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RSNA 2023Was sich Radiologen weltweit von der KI erhoffen

Künstliche Intelligenz stand im Fokus des vergangenen Jahrestreffens der nordamerikanischen Röntgengesellschaft (RSNA). Über was die Spezialisten gesprochen haben und welches Potenzial sie in der KI für die Zukunft sehen.

RSNA 2023
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Das Jahrestreffen der nordamerikanischen Röntgengesellschaft (RSNA) blieb auch 2023 stabil: Die Teilnehmerzahl war vergleichbar mit der von 2022 und die Künstliche Intelligenz stand wieder im Mittelpunkt. Vermehrt rücken dabei auch die generative KI und ihr Potenzial für die Unterstützung der radiologischen Routine in den Fokus.

Veränderungen sind wichtig. Sie sind die Triebfeder des Wachstums.

Das Kongressmotto im vergangenen Jahr lautete „Leading Through Change“. Die Weiterentwicklung der Radiologie hängt davon ab, inwieweit das Fachgebiet bereit ist, sich neuen Technologien und Anwendungen zu öffnen. So könnte man die Eröffnungsrede des Kongresspräsidenten Dr. Matthew A. Mauro zusammenfassen, die die Teilnehmer ermutigen sollte, das Neue anzunehmen und für sich zu nutzen. „Veränderungen sind wichtig. Sie sind die Triebfeder des Wachstums. Wie wir uns dem Wandel anpassen, wird letztlich über unseren künftigen Erfolg entscheiden“, sagte Dr. Mauro.

Gleichwohl ist ihm nicht Bange vor der Zukunft. Voraussetzung sei eine klare Vision, die von einem gleichberechtigten und verantwortungsvollen Team getragen werde. Allerdings: „Status und Ego dürfen dem Erfolg nicht im Wege stehen“, betonte der diesjährige Kongresspräsident. Und es brauche langen Atem, Wandel sei schließlich ein Prozess und kein einmaliges Ereignis.

KI wird uns neue Türen öffnen.

Eine entscheidende Rolle auf dem Weg zum Erfolg spielten neue Technologien, die frühzeitig in den Arbeitsalltag integriert werden sollten. Dazu zählte er ausdrücklich auch die KI. „KI wird uns neue Türen öffnen“, so Dr. Mauro. „Wenn sich die Anwendungen weiter verbessern, können sie uns bei vielen Aufgaben unterstützen oder sie gar übernehmen.“ Als Beispiele nannte er die Terminplanung, die Befundung und die Analyse von Studien. Das verschaffe Radiologen Zeit für andere als repetitive Tätigkeiten.

Den demografischen Herausforderungen begegnen

In dieselbe Kerbe schlug auch Dr. Howard B. Chrisman, CEO von Northwestern Memorial HealthCare in Chicago: „Die Künstliche Intelligenz wird unser Fachgebiet rasch verändern. Ich bin aber überzeugt davon, dass kein Fachgebiet besser auf den Wandel vorbereitet ist als die Radiologie.“ Er sieht in der KI auch eine Möglichkeit, den demografischen Herausforderungen zu begegnen. Immer älteren und zunehmend chronisch kranken Patienten stünden laut Dr. Chrisman überalterte und ausgebrannte Radiologen gegenüber. Mittels Algorithmen könnten Prozesse automatisiert, Arbeitsabläufe rationalisiert und die Mitarbeiterzufriedenheit verbessert werden.

Optimistische Einstellung zu KI

Doch wie steht es um die Akzeptanz Künstlicher Intelligenz bei den Radiologen? Überraschend gut, glaubt man Dr. Elizabeth S. Burnside, Professorin und stellvertretende Dekanin an der University of Wisconsin School of Medicine and Public Health und Co-Executive Director des Institute for Clinical and Translational Research der Universität. Sie stellte die Ergebnisse einer noch unveröffentlichten Umfrage vor, die den Grad des Optimismus der Befragten in Bezug auf verschiedene Formen der KI beleuchtet. Demnach gaben 93 Prozent der Befragten an, dass sie der KI im Allgemeinen optimistisch gegenüberstünden, von der generativen KI sagten das immer noch 86 Prozent. Die größten Erwartungen verbanden sich mit der Verbesserung von Qualität und Effizienz, aber auch mit der Minderung der Arbeitsbelastung, Stichwort „Burnout“.

RSNA 2023
RSNA
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KI in der Praxis angekommen?

KI bestimmte also äußerst viele Diskussionen auf dem RSNA 2023. Aber bedeutet das, dass sie (endlich) auf dem Weg zu einer breiten klinischen Anwendung ist? Zweifelhaft. Mehrere Redner gestanden ihr zwar eine disruptive Wirkung zu und betonten, dass sie positive Auswirkungen auf den traditionellen Arbeitsablauf haben werde. Wann stehe allerdings noch in den Sternen. Dass es aber bereits heute vielversprechende Anwendungen mit KI gibt, zeigten beispielhaft zwei Präsentationen.

Einsatzmöglichkeiten in der Kardiologie 

Kardiomegalie ist eine krankhafte Vergrößerung des Herzens, die in der Regel Anzeichen für andere Erkrankungen ist. Sie wird regelmäßig anhand einer subjektiven, nicht standardisierten visuellen Beurteilung auf Basis von CT-Bildern diagnostiziert – und bleibt häufig unentdeckt. Laut einer Studie der University of Alabama at Birmingham (UAB) zeigt ein KI-Algorithmus das Potenzial, auf CT-Aufnahmen des Thorax oder des Abdomens opportunistisch nach Kardiomegalie zu suchen. Die Forscher fanden heraus, dass der Algorithmus bei der Quantifizierung des Herz-Thorax-Quotienten sehr gut in der Lage war, schwere kardiovaskuläre Erkrankungen und den Tod vorherzusagen. „Die frühzeitige Erkennung von Kardiomegalie ermöglicht eine angemessene Untersuchung und Behandlung, um potenziell kardiovaskuläre Erkrankungen zu reduzieren und so die Gesundheit des einzelnen Patienten und der Bevölkerung zu verbessern“, sagte Dr. Steven Rothenberg, Assistenzprofessor in der Abteilung für kardiopulmonale Bildgebung an der UAB und Hauptautor der Studie.

Die computergestützte Diagnose hat das Potenzial, die Interpretation von Röntgenbildern des Thorax in Regionen zu unterstützen, in denen es nur wenige erfahrene Radiologen gibt.

Eine andere Studie zeigt, dass KI bei der Diagnose von Tuberkulose in ressourcenbeschränkten Ländern helfen kann. Das Team um Dr. Nsala Sanjase, Medical Officer am Center for Infectious Disease Research in Sambia, arbeitet an der Validierung eines von Google mit Unterstützung der Bill and Melinda Gates Foundation entwickelten KI-Algorithmus für das Tuberkulose-Screening. „Die computergestützte Diagnose hat das Potenzial, die Interpretation von Röntgenbildern des Thorax in Regionen zu unterstützen, in denen es nur wenige erfahrene Radiologen gibt“, sagte Dr. Sanjase. „So könnten das Screening verbessert und die Kosten für diagnostische Tests senkt werden.“ Allerdings gebe es bis zur Marktreife noch viel zu tun.

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Kann ChatGPT der Radiologie helfen?

KI kann mittlerweile aber nicht nur Mustererkennung, wie sie bei der Analyse von Röntgenaufnahmen genutzt wird. Generative KI und KI-Tools mit großen Sprachmodellen, beispielsweise ChatGPT, können vielfältige Aufgaben übernehmen, etwa die Beantwortung von Patientenfragen oder die Unterstützung von Radiologen beim Diktat. Die Technologie befindet sich zwar noch in der Entwicklung, doch Studien und Untersuchungen zeigen bereits das Potenzial dieser Technologie auch in der Radiologie.

Vielversprechende Ergebnisse

Dr. Shawn Sun, Assistenzarzt für Radiologie an der UCI School of Medicine in Irvine, hat ein Projekt vorgestellt, bei dem 70 Fallstudien zur gastrointestinalen und urogenitalen Bildgebung aus zwei Lehrbüchern ausgewertet wurden. Bilder und Anamnese haben die Forscher in standardisierte Eingabeaufforderungen umgewandelt, die eine reine Beschreibung der Fälle und eine Abfrage nach der wahrscheinlichsten Diagnose, den drei wichtigsten Differentialdiagnosen und den entsprechenden Erklärungen und Verweisen aus der medizinischen Literatur enthielten. Diese Eingabeaufforderungen wurden in die Algorithmen ChatGPT3.5 und ChatGPT4 eingespeist.

Die generierten Antworten wurden durch Vergleich mit der Originalliteratur auf ihre Genauigkeit und durch manuelle Überprüfung der generierten Erklärungen und Zitate auf ihre Zuverlässigkeit hin analysiert. „Die Ergebnisse sind angesichts des Kontextes recht vielversprechend. ChatGPT wurde nicht für medizinische Diagnosen trainiert. Es wurde trainiert, um allgemeine Aufgaben für die Öffentlichkeit zu erfüllen, und dennoch ist es in der Lage, eine Leistung zu erzielen, die fast mit den besten anderen KI-Tools für fundierte Entscheidungen vergleichbar ist“, so Dr. Sun. Bei analytischen und vergleichenden Tätigkeiten sieht er einen Mehrwert durch Künstliche Intelligenz. Wenn es jedoch um Kontext und Schlussfolgerungen geht, hätten die Radiologen Vorteile.

Offene Fragen müssen noch geklärt werden

In einer Studie wiesen Shani Rosen, Leiter des DataMED-Labors an der Fakultät für Krankenpflege der Universität Tel Aviv und ihr Co-Autor Dr. Mor Saban, Leiter von DataMED, nach, dass ChatGPT, wenn es mit klinischen Daten über Krankheitssymptome gefüttert wird, Ärzten Empfehlungen für geeignete bildgebende Untersuchungen geben kann. Die sind sogar mit denen des iGuide der European Society of Radiology (ESR) vergleichbar. „Ich war überrascht, wie spezifisch das Tool in vielen Fällen sein kann und wie hoch die Genauigkeit ist: 87 Prozent der Fälle wurden als richtig eingestuft“, so Rosen. „Das ist bemerkenswert für ein Sprachtool, das nicht einmal speziell für medizinische Aufgaben entwickelt wurde.“

Das Sprachmodell hat das Potenzial, Klinikern bei der Auswahl geeigneter bildgebender Verfahren zu helfen.

Bevor ChatGPT allerdings im Krankenhausalltag eingesetzt werden kann, müssen klinische, ethische und regulatorische Fragen geklärt werden. „Das Sprachmodell hat jedoch das Potenzial, Klinikern bei der Auswahl geeigneter bildgebender Verfahren für ihre Patienten zu helfen“, so der Leiter des DataMED-Labors.

Hilfreiche Sprachmodelle

Die Kommunikation mit den Patienten ist ein augenfälliges Einsatzszenario von Algorithmen wie ChatGPT. So könnten große Sprachmodelle laut Studie beispielsweise die Lesbarkeit von Röntgenbefunden verbessern, indem sie den medizinischen Fachjargon vereinfachen und unnötige Wörter eliminieren. Die zunehmende Komplexität der Bildgebung und der Trend zu höher strukturierten Befunden haben dazu geführt, dass diese für überweisende Ärzte und Patienten schwer zu verstehen sind. Die jüngsten Fortschritte bei großen Sprachmodellen bieten die Möglichkeit, diesem Problem Herr zu werden.

Spannend zu beobachten, wird sein, wie sich die Technologien in diesem Jahr weiterentwickeln und welche Fortschritte auf dem nächsten RSNA – vom 1. bis zum 5. Dezember – präsentiert werden.

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