Hitze wird zunehmen
Zentrales Element in Hitzeaktionsplänen ist das Hitzewarnsystem des Deutschen Wetterdienstes, das seit 2005 im Einsatz ist und es ermöglicht, sich rechtzeitig auf Hitzeperioden einzustellen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Hitzewellen halten sich an kein Muster. Sie können in ganz Deutschland vorkommen oder nur in einzelnen Regionen. Aufgrund der Größe von Deutschland kann es auch zu regionalen Unterschieden der Wetterlage kommen, deshalb werden Hitzewarnungen in zwei Warnstufen auf Landkreisebene herausgegeben. Eine konkrete Prognose aber, wo Hitzewellen durch den Klimawandel bedingt gehäuft auftreten werden, ist nicht möglich. „Wenn wir über eins beim Thema Klimawandel Bescheid wissen, ist es das: Die Hitze wird zunehmen. Der Ausblick in die Zukunft ist nicht rosig“, sagt Prof. Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes.
Ich merke, dass in den letzten drei, vier Jahren die Ärzteschaft vermehrt dieses Thema aufgreift und es angenommen hat.
Schon bevor 2017 die Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen veröffentlicht wurden, hatte er auf Grundlage von internationalen Dokumenten zwei Arbeiten darüber verfasst, was in solchen Plänen berücksichtigt werden sollte. Außerdem wollte Matzarakis die Ärzteschaft für den Hitzeschutz sensibilisieren, kontaktierte Ärztekammern, kassenärztliche Vereinigungen, auch Krankenkassen – und wartete vergebens auf Antwort. Erst die Hitzewelle von 2018 habe dazu geführt, dem Hitzeschutz eine andere Bedeutung zuzuordnen. Mittlerweile sind seine Workshops für Ärzte stark nachgefragt. „Ich merke, dass in den letzten drei, vier Jahren die Ärzteschaft vermehrt dieses Thema aufgreift und es angenommen hat. Das ist erst der Anfang. Wir werden hier in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein merkliches Umdenken haben“, ist sich Matzarakis sicher.
Das ist auch notwendig. Denn selbst, wenn mittlerweile Maßnahmen ergriffen werden und besser über Hitzeschutz informiert wird, sterben weiterhin Menschen durch Hitze. „Es betrifft alle: Sind die Innenräume erst einmal heiß, gibt es gibt kein Entkommen mehr vor der Hitze“, erläutert Matzarakis. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit: Bei Warnstufe 1 kann die Mortalitätskurve um mehrere Prozentpunkte, im Durchschnitt sind es acht Prozent, steigen und an einzelnen Tagen kann die Überschussmortalität um bis zu 50 Prozent und mehr zunehmen.
„Hitzeaktionspläne sind richtig und wichtig“, findet deshalb auch Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft. „Längere und schwerere Hitzeperioden in Verbindung mit einer immer älter werdenden Bevölkerung stellen uns hier vor neue Herausforderungen. Wir sind zunehmend mit schweren gesundheitlichen Schäden bis hin zum Tode durch Hitze konfrontiert.“ Die Beachtung von Risikogruppen sowie die Vorbereitung der Gesundheitssysteme stellen für ihn deshalb die zentralen Bestandteile dar. „Die WHO spricht im Zusammenhang mit den Aktionsplänen aber auch von der Kühlung beziehungsweise dem Umbau von Einrichtungen des Gesundheitssystems, also auch Krankenhäusern. Dies muss natürlich in den Ländern finanziell hinterlegt werden, damit die Krankenhäuser in der Lage sind, diese Investitionen vorzunehmen“, ergänzt Gaß.
Acht Kernelemente von Hitzeaktionsplänen
Die Handlungsempfehlungen basieren auf der WHO-Leitlinie. Die acht Kernelemente beinhalten kurz fristige, ohne große Investitionen umsetzbare Sofortmaßnahmen und langfristige Maßnahmen.
- Zentrale Koordinierung und in terdisziplinäre Zusammenarbeit
- Nutzung eines Hitzewarnsystems
- Information und Kommunikation
- Reduzierung von Hitze in Innenräumen
- Besondere Beachtung von Risikogruppen
- Vorbereitung der Gesundheits- und Sozialsysteme
- Langfristige Stadtplanung und Bauwesen
- Monitoring und Evaluation der Maßnahmen
Gesundheitswesen unzureichend eingebunden
Da durch Hitze viele Menschen sterben können, ist es Aufgabe der Kommunen, die Bevölkerung zu schützen. Allerdings sieht Dr. Eva Franziska Matthies-Wiesler, Wissenschaftlerin am Helmholtz Zentrum München und Vorstandsmitglied der Deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit (KLUG), Handlungsbedarf: „Man kann schon zu dem Schluss kommen, dass der gesundheitsbezogene Hitzeschutz in den Kommunen nicht ganz oben auf der Prioritätenliste steht. Die Gefahr von Hitze für die Gesundheit wird allgemein in ihrer Ernsthaftigkeit noch nicht erkannt.“ Matthies-Wiesler ist Mitautorin vom Lancet Countdown Policy Brief für Deutschland 2021. Darin wird analysiert, was sich seit dem ersten Policy Brief 2019 getan hat, in dem eine systematische und flächendeckende Umsetzung von Hitzeschutzplänen empfohlen wurde.
Die Gefahr von Hitze für die Gesundheit wird allgemein in ihrer Ernsthaftigkeit noch nicht erkannt.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Zwar ist in den vergangenen Jahren das Bewusstsein für den Hitzeschutz gewachsen, sowohl in den Kommunen als auch in der Bevölkerung. Es laufen erste Pilotprojekte, Städte haben Hitzeschutzpläne entwickelt und planen die Umsetzung oder haben diese schon eingeleitet. Von einer flächendeckenden Umsetzung kann aber nicht gesprochen werden. Matthies-Wiesler hat eine Ursache ausgemacht: Die Zuständigkeiten sowie die Finanzierung von Hitzeaktionsplänen sind nicht geklärt und gesundheitsbezogener Hitzeschutz ist nicht gesetzlich verankert.
Auch die Gesundheitsministerkonferenz unterstrich 2020 die Bedeutung, Vorkehrungen gegen Hitze zu treffen. Die Erstellung von Hitzeaktionsplänen durch die Länder innerhalb der folgenden fünf Jahre wurde für erforderlich gehalten. Zuständig für die Umsetzung seien primär Kommunen und betroffene Institute unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten und Spezifika. Die Zusammenarbeit aller relevanten Akteure wie Pflegedienste, ambulanter und stationärer Versorgungsfaktor, öffentlicher Gesundheitsdienst und Krankenkassen wurde als notwendig erachtet. Doch gerade die Akteure des Gesundheitswesens sind bis jetzt nur unzureichend in die Planungen eingebunden. Das ist ein Nachteil. Denn der Gesundheitsschutz werde dadurch im Krisenfall eingeschränkt. Es ist Zeit, zu handeln. Aus der Erkenntnis heraus, dass eine Gesundheitsgefahr in Verzug ist, wie es Matthies-Wiesler ausdrückt.





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