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KrankenhausreformWarum Kliniken mit der Ambulantisierung warten sollten

Krankenhausreform und Ambulantisierung stellen die deutschen Krankenhäuser vor neue Herausforderungen. Manuel Berger, Geschäftsführer von Consus Health, erklärt, was auf die Unternehmen zukommt und wie sie sich gezielt darauf vorbereiten sollten.

Manuel Berger
Consus Health
Manuel Berger ist Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung Consus Health.

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach setzt bei der geplanten Krankenhausreform stark auf die Ambulantisierung vieler medizinischer Leistungen. Damit wird sich auch die Finanzierung der Einrichtungen erheblich verändern. Im Interview mit kma erklärt Manuel Berger, Geschäftsführer von Consus Health, wie die Krankenhäuser sich darauf vorbereiten können.

Herr Berger, Sie raten Kliniken, mit der Umstellung auf die Ambulantisierung noch zu warten. Warum?

Manuel Berger: Mit der Krankenhausreform ändert sich die Finanzierung der Gesundheitseinrichtungen. Künftig werden die Krankenhäuser zu 60 Prozent über eine Vorhaltepauschale finanziert, die restlichen 40 Prozent erwirtschaften sie mit einer fallbezogenen Vergütung. Als Berechnungsgrundlage für die Vorhaltepauschale dient die Zahl der stationären Fälle rückwirkend für die letzten zwei Jahre. Einerseits wissen wir noch nicht, wann die Vorhaltepauschale in Kraft tritt – geplant ist aktuell, dass sie ab 2027 erstmals wirken soll. Andererseits sollen die Häuser bereits jetzt auf die Ambulantisierung umstellen. Mit jeder ambulanten Operation reduziert sich jedoch die Zahl der stationären Fälle. Je früher ein Krankenhaus umstellt, desto geringer wird die künftige Vorhaltepauschale ausfallen.

Manuel Berger ist seit 2019 Geschäftsführer bei der Unternehmensberatung consus.health. Zuvor war er beim Klinikkonzern Helios unter anderem Regionalgeschäftsführer und für 13 Kliniken verantwortlich und auch Geschäftsführer für die ambulante Versorgung mit 550 KV-Sitzen.

Wie sollten sich die Krankenhäuser verhalten?

Medizinisch wäre es natürlich sinnvoll, bereits jetzt zu ambulantisieren. Aus ökonomischer Sicht sollte jetzt alles vorbereitet werden und der Umstieg in der Sekunde erfolgen, in der die Vorhaltepauschale für das Krankenhaus feststeht.

Krankenhäuser werden für ambulante Fälle weniger Geld erhalten als für die stationären. Diejenigen, die die Ambulantisierung umsetzen, werden finanziell ein massives Problem bekommen.

 

Werden die Krankenhäuser durch die Reform weniger Geld erwirtschaften?

Die Vergütung der ambulanten Fälle erfolgt mittels sogenannter Hybrid-DRGs. Einer Studie des DKI aus dem Jahr 2022 zufolge liegt die Höhe der Vergütung einer Hybrid-DRG um ein Drittel niedriger als bei einer stationären DRG. Da die Krankenhäuser für die ambulanten Fälle weniger Geld erhalten als für die stationären, werden diejenigen, die die Ambulantisierung umsetzen, finanziell ein massives Problem bekommen. Hinzu kommt, dass ein Krankenhaus eine teurere Kostenstruktur hat als das erfolgreichste ambulante OP-Zentrum, das ich kenne.

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Wie sollten sich die Krankenhäuser auf die Ambulantisierung vorbereiten?

Es muss bauliche und organisatorische Veränderungen geben. In manchen ambulanten OP-Zentren ist zum Beispiel der Empfangsbereich so gestaltet, dass die Aufnahmekraft über die Schulter des ankommenden Patienten in den Aufwachraum schaut und dort bei Bedarf mithelfen kann. So etwas ist bei der stationären Behandlung von Patienten in keiner Klinik vorstellbar. Dort ist der Aufwachraum meist komplett getrennt vom Empfangsbereich und von außen nicht erreichbar. Das ambulante OP-Zentrum spart an dieser Stelle einen Mitarbeiter ein. Und so setzt sich das fort. Ambulante OP-Zentren arbeiten deshalb mit einer völlig anderen Kostenstruktur als Krankenhäuser.

Ambulante und stationäre Eingriffe werden am besten räumlich voneinander getrennt?

Darauf wird es in manchen Fällen hinauslaufen. Natürlich sind Kompromisse denkbar. Bei einem Krankenhaus mit zehn stationären OP-Sälen zum Beispiel würde das bedeuten, dass zwei OP-Säle abgetrennt werden und einen eigenen Zugang erhalten. Die ambulanten Patienten können so schnell hinein und wieder hinaus geschleust und auf diese zwei OP-Säle gebündelt werden. Durch diese Maßnahme schafft das Krankenhaus ein ambulantes Umfeld. In einem ambulanten OP-Zentrum wird auch die Narkose nicht so lange vorbereitet und der Arzt steht nur noch im OP-Saal und operiert einen Patienten nach dem anderen. Solche Strukturen kann ich theoretisch auch in einem Krankenhaus schaffen. Aber das ist baulich nicht immer einfach.

 

Es muss ein Umdenken erfolgen. Die ambulante Leistung in einer Klinik muss in Zukunft genauso erbracht werden wie in einem ambulanten OP-Zentrum.

 

Bauliche Maßnahmen allein werden aber nicht reichen...

Genau. Es muss auch ein Umdenken erfolgen. Die ambulante Leistung in einer Klinik muss in Zukunft genauso erbracht werden wie in einem ambulanten OP-Zentrum. Für die Mitarbeiter wird es nicht einfach werden, nach so vielen Jahren umzuschalten vom stationären Umfeld mit komplexen Fällen, die die gesamte Struktur eines Krankenhauses benötigen, auf einen ambulanten Patienten, der das nicht braucht. Ich bin überzeugt davon, dass das in der Praxis nur mit weitgehend getrennten Strukturen funktionieren wird. Hinzu kommt eine Art von Rosinenpickerei der ambulanten OP-Zentren. Diese suchen sich die unkomplizierten Fälle heraus. Die Patienten sind zumeist jünger und gesünder. Die komplikativen Fälle, die drohen stationär zu werden, überlassen sie den Krankenhäusern. Ich befürchte, dass die Mischstruktur mit ambulanten und stationären Patienten nicht funktionieren wird und im Zweifelsfalle dazu führt, dass die Krankenhäuser noch mehr Defizite machen.

Die Reform soll dazu führen, dass sich kleinere Krankenhäuser fachlich spezialisieren. Werden diese Einrichtungen in Zukunft nur noch ambulant arbeiten?

Ganz so einfach ist es nicht. Auch in Zukunft kommen nicht nur die komplizierten Fälle für eine stationäre Behandlung infrage. Bei einer Hernien-OP, die eigentlich immer ein relativ kleiner Eingriff ist, können Kontextfaktoren dazu führen, dass eine stationäre Behandlung erforderlich ist. Hierbei handelt es sich auch oftmals um soziale Faktoren. Das ist zum Beispiel bei Patienten mit einem hohen Pflegegrad der Fall, die motorisch eingeschränkt sind oder sich nicht selbst verpflegen können. Deshalb wird es auch künftig medizinisch nicht so komplexe Fälle geben, die noch von kleinen Krankenhäusern behandelt werden. Es wird nicht alles gleich zum Maximalversorger oder zur Uniklinik gehen. Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass die ambulanten Anbieter mehr machen und die einfachen Patienten abfangen, und in den Krankenhäusern dann tendenziell diejenigen mit mehr Komplikationen und die schwierigeren Patienten verbleiben.

Welche Auswirkungen hat die Ambulantisierung auf den Fachkräftemangel in der Medizin?

Ein gutes Beispiel ist Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es bereits die Leistungsgruppen für ambulante Operationen. Der Leistungskatalog ist gerade in der Abstimmung und noch nicht in Kraft getreten. Aber die Ärzte schauen natürlich darauf. Ein Chirurg möchte auch einmal einen großen Eingriff machen. Der bewirbt sich dann nicht mehr in einem Haus, das nur noch kleinteilige Chirurgie macht. Das heißt, Bewerber fragen jetzt schon bei den Häusern nach, welche Leistungsgruppen es künftig geben wird. Tendenziell haben es bereits jetzt die großen Krankenhäuser leichter, Personal zu finden. Das wird sich fortsetzen.

Der Druck auf die kleineren Häuser wird steigen?

Ja. Es wird gesagt, die kleinen Krankenhäuser müssten sich verändern. Wir haben viele kleine Krankenhäuser als Kunden, die dazu auch bereit wären. Aber wie sollen sie sich verändern? Im Gesetz zur Krankenhausreform steht zum Beispiel drin, dass ein Krankenhaus zur Level-1i-Klinik und damit zu einem sektorübergreifenden Versorger werden kann. Nur die Finanzierung dafür ist noch nicht festgelegt. Die Häuser können so nicht planen. Und sie können auch nicht von einer Handvoll Hybrid-DRGs leben.

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