken zu einem erheblichen Teil auf das Konto der Corona-Pandemie. Geringere Auslastungen und enorme Kostensteigerungen für Energieversorgung und Nahrungsmittel bedrohten die Existenz vieler Einrichtungen. Die Branche hat sich bis heute noch nicht vom Rückgang der Reha-Aufenthalte während der Corona-Pandemie erholt. Noch immer liegt die Auslastung teilweise unter 70 Prozent.

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