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Digitalradar KrankenhausDie IT hat sich ihren Wert erarbeitet

Die jüngste Erhebung des DigitalRadars zeigt, dass deutsche Krankenhäuser in den letzten drei Jahren erhebliche Fortschritte in der Digitalisierung gemacht haben. Die durchschnittliche Punktzahl stieg von 33 im Jahr 2021 auf 42,1 im Jahr 2024.

Deutschland
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Symbolfoto

Die automatische Tür öffnet sich lautlos, wenn die Notaufnahme einen neuen Patienten aufnimmt. Ohne ein einziges Papierdokument in die Hand nehmen zu müssen, ruft die diensthabende Ärztin die vollständige Krankenakte digital auf. Röntgenbilder, Laborergebnisse und Medikationspläne – alles liegt in Echtzeit vor. Das spart wertvolle Minuten und die Dokumentation wird parallel zur Behandlung via Spracheingabe durchgeführt. Die durchgängig digitale Behandlungsdokumentation bietet neue Möglichkeiten der ortsunabhängigen, dynamischen Interaktion und bildet die Grundlage für eine Qualitätssicherung in Echtzeit.

Vor wenigen Jahren hätte dieser Prozess noch mit Aktenordnern und händischen Einträgen Stunden gedauert. Die jüngste Erhebung des Konsortiums DigitalRadar Krankenhaus zeigt, dass sich solche Szenarien, wie oben beschrieben, in deutschen Kliniken nun endlich immer häufiger abspielen – ein deutlicher Fortschritt für die Patientinnen und Patienten, vor allem aber auch für die Behandelnden.

Bemerkenswerte Ergebnisse in allen Bereichen

Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) und die Bemühungen auf Bundes-, Landes- und Krankenhausebene haben der Digitalisierung deutscher Krankenhäuser einen messbaren Schub gegeben. Mit der nach 2021 zweiten flächendeckenden Erhebung des digitalen Reifegrads wurden die Fortschritte der vergangenen drei Jahre gemessen – und ja, die Projekte innerhalb der relevanten Fördertatbestände entwickeln sich in die richtige Richtung. So wurden insbesondere in den Dimensionen „Strukturen und Systeme“, „Klinische Prozesse“ und dem digitalen „Informationsaustausch“ mit Steigerungen um rund elf Punkte deutliche Fortschritte erzielt und Grundlagen für eine weitaus modernere Gesundheitsversorgung geschaffen, als es bis dato üblich ist. Im relativen Vergleich sticht die bis dato schwächste Dimension Patientenpartizipation hervor, die mit einem Anstieg von 90,5 Prozent den stärksten Fortschritt aufweist.

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Diese Entwicklung ist nicht nur das Resultat gezielter Investitionen, sondern auch eines gestiegenen Bewusstseins für die Bedeutung digitaler Prozesse im Klinikalltag. Die Ergebnisse zeigen: Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern eine entscheidende Grundlage für moderne, effiziente und patientenorientierte Gesundheitsversorgung.

Auch die aktive Beteiligung der Krankenhaus-Community an diesem Transformationsprozess ist beachtlich. Der jüngste Online-Call zum Thema DigitalRadar versammelte fast 1000 Teilnehmer – ein Beleg für die hohe Relevanz des Themas und das Engagement der Branche. Die Bereitschaft, sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken.

Gezielte Investitionen in digitale Prozesse

Hier gibt auch die Fördermittelvergabe einen Einblick in die strategischen Prioritäten der Krankenhäuser. Die meisten Einrichtungen haben Gelder für „Digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation“, „Patientenportale“ und „Digitales Medikationsmanagement“ beantragt. Dies zeigt, dass der Fokus auf einer besseren Patientenpartizipation und effizienteren Abläufen liegt. Weniger Nachfrage gab es hingegen für Investitionen in digitale Bettenmanagementsysteme oder die Anpassung von Patientenzimmern für Epidemien – ein Bereich, der trotz der Erfahrungen mit der Covid-19-Pandemie eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint.

Soweit zu den ersten Ergebnissen, granularere Daten werden auf der DMEA 2025 mit dem Zwischenbericht veröffentlicht werden. Klar geworden ist aber bis hierhin, dass durch den Einsatz digitaler Technologien Patientenversorgung und Arbeitsabläufe optimiert werden und sich plötzlich medizinische, Verbrauchs- und wirtschaftliche Daten generieren lassen, die als belastbare Basis für Veränderungen dienen (können). Dies verdeutlicht auch, warum langfristige Erhebungen notwendig sind: Viele Entwicklungen werden erst in kommenden Erhebungsrunden sichtbar.

Auf der DMEA wird es am Dienstag, den 8. April 2025, ab 10:15 Uhr in Halle 5.2/ Stage 5.2 ein Panel zu den Ergebnissen des DigitalRadar Krankenhaus, Handlungsempfehlungen und der politischen Einordnung geben.

Begleitforschung ist essenziell, um zu verstehen, welche Faktoren den digitalen Wandel tatsächlich vorantreiben und welche Herausforderungen bestehen. Ein reines Monitoring der Zahlen reicht nicht aus – es bedarf einer tiefergehenden Analyse, um das „Warum“ hinter den Entwicklungen zu erfassen.

Und das braucht es auch, sieht sich doch der deutsche Klinik-IT Markt aktuell ungewöhnlich großen Herausforderungen gegenüber: Fachkräftemangel, die Abkündigung zweier bis dato populärer Systeme, Gesetzgebung und die Krankenhausreform, inklusive neuer Versorgungsszenarien und der zunehmenden Pflicht zur Anbindungen an die Telematikinfrastruktur. Doch die IT hat sich ihren Wert in den vergangenen Jahren redlich erarbeitet. Auch, weil das KHZG die IT zu den Entscheidern und Geschäftsführerinnen gebracht hat, wo es mittlerweile Konsens ist, dass es ohne digitale Prozessunterstützung im Krankenhaus weder medizinisch noch wirtschaftlich weitergehen wird. So führt der DigitalRadar dazu, dass sich Krankenhausvorstände und Entscheidungsträger intensiver mit Digitalisierung befassen. Dies hat auch zur Folge, dass digitale Strategien nun vermehrt in den Fokus der Krankenhausleitungen rücken.

Mehr als nur Zahlen: Sekundärer Nutzen digitaler Reifegradmodelle

Doch häufig liegt der größte Nutzen solcher Instrumente nicht nur in den erhobenen Zahlen selbst, sondern vor allem auch in den begleitenden Effekten. Die durch Digitalisierung ermöglichte Optimierung von Patientenversorgung und Arbeitsabläufen schafft zudem die Basis für eine datenbasierte Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. „Perspektivisch stellt der digitale Reifegrad auch einen Qualitätsindikator für die Gesundheitsversorgung in Deutschland dar“, erklärt Prof. Dr. Volker Amelung, Konsortialsprecher des DigitalRadar und CEO des Inav, „ganz sicher ist er ein valides und erprobtes Messinstrument als Fundament für ein datenbasiertes Public Reporting.“

Perspektivisch stellt der digitale Reifegrad auch einen Qualitätsindikator für die Gesundheitsversorgung in Deutschland dar.

Plötzlich können medizinische, verbrauchs- und wirtschaftliche Daten generiert werden, die als belastbare Grundlage für strategische Entscheidungen dienen. Die verstärkte Einbindung von Patienten ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Neue Fragen stellen sich: Nutzen Patienten die digitalen Services aktiv? Beeinflusst der Digitalisierungsgrad eines Krankenhauses deren Behandlungsentscheidung? Die Erweiterung des Digital- Radar um die Patientenperspektive wird hierzu wertvolle Erkenntnisse liefern.

Potenzial für weitere Sektoren und europäische Perspektiven

Das Konzept des DigitalRadar Krankenhaus kann also als eine Blaupause dienen, die auf andere Bereiche des Gesundheitswesens übertragen werden kann. Der ambulante Sektor, die Pflege oder auch andere soziale Einrichtungen könnten erheblich von einem ähnlichen Reifegradmodell profitieren. Auch auf europäischer Ebene könnte ein solches Modell wegweisend sein. Einheitliche Standards für digitale Reifegradmessungen würden dazu beitragen, den internationalen Austausch zu erleichtern und Best Practices grenzüberschreitend nutzbar zu machen. Die methodische Herausforderung, unterschiedliche Reifegradmodelle – wie EMRAM – in Relation zu setzen, bleibt bestehen, doch mit dem DigitalRadar steht eine fundierte und erprobte Datenbasis bereit, um diesen Prozess voranzutreiben.

Die sieben Dimensionen spiegeln einerseits die wesentlichen Bestandteile des Krankenhauszukunftsfonds wider und umfassen andererseits die klinischen, administrativen und datenbezogenen Prozesse innerhalb der Krankenhäuser, wodurch eine vollständige Abbildung durch das Modell gewährleistet wird.

Neue Perspektive: Patienten erstmals in die Erhebung einbezogen

Ein Novum der zweiten Erhebung ist auch die Einbeziehung der Patientenperspektive. Neben der Befragung der Krankenhäuser selbst wurden erstmals Patienten befragt, um zu analysieren, wie digitale Angebote in der Versorgung genutzt und akzeptiert werden. Hierbei stehen unter anderem folgende Fragen im Fokus:

  • Nutzen Patienten die digitalen Services aktiv?
  • Inwiefern beeinflusst der Digitalisierungsgrad eines Krankenhauses die Behandlungsentscheidung?

Die Ergebnisse dieser Erweiterung werden wertvolle Einblicke liefern, wie die digitale Transformation im Krankenhauswesen nicht nur die internen Abläufe, sondern auch das Patientenerlebnis verbessert.

Internationale Vergleichbarkeit ist schwierig

Die deutsche Krankenhauslandschaft ist auf einem guten Weg – in Hinblick auf den Digitalisierungsgrad ihrer Einrichtungen und ihren dadurch erweiterten Möglichkeiten.

Dass die Ergebnisse international kaum vergleichbar sind, liegt daran, dass sich der DigitalRadar am KHZG ausrichtet und nicht an dem Stufenmodel des EMRAM.

Kein Land der Welt hat diesbezüglich eine ähnlich umfassende Datenbasis, dennoch bleiben die Ergebnisse international schwer vergleichbar. „Das liegt vor allem daran, dass der DigitalRadar Krankenhaus sich am KHZG beziehungsweise den dort beschriebenen Fördertatbeständen ausrichtet und eben nicht an dem aufeinander aufbauenden Stufenmodel des Electronic Medical Record Adoption Model (EMRAM)“, erklärt Prof. Dr. Sylvia Thun, wissenschaftliche Leiterin des Konsortiums und Direktorin für Digitale Medizin und Interoperabilität am BIH der Charité.

Verstetigung als logischer Schritt

Der DigitalRadar ist nicht nur eine Momentaufnahme, sondern eine langfristige Grundlage für den digitalen Wandel im deutschen Gesundheitswesen. Ein etabliertes Monitoring-Tool wie dieses kann den Transformationsprozess nicht nur begleiten, sondern aktiv vorantreiben. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Krankenhäuser diese positive Entwicklung fortsetzen und wie sich der digitale Wandel langfristig auf die Versorgungsqualität auswirkt.

Das Instrument DigitalRadar zeigt, dass Digitalisierung nicht nur durch Investitionen, sondern auch durch kontinuierliche Evaluation erfolgreich vorangetrieben werden kann. Es ist guter politischer Stil, die Effekte von Reformen und Investitionsprogrammen zu messen, anstatt sie nach der Einführung sich selbst zu überlassen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die Krankenhäuser die positive Entwicklung fortsetzen und was der digitale Wandel langfristig für die herausfordernde Situation und seinen (positiven?) Einfluss auf die Krankenversorgung in Deutschland bedeutet.

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