
Unerwartete Blutungen, innere Wundheilungsstörungen, Infektionen, Nierenversagen, Sepsis und Schock: Nicht alle Komplikationen lassen sich vermeiden. Dennoch sollten Patientinnen und Patienten bei der Wahl ihres Krankenhauses nicht nur auf die Erfahrung der Operateurin oder des Operateurs achten. Gerade bei komplexen und risikoreichen Eingriffen kommt es neben dem erfolgreichen Eingriff auch auf das Erkennen und Beherrschen der Komplikationen an, die danach auftreten können.
Wie gut oder schlecht das gelingt, zeigt die sogenannte Failure-to-Rescue-Rate (FTR-Rate), wobei Failure to Rescue für Rettungsversagen steht. Diese Zahl besagt, dass eine lebensbedrohliche Komplikation nicht rechtzeitig erkannt oder nicht adäquat behandelt wurde und im schlechtesten Fall zum Tod geführt hat. Studien zeigen, dass in spezialisierten Zentren mit hohen Fallzahlen die FTR-Rate niedriger und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit höher ist.
Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) spricht sich deshalb im Vorfeld ihres bevorstehenden Kongresses in München dafür aus, dass Krankenhäuser zur Erhöhung der Transparenz die FTR-Raten auch in ihren Qualitätsberichten ausweisen. Gleichzeitig unterstützt die Fachgesellschaft weiterhin die Infrastrukturvorgaben zur Zentrumsbildung der Krankenhausreform.
Komplikationsmanagement kann über Leben und Tod entscheiden
Komplikationen sind manchmal unvermeidlich. Dies gilt vor allem bei komplexen chirurgischen Eingriffen: „Das sind Operationen an der Bauchspeicheldrüse, Speiseröhre oder Leber. Auch Bauchaortenaneurysmen, Aortendissektionen, Polytraumata oder Transplantationen gehören dazu“, nennt Professorin Dr. med. Christiane Bruns, 1. Vize-Präsidentin der DGCH, als Beispiele. „Hier ist entscheidend, wie schnell und effektiv darauf reagiert wird", sagt die Chirurgin und Wissenschaftlerin, die Direktorin der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Transplantationschirurgie an der Uniklinik Köln ist.
Die Qualität eines Krankenhauses zeigt sich nicht nur im OP, sondern auch im Komplikationsmanagement.
Bruns betont: „Die Qualität eines Krankenhauses zeigt sich nicht nur im OP, sondern auch im Komplikationsmanagement. Das kann gerade bei Hochrisiko-Eingriffen über Leben und Tod entscheiden.“ Eine gute Personalausstattung, engmaschige Überwachung, rechtzeitige Intensivtherapie und interdisziplinäre Zusammenarbeit, – von einer guten Fehlerkultur getragen –, seien für eine niedrige FTR-Rate entscheidend.
Spezialisierte Zentren haben oft niedrigere FTR-Raten
Zahlreiche Studien belegen einen Zusammenhang von Leistungsmenge und Behandlungsqualität. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen dabei auch, dass etwa spezialisierte Krebszentren signifikant niedrigere FTR-Raten haben. Doch trotz der Empfehlungen, etwa des Nationalen Krebsplans, werden immer noch über 40 Prozent aller Krebspatienten in nicht zertifizierten Krankenhäusern erstbehandelt, so die DGCH.
FTR ist messbar, beeinflussbar und damit ein zentraler Ansatzpunkt zur weiteren Senkung der postoperativen Sterblichkeit.
„Die FTR-Problematik ist ein wichtiger Grund für die Einführung und Diskussion von Mindestmengen in der Chirurgie“, so Bruns. Mindestmengen sollen dazu beitragen, die Versorgungsqualität zu verbessern und FTR-Raten zu senken. „FTR ist messbar, beeinflussbar und damit ein zentraler Ansatzpunkt zur weiteren Senkung der postoperativen Sterblichkeit. Dies sollten wir zur weiteren Verbesserung der Ergebnisqualität nutzen“, sagt Bruns.
Krankenhäuser sollen ihre FTR-Rate ausweisen
„Komplikationen lassen sich nie ganz vermeiden, aber das Ziel ist, dass kein Patient mehr an einer behandelbaren Komplikation sterben muss“, sagt Professor Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen, Generalsekretär der DGCH. „Patientinnen und Patienten sollte es daher möglich werden, ihre Krankenhauswahl auch an der FTR zu orientieren“, sagt Schmitz-Rixen. „Von den Krankenhäusern ist zu fordern, dass sie ihre FTR bei ihren Leistungen ausweisen. Dies ist momentan noch nicht der Fall“.
Von den Krankenhäusern ist zu fordern, dass sie ihre FTR bei ihren Leistungen ausweisen. Dies ist momentan noch nicht der Fall.
In der Zwischenzeit könne man sich aber schon über Qualitätsurteile von bestehenden Plattformen, etwa dem bundesweiten Klinikatlas, sowie über Teilaspekte und alternative Qualitätsindikatoren informieren. Dazu gehören Komplikations- und Sterberaten und Personalausstattung. Schmitz-Rixen rät: Bei komplexen Eingriffen lohne es sich, ein spezialisiertes Zentrum aufzusuchen – auch wenn der Weg dorthin weiter sei.
Dieser Rat deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg), die in Zusammenarbeit mit Mitgliedern der „Regierungskommission Krankenhaus” entstanden ist. Sie bestätigt am Beispiel der optimalen Versorgung bei Lungenkrebs-Operationen, dass Betroffene durchaus längere Anfahrtswege zu Klinikstandorten in Kauf nehmen, wenn dafür Überlebensvorteile entstehen.









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