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Kassensturz im MärzHunderte Millionen Euro versickern im Klinikverbund Südwest

Düstere Aussichten für den Klinikverbund Südwest: Nachdem die kommunalen Gesellschafter 2022 das Minus von 53 Millionen Euro noch ausgeglichen haben, soll der Verlust 2023 auf ganze 66 Millionen Euro steigen. Dabei sollte bis 2030 eine schwarze Null her.

kma Kassensturz
Thieme Gruppe
Jeden Monat analysiert der Börsenexperte Hartmut Schmidt die finanzielle Lage deutscher Krankenhäuser anhand von Jahresabschlüssen aus Geschäftsberichten und dem elektronischen Bundesanzeiger.

Für den Klinikverbund Südwest schließt sich ein negatives Jahr ans nächste an. Erst 2022 verzeichnete das Unternehmen – bei einem Umsatzanstieg von vier Prozent auf 410 Millionen Euro – einen Verlustanstieg auf der Basis EBITDA (vor Ertrag aus der Auflösung des Sonderpostens), EBIT und EBT um 110, 71 und 67 Prozent auf 32, 51 und 52 Millionen Euro. Dies war deutlich schlechter als geplant und ist unter anderem auf Personalengpässe, die hohe Inflation sowie Restrukturierungsaufwendungen zurückzuführen.

Wie in den Jahren zuvor glichen die beiden Gesellschafter, die Landkreise Böblingen und Calw, die Verluste aus. Die hierdurch ausgewiesenen Erträge erhöhten sich von 31 Millionen Euro im Jahre 2021 auf 53 Millionen Euro im Jahre 2022. In Summe betrugen die Verlustausgleiche in den letzten zehn Jahren sogar schlappe 227 Millionen Euro.

Ergebnispotenziale von 60 Millionen Euro

Aufgrund dieser Misere wurde Ende 2022 der Geschäftsführer Alexander Schmidtke beauftragt, einen umfassenden Ergebnisverbesserungsplan zu entwickeln. Schmidtke übernahm Ende 2022 das Ruder von dem auf eigene Bitte ausgeschiedenen Martin Loydl. Grundlage für den Plan war eine Potenzialanalyse aus dem Jahr 2014, die zu einem umfassenden Katalog von Maßnahmen führte, die eine tiefgreifende Veränderung des Unternehmens mit sich bringen sollen. In Summe wurde ein Verbesserungspotenzial von 60 Millionen Euro ausfindig gemacht, was dazu führen soll, die wirtschaftlich desolate Lage bis Ende sukzessive 2030 zu heilen.

Klinikverbund Südwest:

Der Anfang 2006 gegründete Klinikverbund Südwest ist eine Managementholding kommunaler Kliniken in Südwestdeutschland. Zum Konzern gehören derzeit rund 1099 Planbetten aus den Kreiskliniken in Sindelfingen-Böblingen, Leonberg und Herrenberg sowie 426 Planbetten aus Calw und Nagold. 

Strategie ist es, die Organisation von einer vertikalen, standortbezogenen hin zu einer horizontalen, standortübergreifenden Ausrichtung weiterzuentwickeln, sprich Leistungen zu bündeln und das Angebot durch Kooperationen vor allem mit niedergelassenen Ärzten zu erweitern.

Zentrales Element ist hier die geplante Vollfusion der Klinikgesellschaften mit der Holding und das neu zu errichtende Klinikum auf dem Flugfeld, in dem die beiden Standorte Sindelfingen und Böblingen zusammengeführt werden.

2023 steigen die Verluste weiter

Bis dahin werden die Gesellschafter allerdings noch kräftig zu Kasse gebeten werden müssen. Für 2023 rechnet der Klinikverbund beispielsweise mit einer weiteren Ergebnisverschlechterung und einem Ergebnis vor Verlustausgleich von minus 66 Millionen Euro. Ohne diese Verlustausgleiche, die in der Regel im Folgejahr zu Einzahlungen führen, wäre das Unternehmen nicht überlebensfähig. Denn das Eigenkapital war angesichts der andauernden Verluste immer auf der Nulllinie.

Ohne Verlustausgleiche wäre das Unternehmen überschuldet und ohne die Einzahlungen der Gesellschafter – mit einem immer negativen  Cashflow aus operativer Geschäftstätigkeit – illiquide. Zur Verdeutlichung der Größenordnungen: In den letzten fünf Jahren betrug der Verlustausgleich in Summe 152 Millionen Euro, der operative Cashflow in Summe minus 119 Millionen Euro und die Einzahlungen der beiden Gesellschafter 127 Millionen Euro.

Deutlich über Plan entwickelte sich 2022 das Geschäft der Agaplesion, einer 2002 gegründeten Managementholding kirchlicher Kliniken und Pflegeheime. Sie vereinte 2022, inklusive Equity-Konsolidierungen, 20 Krankenhäuser (208 Tausend CM-Punkte), 39 Wohn- und Pflegeeinrichtungen (3524 Plätze, 1183 Tausend Berechnungstage), fünf Hospize, 34 Medizinische Versorgungszentren, sieben ambulanten Pflegedienste sowie 15 Krankenpflegeschulen und Fortbildungsakademien.

Statt geplant ein Prozent stieg der Umsatz 2022 um 4,5 (organisch 4,1) Prozent auf 1767 Millionen Euro. Aus dem geplanten leichten Ergebnisplus wurde eine EBITDA-Steigerung (vor dem Ertrag aus der Auflösung des Sonderpostens) von 17,1 Prozent (auf 57,8 Millionen Euro), eine EBIT-Steigerung von 59,6 Prozent (auf 22,4 Millionen Euro) und eine EBT-Steigerung von 80,4 Prozent (auf 19,7 Millionen Euro). Wesentlicher Grund der Planüberschreitung waren mit den Kostenträgern geschlossene Vereinbarungen für die offenen Budgetjahre 2020 und 2021. Die Anzahl der erbrachten Case-Mix-Punkte im Krankenhausbereich sank leicht auf 207661 und im Bereich Pflege stiegen die Berechnungstage um 1,5 Prozent gegenüber 2021.

Die positive Ertragsentwicklung spiegelte sich auch in der Bilanz wider, die als sehr solide zu bezeichnen ist: Vor allem aufgrund einer deutlichen Erhöhung des kurzfristigen Vermögens stieg die Bilanzsumme von 1631 auf 1710 Millionen Euro. Unverändert gegenüber 2021 waren dabei 26 Prozent des Vermögens mit Eigenkapital, 28 (2021 waren es 30) Prozent durch Fördermittel und 25 (2021 21) Prozent durch Banken finanziert.

Für 2023 erwartet das Unternehmen eine leichte Umsatzsteigerung, die allerdings nicht ausreichen wird, um die deutlich steigenden Aufwendungen zu decken. Es wird daher mit einem Ergebnis gerechnet, das deutlich unter dem von 2022 liegen wird. Dies ist zum einen zwar realistisch, zum anderen ist die Planung ungewiss, da sie auf dem bestehenden Beteiligungsportfolio basiert. Angesichts der unsicheren Marktentwicklung ist aber zu erwarten, dass 2023 und in den Jahren danach zunehmend mehr kirchliche Einrichtungen unter das Agaplesion-Dach schlüpfen werden. Dies wird zur Folge haben, dass sich das starke Wachstum der Vergangenheit – aus einem Umsatz von 168 Millionen Euro im Jahre 2004 wurden 1767 Millionen Euro 2022 – fortsetzen wird, mit entsprechenden Folgen auch auf die Ertragsperspektiven. 

Positiv entwickelte sich das Geschäft von Fresenius Helios auch im vierten Quartal 2023: Während der Umsatz sich um fünf Prozent auf 3188 Millionen Euro erhöhte, stiegen EBITDA und EBIT um drei und fünf Prozent auf 500 und 371 Millionen Euro. Träger des Umsatzanstiegs waren sowohl das Spanien- als auch das Deutschlandgeschäft mit Steigerungsraten von sechs und fünf Prozent auf 1289 und 1828 Millionen Euro. Während sich das EBIT der Aktivitäten in Spanien um neun Prozent auf 188 Millionen Euro erhöhte, musste Helios-Deutschland ein Minus von sechs Prozent auf 164 Millionen Euro hinnehmen. Damit erzielte Helios-Deutschland mit neun Prozent (im Vorjahresquartal waren es 9,9 Prozent) eine deutlich geringere EBIT-Marge als die Spanien-Tochter (14,6 nach 14,2 Prozent).

Für das Geschäftsjahr 2024 erwartet das Unternehmen ein organisches Umsatzwachstum im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich. Aufgrund des Verkaufs der Reproduktionsmedizingruppe Eugin und des Krankenhauses in Peru wird ein Umsatz von 11 952 Millionen Euro erwartet. Dies entspricht einem Minus von drei Prozent. Beim EBIT soll das Renditeziel innerhalb des strukturellen Margenbandes von neun bis elf Prozent einpendeln. 2023 waren es zehn Prozent. Das Geschäft bei Helios entwickelte sich damit weiterhin deutlich besser als beim Gesamtkonzern, das nach wie vor umstrukturiert wird, um die Effizienz zu steigern und die hohe Nettoverschuldung zu reduzieren.

Nachdem Fresenius Medical Care (FMC) 2023 erstmals nicht mehr im Fresenius-Konzern erfasst wurde, nahm der Umsatz- und EBIT-Anteil von Helios deutlich zu, von 28 bzw. 29 Prozent im Gesamtjahr 2022 auf 54 beziehungsweise 53 Prozent 2023. Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung von Helios weiter steigen wird, auch angesichts der Tatsache, dass sich Fresenius in der Zukunft nur auf die beiden Bereiche Kabi und Helios konzentrieren will. Was mit dem Bereich Vamed geschieht, bleibt abzuwarten; der Umsatzanteil von Vamed 2023 betrug rund zehn Prozent und der EBIT-Verlust, bereinigt um Belastungen durch Umstrukturierungsmaßnahmen von 554 Millionen Euro minus 16 Millionen Euro.
 

Operativ weiterhin sehr stark zeigte sich das Geschäft von Mediclin, einem führenden Anbieter im Bereich Reha (Umsatzanteil 62 Prozent) in Deutschland. Im Bereich Akut erwirtschaftet das Unternehmen 35 Prozent der Erlöse und im Bereich Pflege drei Prozent. Nach einem deutlichen Anstieg der Umsätze und des EBITA (EBIT vor Abschreibungen der Firmenwerte) um 6,7 beziehungsweise 414,8 Prozent auf 182,4 beziehunsgsweise 18,1 Millionen Euro im dritten Quartal 2023 gegenüber dem dritten Quartal 2022 stiegen Umsatz und EBITA im vierten Quartal 2023 weiter um 2,6 beziehungsweise 74 Prozent auf 183 bzw. 16,4 Millionen Euro.

Getragen wurde die Entwicklung wie bereits in der Vergangenheit mit einem Umsatz- und EBITA-Plus von 5,9 und 155,1 Prozent auf 114,2 und 17,6 Millionen Euro vom Sektor Reha. Der Sektor Akut kämpft dagegen nach wie vor mit Problemen, und musste gegenüber dem dritten Quartal Einbußen hinnehmen: Hier reduzierten sich Umsatz und EBITA um 4,7 Prozent auf 114,2 Millionen Euro und von plus 2,5 auf minus 1,4 Millionen Euro. Aufgrund der anhaltenden Probleme im Bereich Akut war es daher nur konsequent, dass das Unternehmen eine Portfoliobereinigung (im Sektor Akut) vornahm.

So wurde Anfang 2024 das Herzzentrum Coswig an die Johannisstift Diakonie verkauft, was (zusammen mit der Anpassung der Werte zweier weitere Krankenhausunternehmen) zu erheblichen Abschreibungen von Firmenwerten in Höhe von insgesamt 33,1 Millionen Euro führte. Diese (nicht cash-wirksame) Bilanzbereinigung führte dazu, dass sich zum einen das Konzernergebnis 2023 von plus 9,7 Millionen Euro 2021 auf minus 10,7 Millionen Euro verschlechterte. Zum anderen nahezu verdoppelte sich der Cashflow aus operativer Geschäftstätigkeit von 34,6 auf 78,3 Millionen Euro und die Perspektiven haben sich verbessert. Das Management ist daher voller Zuversicht für die Geschäftsaussichten des Jahre 2024.

Was EAT, EBT & Co. bedeuten

EAT steht für „Earnings After Taxes" und bezeichnet den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens nach Abzug von Steuern.

EBT steht für "Earnings Before Taxes" und beschreibt den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens vor Steuern.

EBIT steht für "Earnings Before Interest and Taxes" und zeigt den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens vor Abzug von Zinsen und Steuern.

EBITA steht für "Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization" und gibt den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens vor der Abschreibung auf Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte an.

EBITDAR steht für "Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation, Amortization and Rent" und bezeichnet den Gewinn oder Verlust eines Unternehmens vor der Berücksichtigung von Miete oder Leasingkosten.

Cashflow bezeichnet den Geldfluss, der durch die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens generiert wird und ist eine wichtige Kennzahl der finanziellen Leistungsfähigkeit.

Casemix ist eine Methode zur Bestimmung von Fallpauschalen, welche die Behandlungskosten eines Patienten im Krankenhaus abdecken. Der Casemix wird durch die Kombination von Diagnose- und Behandlungsparametern, wie Alter, Geschlecht, Verweildauer und Schweregrad der Erkrankung, berechnet.

Periodenfremde Erträge sind Erträge, die nicht dem Berichtszeitraum zuzuordnen sind.

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