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Healthcare HackathonDie Navi-App der Unimedizin Mainz entstand in 24 Stunden

Die neue Navi-App der Universitätsmedizin Mainz leitet nicht nur die Patienten über den Campus. Die Verantwortlichen versprechen sich auch für die Beschäftigten viele Vorteile. Was die App kann und wie ungewöhnlich sie entstanden ist.

Navi-App Universitätsmedizin Mainz
Catchup Applications

Einmal im Jahr findet in Mainz der zentrale Healthcare Hackathon statt: Bei diesem Event der Universitätsmedizin Mainz kommen an drei bis vier Tagen rund 900 Besucher zusammen: „Gut die Hälfte davon sind Entwickler“, sagt Dr. Christian Elsner, Kaufmännischer Vorstand (CFO) der Uniklinik. Er ist jedes Jahr dabei, auch bei vielen der Partner-Events in anderen deutschen Städten.

Gemeinsam werden vor Ort neue Prototypen für Produkte erarbeitet, oft zu sehr spezifischen Problem- und Fragestellungen. Eine solche hatte auch die Unimedizin Mainz: „Seit Beginn der Bauzeit durch unseren Baumasterplan haben wir auf unserem 17 Hektar großen Klinikgelände öfters Wegeänderungen und wollten hierfür eine schnelle Lösung finden“, beschreibt Elsner die initiale Herausforderung.

24-Stunden-Challenge für die Entwickler

So kam es zu der Idee, während des Hackathons 2022 eine Live-Navigation aufzusetzen, die Patienten und Besucher genauso wie Klinikmitarbeiter ohne Installationsaufwand nutzen können. „Wir wollten, dass die Navi-App voll in unsere Raumplanungs- und Wegesysteme integriert ist, sich sehr schnell aktualisieren kann und auch innerhalb der Gebäude nutzbar ist“, erzählt Elsner.

Der CFO wandte sich deshalb an Catchup Applications. Das 2015 gegründete Unternehmen mit Sitz in Hamburg entwickelt mit seinen mittlerweile zwölf Beschäftigten datenschutzkonforme Software: „Ein Drittel aller deutschen Unikliniken sind unsere Kunden“, sagt Fiona Hackmann, Leitung für Marketing und Vertrieb und Teil des Gründerteams.

Zusammen mit ihrem Mann Michael, einem Entwickler, nahm sie Elsners 24-Stunden-Challenge auf dem Hackathon an: „Die Frage war, ob wir es auf Grundlage unserer Basis-App schaffen würden, die schnelle Live-Navigation innerhalb von 24 Stunden aufzusetzen und dabei beispielhaft ein Klinikgebäude voll zu integrieren“, erinnert sich Fiona Hackmann.

18 Signalgeber für die Inhouse-Navigation

Der Hack gelang. Das Entwickler-Trio schaffte es in der Kürze der Zeit tatsächlich, 18 Signalgeber, sogenannte Bluetooth Low Energy (BLE) Beacons, in einem 8000 Quadratmeter großen Klinikgebäude anzubringen, deren Daten einzulesen und die App entsprechend darauf zu kalibrieren.

„GPS-Signale waren vor Ort zu ungenau und nicht verwertbar, da sie beispielsweise keinen Etagenwechsel abbilden können“, berichtet Hackmann: „Das können die BLE Beacons sehr gut. Die faustgroßen Signalgeber kann man kleben, stellen oder hängen – so stören sie bestehende Designkonzepte nicht. Es ist zum Beispiel möglich, sie unauffällig unter den Deckenplatten anzubringen.“ Krankenhäuser, die BLE bereits in ihre Access Points integriert haben, bräuchten diese nicht einmal.

Viele Verantwortliche in Krankenhäusern denken, dass Navigationsprojekte kompliziert sind und viel Zeit erfordern.

Team Catchup Applications
Felix Matthies
Die Gründer von Catchup Applications, (v. l.) Patrick Zenker, Michael Hackmann, Fiona Hackmann und Kaya Allhardt Wünsch, zählen diverse deutsche Kliniken zu ihren Kunden.

Der Ansporn der Hackmanns hinter dem ehrgeizigen Projekt: „Wir wollten den Kliniken ihre Ängste nehmen. Viele Verantwortliche in Krankenhäusern denken, dass Navigationsprojekte kompliziert sind und viel Zeit erfordern“, betont sie.

Als Vorbild für die Mainzer Navi-App dienten den Entwicklern die eigenen bisherigen Umsetzungen an anderen Kliniken: „Die Charité Berlin, das Uniklinikum Bonn und das Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) nutzen unsere App schon länger. Einige unserer Krankenhauskunden haben die Anwendung zudem in ihre Website integriert. So wird sie noch viel sichtbarer.“

15 deutsche Kliniken nutzen die App

Angefangen hat für das Software-Unternehmen zunächst alles mit einem Projekt auf dem Universitäts-Campus: „Damit sich die Studenten besser zurechtfinden. Kurz darauf entdeckte uns die UKSH und wollte wissen, ob dies auch für Krankenhäuser ginge“, erzählt Hackmann. Inzwischen setzen in Deutschland rund fünfzehn Kliniken die Basisversion der App ein, weitere im Ausland. Für die jeweilige Individualisierung schauen sich die Entwickler den Bedarf der Klinik an – von der Outdoor-Navigation bis in die Gebäude hinein.

Vielen Kliniken ist es wichtig, dass die App auch Ruhezonen berücksichtigt und Besucher, Patienten und Mitarbeiter geschickt an diesen vorbeileitet.

„Um komplette Patientenpfade abbilden zu können, brauchen wir im ersten Schritt alle Gebäudepläne und arbeiten diese so auf, dass das komplette Wegenetz bestmöglich erfasst wird“, erklärt Hackmann. Dabei gehe es nicht immer um den schnellsten Weg zum Ziel, sagt sie: „Vielen Kliniken ist es wichtig, dass die App auch Ruhezonen berücksichtigt und Besucher, Patienten und Mitarbeiter geschickt an diesen vorbeileitet.“

Die App dient als Planungsinstrument

Überhaupt sind Patientenpfade und die Verbesserung von internen Abläufen der zentrale Vorteil der neuen App, findet man in Mainz: „Mit der Navi-App als neuem Tool können wir jetzt Baustellen besser planen. Das System validiert, welche Konsequenzen eine Sperrung hat, ob ein Ziel beispielsweise für Rollstuhlfahrer nicht mehr barrierefrei erreichbar ist.“ Außerdem helfe die App als Planungsinstrument logistische Abläufe zu verbessern.

Obwohl sich die Basisversion der App für Krankenhäuser jeder Größe eignet, liegt der Schwerpunkt vor allem bei den großen Unikliniken, wo die Orientierung für Patienten besonders herausfordernd ist, heißt es bei Catchup Applications. Die Funktionen der Basis-App waren also bereits vorhanden, als die Hackmanns die Hackathon-Challenge 2022 annahmen.

So funktioniert die neue Mainzer Navi-App

Mit der finalen Anwendung „UM Mainz NAVI“ als digitalem Wegweiser können Patienten und Besucher nun jeden Zielort schnell und unkompliziert erreichen: ob Parkhaus, Café, einzelne Gebäude oder Fachbereiche wie etwa die Onkologie. Dazu müssen die Nutzer entweder die gleichnamige App aus den App-Stores laden oder die Anwendung über einen QR-Code direkt im Browser öffnen, denn die App ist durch den Hack jetzt auch als native HTML5-App nutzbar.

Auch wer einmal spontan im Krankenhaus ist und nicht die Smartphone-App geladen hat, kann die Navi-Dienste in Anspruch nehmen.

Christian Elsner und Michael Hackmann
Robert Hiltl
Ambitioniertes Projekt: Dr. Christian Elsner, CFO der Universitätsmedizin Mainz (l.), mit Michael Hackmann von Catchup Applications auf dem Healthcare Hackathon 2022.

Der Vorteil liegt auf der Hand: „Auch wer einmal spontan im Krankenhaus ist und nicht die Smartphone-App geladen hat, kann die Navi-Dienste in Anspruch nehmen. Zudem ist der Installationsaufwand für viele Patienten eine Hürde“, weiß Elsner.

Auf wenig Information fokussiert

Er vergleicht das Endergebnis mit der Navi-App von Google: „Die Apps sind sich relativ ähnlich, aber unsere Klinik-Navi-App ist deutlich einfacher und leichter bedienbar, indem sie auf wenig Information fokussiert.“ Eine Besonderheit sei auch, dass sich die App auf individuell benötigte Bereiche adaptieren lasse: „Der Nutzer gibt vor, wie die Gebäude bezeichnet sind, und kann sich innerhalb der Gebäude sogar auf eine Distanz von bis zu zwei Meter genau lokalisieren.“

Außerdem könnten Anwender zwischen zwei und zukünftig weiteren Sprachen auswählen, ihr Ziel eingeben und dann direkt loslaufen, radeln oder fahren, erzählt er stolz. Doch das sei noch nicht alles.

Besonders wichtig war uns, die App für Mitarbeiter anzupassen, die bei uns im Transportdienst neu anfangen oder in Teilzeit arbeiten.

„Während des Hackathons haben wir noch weitere Use Cases jenseits der Patienten- und Besuchernavigation entwickelt“, sagt Elsner: „Besonders wichtig war uns, die App für Mitarbeiter anzupassen, die bei uns im Transportdienst neu anfangen oder in Teilzeit arbeiten“, sagt er. Der Campus und die Raumstrukturen seien derart komplex, dass es selbst für die eigenen Mitarbeiter oft schwierig sei, den Weg zu finden.

Mit dem neuen Tool, so hofft man in Mainz, soll es nun gelingen, die Workforce und Logistik dahingehend besser zu unterstützen. Angedacht sind sogar vorkonfigurierte Hardware-Endgeräte, die man Patienten und Mitarbeitern direkt in die Hand gibt.

Eine weitere Hürde gilt es noch zu meistern: „Wir müssen die Raumpläne aktuell halten, denn eine App ist nur so gut, wie die Information, mit der man sie füttert“, betont Elsner. Hier sieht er in Zukunft noch Verbesserungspotenzial für die Klinik.

Bessere Patientenorientierung und Mitarbeiter-Support

Der Schritt von der simplen Google-Navigation auf der Website zur hauseigenen App, angepasst auf die eigene Infrastruktur, passt gut ins Digitalkonzept der Unimedizin, zumal diese sich seit Anfang 2022 intensiv mit der IT-Modernisierung ihres Standorts und mobilen Apps befasst (kma Online berichtete über das IPSUM-Projekt).

Das könnte für andere Kliniken durchaus ein Vorbild sein. Nicht zuletzt, da der Software-Entwickler 2021 an der Unimedizin Greifswald den deutschen Mobilitätspreis gewonnen hat: „Mit unserer Technologie ist es jetzt fast sehbehinderten Personen möglich, sich vollkommen selbstständig durch Gebäude zu bewegen“, berichtet Hackmann.

Nächster Hackathon im Juni

Der nächste Healthcare Hackathon steht ohnehin kurz bevor: Vom 22. bis 24. Juni 2023 werden in Mainz wieder viele Themenbereiche vorgestellt. „Bei einigen geht es um Krankheitsbilder, zum Beispiel die Flächenversorgung beim Schlaganfall“, sagt Elsner. Andere befassen sich mit neuen Entwicklungen wie dem Einsatz von ChatGPT und KI allgemein: „Die Entwickler testen beispielsweise, wie sich Arztbriefe mithilfe synthetischer Krankenakten in der Cloud schreiben lassen.“ Auch Nachhaltigkeit, Bau, Navigation und das Superthema Messenger seien 2023 dabei – kurz: genug Chancen für neue App-Kreationen.

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