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LeadershipPersonalvorstand – warum das Ressort so wichtig ist

Ein Vorstand ohne Personalressort ist wie ein Auto ohne Räder. Doch die meisten Kliniken sind nach Berufsgruppen organisiert. Gastautor Dr. Nicolai Kranz beschreibt, warum vor allem große Häuser auf einen Personalvorstand setzen sollten.

Personalvorstand
Jo Panuwat D/stock.adobe.com
Symbolfoto

Alle reden vom Fachkräftemangel, aber es droht auch Personalabbau. Wie gelingt es, die Arbeitgeberattraktivität zu steigern und dennoch die Personalkosten zu optimieren? Das Personalmanagement setzt das größte Betriebsrisiko für Krankenhäuser. Deshalb bestellen Krankenhausverbünde und größere Einrichtungen immer öfter einen Personalvorstand. 33 von 36 Unikliniken aber nicht. Welcher Weg ist wo der richtige?

Üblich außerhalb der Krankenhauslandschaft und bewährt hat sich die funktionale Vorstandsorganisation mit z.B. einem Finanz-, IT und insbesondere einem Personal-Ressort. 320 der 677 größten deutschen Unternehmen ab 2000 Beschäftigen haben einen eigenständigen Personalvorstand, so das Ergebnis einer Studie des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.).

Inzwischen haben auch die meisten Krankenhauskonzerne eine funktionale Vorstandsorganisation mit einem Personalressort. Den Anfang machten vor über zehn Jahren die Privaten: Helios und die Sana Kliniken zum Beispiel. Die Kommunalen haben nachgezogen: Vivantes, die München Klinik oder die Kliniken Region Hannover. Und ebenso die Kirchlichen: Agaplesion, die Marienhaus- und die BBT-Gruppe. Doch die meisten Klinikvorstände sind nicht nach Funktionen organisiert, sondern nach Berufsgruppen mit Vertreter*innen der Ärzte, der Pflege und der „Verwaltung“. Diese berufsständische Organisation zementiert das sektorale Denken.

„Personal kann jeder“

Die „Nicht-Benennung“ eines Personalvorstands wertet der I.M.U. Forscher Jan Paul Giertz als „klares Indiz für ein sehr operatives Verständnis“ der Personalarbeit, die dann auf unternehmensstrategischer Ebene eine untergeordnete Rolle spiele. Die Annahme „Personal kann jeder“ stehe für ein überkommenes „paternalistisches“ Verständnis von Mitarbeiterführung. In Unternehmen mit „Mischressorts“ liege der Frauenanteil unter den Personalverantwortlichen bei lediglich gut fünf Prozent. Bei Unternehmen mit eigenständigem Personalvorstand seien es 32 Prozent.

Bei den 53 Prozent der Unternehmen ohne eigenständigen Personalvorstand werde die Personalarbeit „nicht mit der notwendigen Verantwortlichkeit“ betrieben. Wenn ein anderes Vorstandsmitglied das Personalressort mit übernimmt, drohten Rollenkonflikte, bei denen HR-Aspekte unter die Räder kommen könnten, warnt Arbeitsmarktforscher Giertz. Ein Finanzvorstand, der zugleich den Personalbereich verantwortet, mache mögliche Zielkonflikte zwischen Kostenoptimierung und Sozialverträglichkeit einer Maßnahme „mit sich selbst aus“ und halte sie aus der Vorstandsdebatte weitestgehend heraus.

Die Einrichtung eines Vorstandsressorts Personal würde die Bedeutung betonen, die die Mitarbeitenden für die Kliniken haben – ein starkes Signal an alle Mitarbeiter*innen und die Gewerkschaften. Hätten damit die Arbeitskämpfe der letzten Jahre moderater verlaufen können mit weniger gravierenden auch wirtschaftlichen Folgen?

Personal ist das größte Betriebsrisiko

PWC hat gerade ein Whitepaper veröffentlicht: „Work Force Risk Management“. Das Personalressort trägt Verantwortung für zwei Drittel der Kosten und noch dazu die Kosten mit der höchsten Dynamik. Die Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel kommen hinzu, insbesondere alles, was die Unternehmenskultur verbessert. Binden ist wichtiger als Finden – und „billiger“. Maximal spezialisiertes Know-how ist erforderlich, um den „teuersten“ und gleichzeitig „existenziellsten“ Posten der GuV zu bewirtschaften. Ohne Personal keine Patientenbehandlung und keine Erlöse.

Die Anforderungen an das Personalmanagement werden immer größer. Früher ging es in erster Linie um das Arbeitsrecht. Personalverwaltung war Normenvollzug im öffentlichen Dienst. Und da kommen die Krankenhäuser ursprünglich her. Über die DRG-Umstellung wurde das Personalcontrolling immer wichtiger und das Arbeitszeitgesetz rückte die Personaleinsatzplanung in den Vordergrund.

Dr. Nicolai Kranz ist seit 20 Jahren Experte für Personalmanagement im Krankenhaus als Manager, Unternehmer und Berater. Als Quereinsteiger aus dem Bankgeschäft startete der Rechtsanwalt und Bankkaufmann als Personalchef des Uniklinikums Köln. Später war er kaufmännnischer Vorstand des Uniklinikums Essen und Personalgeschäftsführer des Klinikums Ingolstadt. Er war zudem Gründer der digitalen Plattform für Personalvermittlung GigWork (Ausstieg 2021) sowie als Personalberater und Rechtsanwalt für Arbeitsrecht tätig.

Heute berät Nicolai Kranz Kliniken, Personaldienstleister und Investoren in allen Fragen rund um das Personalmanagement im Krankenhaus und springt als Interim-Personalmanager ein.

Heute stellt die neue Arbeitswelt zusätzliche Anforderungen: Die Digitalisierung spielt eine entscheidende Rolle, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Personalmanagement ist Mediation, Psychologie und Leadership: Wie gelingt es, die Identifikation der Mitarbeitenden zu steigern im gebeutelten Gesundheitswesen? Gerade hat sich das Personal vom Trauma Covid etwas erholt, da rutschen 80 Prozent der Krankenhäuser in die roten Zahlen und erste müssen Insolvenz anmelden. Das Vertrauen in den Arbeitgeber schwindet. Die Führung ruft mehr nach dem Gesetzgeber, als dass sie unternehmerische Maßnahmen ergreift und die Ideale der New Work sind weit weg.

Kommunikationsfähigkeit ist jetzt Kernkompetenz. Es gibt erste Einrichtungen, bei denen die Personalleitung auch die Verantwortung für die Unternehmenskommunikation übernimmt. Ein vielversprechender Ansatz, denn die Kommunikation nach innen und außen setzt gewichtige Signale in Richtung der Beschäftigten und potenzieller Kandidat*innen.

Doch was kann ein Personalvorstand besser als die anderen Vorstände? Oder ist der Ruf nach einem weiteren Vorstandsmitglied die Bankrotterklärung der zweiten Reihe? Wohl kaum! Es geht um die Aufwertung des Personalressorts, um mehr Kapazität und mehr einschlägigen Sachverstand im Vorstand. Es geht um die Stärkung der Ökonomie in einer sanierungsbedürftigen Branche. Der Status Quo gibt dem Status Quo nicht recht.

Vor allem geht es aber um mehr Leadership. Das ist den medizinischen Berufsträgern trotz leuchtender Beispiele nicht qua Ausbildung und Funktion in die Wiege gelegt. Die Personalvorstände sollten es beherrschen.

Nur drei Uniklinika haben einen Personalvorstand

Besonders auffällig ist die Situation bei den landeseigenen Universitätskliniken, die allein ob ihrer Größe Grundlage für eine funktionale Vorstandsorganisation bieten. Dort sieht sich der kaufmännische Vorstand je nach Bundesland bis zu vier stimmberechtigten Kolleg*innen aus den medizinischen Berufen gegenüber. Hält der minorisierte Kaufmann einen Beschluss des Vorstandes für wirtschaftlich nicht vertretbar, muss er auf Abhilfe hinwirken und hilfsweise an den Aufsichtsrat eskalieren. Streit ist vorprogrammiert. Die gemeinsame Verpflichtung auf das Betriebsergebnis hilft nicht immer und auch nicht das Verständnis, dass jeder nur Interessenvertreter ist. Wie in jedem Gremium, ist die Konsensfindung ein ständiges Nehmen und Geben. Vielleicht ist dies ein Grund für teils nicht refinanzierten Personalanstieg der letzten Jahre und andere Belastungen.

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Die Aufsichtsräte sollten bei den Ländern auf Änderungen der Rechtsverordnungen hinwirken, auf denen die Satzungen teils beruhen. Erste Initiativen gibt es bereits. Ziel ist, den Satzungsgeber zu überzeugen, eine funktionale Vorstandsorganisation zu regeln, ähnlich wie bei der Berliner Charité, dem Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dem Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH). Das würde auch keine Schwächung der heutigen kaufmännischen Direktion bedeuten. Im Gegenteil: Sie wäre nicht mehr allein für die Ökonomie zuständig. Ziel ist, die „kaufmännische Bank“ zu stärken und die ärztliche Direktion, die auch den Vorstandsvorsitz stellt, zu entlasten.

Berufsständische Organisation als Grund für die hohe Fluktuation?

Angesprochen auf die Anforderungen aus der Vielfalt der Aufgaben bekunden viele Geschäftsführungen, sich grenzwertig gefordert zu fühlen. Dies gilt insbesondere, wenn die nachgeordnete Ebene nicht ausreichend qualifiziert oder besetzt ist. Grund für die Aufteilung der ökonomischen Funktionen bei der funktionalen Vorstandsorganisation ist, dass kaum eine Führungspersönlichkeit alle Bereiche abdecken kann. Die „eierlegende Wollmilchsau“ gibt es nicht.

Selbst wenn es einzelne leuchtende Beispiele gibt, es sind wenige. Mit Blick auf die hohe Fluktuation in den Führungsetagen von Kliniken – insbesondere in den ökonomischen Bereichen – stellt sich die Frage, ob nicht auch hier eine funktionale Aufteilung helfen könnte.

Übergangsregelungen sind denkbar

Ein Patentrezept gibt es auch hier sicher nicht. Die Governance ist kein Allheilmittel und auch nicht die wichtigste Maßnahme. Die Umstellung auf eine funktionale Vorstandsorganisation kann aber einen Beitrag leisten, um der Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden gerecht zu werden – und damit auch gegenüber den Patient*innen. Es geht aber auch um die Verantwortung gegenüber den Kostenträgern, den Beitragszahlern zur Krankenversicherung und den Steuerzahlern.

Die Anzahl der Vorstandsressorts wäre an der Größe der Krankenhäuser zu bemessen. Interessant wäre eine umsatzbezogene Studie im Vergleich zu anderen Branchen und wie sich die Vorstandsstrukturen dort in den letzten Jahren entwickelt haben. Am Ende bleibt die Frage: Wie viele Vorstände braucht ein Krankenhaus, wie viele „C“s: CEO, CFO, CHRO, CIO, CRO…? Und: Wieviel kann man sich leisten? Eine Aufblähung der Führungsstruktur wirft auch Fragen auf.

Eine Möglichkeit wäre, dass der Sprecher der Geschäftsführung Personalexperte ist. Wenn das Personalmanagement das Betriebsrisiko Nr. 1 ist, wäre es sicher vertretbar, dem Personalmanagement die Hauptverantwortung zu übertragen. Die BBT-Gruppe liefert hierfür ein Beispiel und auch erste einzelne Häuser, wie z.B. das Alfried Krupp Krankenhaus in Essen – eine starke Ansage für die Beschäftigten.

Handlungsempfehlungen

  • Um Betriebsrisiken zu reduzieren, sollte die Satzung größerer Krankenhäuser eine funktionale Vorstandsorganisation regeln.
  • Insbesondere das Personalressort sollte mit Sitz und Stimme im Vorstand vertreten sein. Zwei Drittel der Kosten sind Personalkosten. Gleichzeitig ist der Personalmangel das größte Betriebsrisiko.
  • Um dem Personalressort die nötige Durchschlagskraft zu verleihen, empfiehlt sich ein Vetorecht oder der Vorsitz.
  • Ad hoc oder zum Übergang wäre die Bestellung eines CHRO ad interim denkbar oder die Teilnahme der Personalleitung an den Vorstandssitzungen, ggf. auch mit Stimmrecht.
  • Wird ein Personalexperte als kaufmännischer Vorstand bestellt, empfiehlt sich ggf. die Begleitung durch einen Restrukturierungsexperten.
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