
Im Gesundheitswesen kann generative künstliche Intelligenz sämtliche Bereiche von der Patientenbetreuung und -kommunikation über die Diagnostik und Automatisierung von Routineprozessen bis hin zur biopharmazeutischen Forschung entscheidend voranbringen. Das McKinsey Global Institute schätzt, dass durch diese Technologie jährlich 60 bis 105 Milliarden Euro an Wert durch gesteigerte Produktivität freigesetzt werden. In vier Bereichen zeigt sich schon heute das Potenzial von generativen KI-Anwendungen im Gesundheitswesen.
Zusammenfassung für Ärzte
So fehlt Ärzten, besonders in Notfallszenarien, oft die Zeit, die Krankengeschichte eines Patienten sowie Patienteninformationen gründlich zu überprüfen. Moderne Gesundheitsorganisationen können generative KI nutzen, um lange Patientenakten in prägnante Zusammenfassungen für Ärzte umzuwandeln. Diese ermöglicht damit eine schnellere Behandlung und eine bessere, individuelle Therapieentscheidung für die Patienten. Die KI-Systeme sind in der Lage, Ärzte schneller zu informieren und bei Entscheidungen zu unterstützen.
Dabei helfen sie, unstrukturierte in strukturierte Daten umzuwandeln. Die Integration in bestehende elektronische Patientenaktensysteme bietet hierfür eine natürliche Schnittstelle. Smart Reporting aus München zum Beispiel hat KI mit Amazon Web Services (AWS) bereits erfolgreich in ein medizinisches Dokumentationssystem integriert. Radiologen können dadurch ihre Befunde in weniger als der Hälfte der herkömmlichen Zeit erstellen. Zudem lernt das System aus den Berichtsmustern zu Röntgen, MRT oder CT-Scans.
Klinische Notizen und Pflegpläne
Ein weiterer Einsatzbereich für generative KI ist die klinische Dokumentation und Abrechnung, auf die bis zu 30 Prozent des ärztlichen Arbeitsaufwandes entfällt. Sie stellt damit einen Hauptfaktor für die fehlende Zeit zur Behandlung von Patienten dar. KI bietet hier eine Chance zur Entlastung. Durch die Verarbeitung von Audioaufnahmen, Transkripten und Texten der Arzt-Patienten-Interaktionen können generative KI-Systeme Entwürfe für klinische Notizen noch während der Behandlung erstellen und diese durch die Nutzung skalierbarer Cloud-Technologie nahezu in Echtzeit zur Verfügung stellen.
Mit einem KI-Tool können personalisierte Pflegepläne erstellt werden, wobei individuelle Pflegerisiken berücksichtigt und veraltete Pflegepläne fortlaufend optimiert werden können.
Die KI-Sprachdokumentationssoftware von Solventum zum Beispiel kommt bereits in deutschen Kliniken zum Einsatz. Das Münchner Startup CareMates hat mithilfe der AWS-Cloud eine technische Lösung entwickelt, um die Pflege zu verbessern. Mit ihrem KI-Tool können personalisierte Pflegepläne erstellt werden, wobei individuelle Pflegerisiken berücksichtigt und veraltete Pflegepläne fortlaufend optimiert werden. Ein Pilotprojekt mit 22 Caritas-Pflegeeinrichtungen zeigte, dass der administrative Aufwand für Pflegekräfte um 80 Prozent, durchschnittlich vier Stunden, gesenkt werden konnte. Die KI erlaubt Pflegekräften sich wieder verstärkt auf die direkte Patientenversorgung zu konzentrieren.
Datenexploration
Mediziner und Forscher stehen oft vor komplexen Fragen zu Patientengruppen, die eine tiefgehende Analyse von Gesundheitsdaten erfordern. Für die Beantwortung solcher Fragen ist in der Regel die Expertise von Bioinformatikern erforderlich, welche nur begrenzt verfügbar sind. Zudem ist die Analyse sehr zeitaufwendig, weshalb viele wichtige Fragestellungen oft unerforscht bleiben.
Der Aufbau von digitalen Zwillingen beziehungsweise multimodalen Datenmodellen im Zusammenspiel mit neuen KI-Modellen bietet vielversprechende Möglichkeiten. Speziell mit den KI-Modellen lassen sich schneller Antworten auf komplizierte klinische Fragen finden. Dadurch kann medizinisches Fachpersonal schneller neue Ansätze testen und spezialisierte Analyseteams die vielversprechendsten Ergebnisse validieren. Das führt zu einem besseren Verständnis über die Patienten und kann bessere Behandlungsergebnisse bei Krankheiten wie Krebs zur Folge haben.
Bei der Entwicklung und Implementierung dieser Technologien sind eine enge Einbindung der medizinischen Experten sowie Genauigkeit und Transparenz unerlässlich. Das Münchner Leukämielabor (MLL), ein Diagnose- und Forschungszentrum, dessen Aufgabe es ist, ein Heilmittel gegen Leukämie und Lymphome zu finden, setzt auf KI in der Cloud, um die Zukunft der hämatologischen Diagnostik und Therapie zu verbessern.
Dabei kommen hochmoderne molekulare und IT-gestützte Methoden zum Einsatz. So konnte die Verarbeitung der Genomdaten von Patienten von 20 Stunden auf drei Stunden beschleunigt und die Diagnose von Leukämie verbessert werden. Seit 2018 wurden dabei mehrere Petabytes (1 Petabyte entspricht 1024 Terabyte, Anmerkung der Redaktion) an Daten aus der Analyse von mehr als 5000 Patientengenomen durch das MLL gewonnen. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend wurde ein robustes KI-Modell erstellt, welches 30 verschiedene Leukämie-Subtypen erkennen kann, um eine automatische Leukämie-Diagnostik- Pipeline zu entwickeln. Das System ermöglicht schnellere und genauere Leukämie-Diagnose im Vergleich zu herkömmlichen Methoden.
KI-Assistenten
Patienten und Mitarbeitende des Gesundheitswesens erwarten einfachen Zugang zu Informationen, die sie für ihre Behandlung benötigen. Eine persönliche Beantwortung oder Einordnung durch eine Fachkraft ist oft nicht leistbar. KI-Modelle können natürliche Sprache verarbeiten und so werden in Zukunft verstärkt auch virtuelle KI-Assistenten eingesetzt, um Anliegen rund um die Uhr sofort zu beantworten – etwa für Auskünfte zum Krankenhaus, Terminbuchungen oder bei Fragen zu Laborergebnissen.
Die Algorithmen sind in der Lage zu erkennen, wann Anfragen nur vom medizinischen Personal beantwortet werden können, beispielsweise bei Fragen zu Schmerzen. Ganz praktisch nutzt beispielsweise Symplr schon heute KI-Technologie in der Cloud, um Abläufe im Krankenhaus zu optimieren. Manuelle Aufgaben wie die Personalplanung und Zeiterfassung können mit KI automatisiert werden.
Das Berliner Unternehmen Recare hat seine KI-Lösung mit über einer Million anonymisierter Behandlungsfälle trainiert, um Krankenhausmitarbeitende durch die automatisierte Nachversorgungsplanung für Patienten nach einem Krankenhausaufenthalt zu unterstützen. Patienten können so schneller die optimale Nachversorgungsoption erhalten und dem Personal bleibt mehr Zeit für Patienten.
Ausblick
Durch die fortschreitende Entwicklung großer Sprachmodelle, Verbesserungen im Gesundheitsdatenmanagement, Multimodalität und Mensch-KI-Kollaboration wird KI zu einem integralen Bestandteil aller Prozesse und Anwendungen. Es bleibt jedoch entscheidend, Fragen der Interpretierbarkeit, Transparenz und Voreingenommenheit sorgfältig anzugehen.
KI wird das neue Mitglied im Versorgungs-Team.
Bei verantwortungsvoller Einführung kann generative KI das globale Gesundheitswesen durch die Demokratisierung des Zugangs zu Wissen und Expertise tiefgreifend verändern – und eine Zukunft besser informierter, selbstbestimmter und personalisierter Versorgung für alle erschließen. KI wird das neue Mitglied im Versorgungs-Team.










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