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DSAG„KIS-Hersteller nehmen die Bedarfe der Branche nicht ernst“

Die Turbulenzen um die IS-H-Ablösung nehmen kein Ende. Nun übt die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe Kritik am aktuellen Vorgehen großer KIS-Hersteller. Diese würden Ersatzlösungen anbieten, die neue Abhängigkeiten schaffen – ein „herber Schlag“. 

Weißes Ausrufezeichen vor hellblauem Hintergrund.
stockfoto/stock.adobe.com
Symbolfoto

Die Branchenlösung IS-H von SAP wird in Krankenhäusern bislang für Patientenmanagement und Abrechnung genutzt. 2022 hatte SAP jedoch angekündigt, die nicht cloudfähige Software einzustellen. Seitdem werden von zahlreichen Unternehmen Nachfolgelösungen entwickelt, von denen viele in diesem Jahr an die Kunden ausgeliefert werden sollen. Doch aus Sicht der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) könnten sich diese neuen Ersatzlösungen zu einem teuren Bumerang für die Kliniken entwickeln.

Herber Schlag für die Healthcare-Branche.

Der Grund: Nach Ansicht der DSAG entwickeln besonders große KIS-Hersteller wie Compugroup oder Dedalus proprietäre Lösungen, die keine Anbindung anderer Abrechnungssysteme erlauben würden. „Dass jetzt große Anbieter entschieden haben, die Anbindung anderer Partnerlösungen für die Abrechnung und Administration an ihre KIS nicht zu ermöglichen, ist für die Healthcare-Branche ein herber Schlag“, so Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector.

Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung

Gänzlich neu wäre dieses Verhalten der Hersteller allerdings nicht. Seit Jahren beklagen klinische Praktiker, dass die KIS-Hersteller sie mit proprietären KIS-Systemen an die eigenen Produkte binden, was den Umstieg auch bei Teilanwendungen erheblich erschwert oder gar unmöglich macht. Durch die fehlende Anbindungsmöglichkeit alternativer Abrechnungssysteme würden die Krankenhäuser die Flexibilität bei der Gestaltung ihrer IT-Landschaft verlieren, heißt es seitens der DSAG. Einrichtungen müssen somit komplette KIS neu einführen oder die Lösungen für Patientenabrechnung und -administration der bestehenden KIS-Hersteller integrieren. „Die KIS-Hersteller nehmen die Bedarfe der Branche nicht ernst und treiben sie in teure und langfristig riskante Abhängigkeiten", warnt Michael Pfeil, DSAG-Arbeitskreissprecher Healthcare.

Die geplante Strategie der KIS-Anbieter führe zu einer Marktverzerrung und einem drastischen Rückgang an Wettbewerb und weiterhin verzögerter Innovation, da derzeit nur wenige Anbieter Lösungen haben, die ganzheitlich die Abrechnung sicherstellen und die KIS-Hersteller Partnerlösungen dafür ausschließen würde. Für die Häuser sind somit aus DSAG-Sicht zum einen lange und schwierige Projekte zu erwarten. Denn: In einer Vielzahl der Konstellationen muss nicht nur die Lösung für die Abrechnung getauscht werden. Zum anderen würden voraussichtlich enorme Lizenz- und Projektkosten entstehen, sagt die DSAG voraus. Die konkreten Lizenzkosten sind derzeit allerdings noch unklar. 

Das erschwert es Krankenhäusern, auf wirtschaftlich sinnvolle Alternativen zu setzen

Es würden sich zudem weitere Konsequenzen für die Krankenhäuser ergeben. So müssten sich die Häuser fragen, wie der von SAP forcierte Umstieg auf  S/4HANA-mit einem KIS, dass mit einem eigenen „ERP”-System kommt, abbildbar ist, heißt es seitens der SAP-Spezialisten. „Außerdem werden die Standard-Schnittstellen wie FHIR, die gesetzlich gefordert sind für Abrechnungslösungen, von den Herstellern ignoriert. Sie schließen wissentlich die Interoperabilität zu Abrechnungslösungen aus. Das erschwert es Krankenhäusern, auf wirtschaftlich sinnvolle Alternativen zu setzen“, ordnet Pfeil ein. Unklar sei zudem, welcher Hersteller Projekte in der anstehenden Vielzahl überhaupt umsetzen kann – und, welche Systeme wirklich alles abbilden können.

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Krankenhäuser werden durch die proprietären Systeme der KIS-Anbieter in eine wirtschaftlich kritische Abhängigkeit gezwungen: Produktentscheidungen können nicht mehr nach dem fortschrittlichsten Produkt getroffen werden, sondern werden reduziert auf die reine Abbildung des Pflichtprozesses. „Gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten kann dies für manche Einrichtungen das Ende bedeuten", warnt Pfeil. Die fehlende Interoperabilität erschwere Effizienzsteigerungen und Synergien erheblich, was sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausprozesse auswirke.

Offene IT-Strategie

Die DSAG fordert daher eine sofortige Strategieänderung seitens der KIS-Anbieter: Offene Systeme mit standardisierten Schnittstellen müssen zur Selbstverständlichkeit werden. „Die Anbindung von Subsystemen – insbesondere von Abrechnungslösungen – müssen obligatorisch sein und maximal unterstützt werden. Als DSAG fordern wir hier den vorgeschriebenen FHIR-Adapter“, so Haag. Wichtig sei daher eine maximale Unterstützung alternativer Abrechnungslösungen für S/4HANA, und dass das IS-H-Coding weiterhin verfügbar bleibt, um Blaupausen für eine reibungslose Transformation entwickeln zu können.

Politik soll eingreifen

Die Handlungsoptionen, die Kliniken und Krankenhäuser jetzt haben, sind überschaubar. Aus diesem Grund sieht die DSAG nun auch die politischen und regulatorischen Entscheidungsträger in der Pflicht: Es brauche endlich gesetzliche Rahmenbedingungen, um Interoperabilität zu gewährleisten, Marktverzerrungen zu verhindern und Fördergelder gezielt einzusetzen. Krankenhäuser müssten alternative IT-Lösungen in Betracht ziehen können, um eine nachhaltige und betreibbare IT-Landschaft im Gesundheitswesen sicherzustellen, so die IT-Spezialisten.

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