
Bei der Bewältigung der Pandemie zeigt die Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems ein zweigeteiltes Bild. Einerseits verfügen wir hierzulande über üppige Klinikkapazitäten und hervorragend ausgebildetes Personal, wodurch es uns sogar möglich war unseren Nachbarländern Intensivpatienten abzunehmen. Andererseits sorgten Engpässe beim Material und der personellen Einsetzbarkeit insbesondere von Pflegekräften sowie die mangelnde Nutzung digitaler Instrumente für Unbehagen, Resignation und Überforderung.
Neue Diskussion über Bettenkapazitäten
Medial wurden national wie international die „kaputt gesparten Gesundheitssysteme“ kritisiert. Allen voran in Ländern wie Großbritannien oder Italien, die mit besonders großen Versorgungsproblemen in der Pandemie zu kämpfen haben. In Deutschland entbrannte währenddessen eine Diskussion, ob wir nicht doch besser an den Überkapazitäten der Betten festhalten sollen. Schließlich sollten wir froh sein über die flächendeckend umfangreichen Klinikkapazitäten.
Dabei werden jedoch zwei Aspekte falsch eingeschätzt. Erstens die Häufigkeit der vollen Kapazitätsnutzung: In den vergangenen Jahren arbeiteten zahlreiche Kliniken in ländlichen Regionen mit geringem Auslastungsgrad. Deutschland hat nach wie vor im internationalen Vergleich sehr viele Krankenhausbetten. Wenn diese Betten nicht ausgelastet sind mit Patienten, müssen die dennoch entstehenden Kosten für die Vorhaltung bezahlt werden. Also müssen wir darüber sprechen ob wir diese Vorhaltekapazitäten wollen und wie wir sie finanzieren.
Zweitens können die schweren Corona-Fälle nicht in jeder Klinik auf dem Land behandelt werden, sondern bedürfen einer umfangreichen intensivmedizinischen Versorgung, die größtenteils in Zentren und an größeren Klinikeinheiten, wie Uniklinika, betreut werden. Die seit Jahren diskutierte These einer spezialisierten qualitätsorientierten Versorgung in wenigen Zentren sollte damit auch erneut im Mittelpunkt stehen.
Eine sachliche Diskussion darüber welche Versorgungskapazitäten wir in Deutschland zukünftig haben wollen, steht auf der Tagesordnung. Dazu benötigen wir endlich konkrete Ansätze zum Umbau und der Finanzierung dieser Veränderung.
Verbesserung der Arbeitsbedingungen von medizinischem Personal
Rückblickend werden Pflegekräfte über das Jahr der Pflege sagen, dass außer Klatschen und Gratispizza nicht viel rumgekommen ist. Keine höhere Bezahlung, keine besseren Arbeitsbedingungen, keine Wertschätzung der geleisteten Arbeit über einen kurzen Applaus hinaus.
Die Politik hat den Pflegebonus so ausgestaltet, dass ihn nur sehr wenige Pflegende tatsächlich erhalten. Zudem wurden die Bedingungen noch verschärft indem Personaluntergrenzen ausgesetzt wurden und Pflegende teilweise trotz positivem Corona-Test zur Arbeit erscheinen sollen, wenn keine Symptome vorliegen.
Indem eine konsequente Teststrategie in Gesundheitseinrichtung bis zum Herbst 2020 nicht umgesetzt wurde, gefährdete die Politik das Leben von Patienten und Personal! Wenn das Gesundheitssystem in den kommenden Jahren kollabieren sollte, dann an einer Überlastung des Personals.
Auch bei den Ärzten sieht es nicht wesentlich besser aus. Die Corona-Pandemie gibt einen letzten Warnschuss ab, dass in diesem Jahr mehr für eine bessere Arbeitsumgebung getan werden muss. Der Auftrag an die Pflegenden selbst lautet: organisiert euch endlich besser! Es ist absolut unverständlich, dass Ärzte und Apotheker deutlich mehr Forderungen durchsetzen können als Pflegende, obwohl die Interessengruppe jener viel geringer ist.
Möglicherweise ist „die Pflege“ auch ein relevantes Thema für den Bundestagswahlkampf 2021 in einer alternden Gesellschaft.
Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen